Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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ziehen. Er wechselte mehrfach seinen Aufenthalts- 
ort, erhielt einigen Zulauf durch Bondels, die 
sich noch im englischen Gebiet aufhielten, sowie 
durch eine Anzahl Kaffern und wurde auch mit 
Gewehren versehen. Ende Juli soll sich sein 
Anhang bereits auf fast 50 Köpfe belaufen haben. 
Anfang August wurde seine Spur im deutsch- 
englischen Grenzgebiet in der Gegend ästlich 
Blydeverwacht festgestellt. Er hatte damit offen- 
kundig seine Unzuverlässigkeit bewiesen. Üüber- 
triebene Gerüchte über seine bedrohliche Nähe 
und die Größe seines Anhangs riefen in den 
Kreisen der Farmer sogleich eine lebhafte Be- 
unruhigung hervor. 
Die Spannung der Lage wuchs, als dem 
Unterstaatssekretär v. Lindequist, der bis zum 
Eintreffen des neuernannten Gouverneurs v. Schuck- 
mann die Gouvernementsgeschäfte wahrnahm, von 
der Kap-Regierung die mit Bestimmtheit ab- 
gegebene Meldung eines Inspektors der englischen 
Grenzpolizei übermittelt wurde, Morenga habe 
mit 400 Anhängern, von denen 150 mit Henry- 
Martiny-Gewehren bewaffnet seien, die deutsche 
Grenze bei Orlogskloof") bereits überschritten. 
Die Morenga-Gefahr tauchte insofern in einem 
für die Deutschen höchst ungünstigen Augenblicke 
auf, als gerade die Heimsendungstransporte zur 
Verringerung der Schutztruppe in Fluß gebracht 
waren. Da Ersatztransporte nur in geringem 
Umfange eingetroffen waren, die zur Heimkehr 
bestimmten Mannschaften jedoch ihre Truppenteile 
großenteils schon verlassen hatten, so waren deren 
Gefechtsstärken zur Zeit stark verringert. Auch 
die gerade in Kamerun ausgebrochenen Unruhen 
drohten der Schutztruppe in Südwestafrika Kräfte 
zu entziehen. Schon war zum eventuellen Ab- 
transport dorthin die Aufstellung je einer Kom- 
pagnie in Lüderitzbucht und Swakopmund an- 
geordnet worden. Konnte einem Einbruche des 
gefährlichen Bandenführers in deutsches Gebiet 
nicht von vornherein mit hinreichenden Kräfsten 
begegnet werden, gelang es ihm vielmehr, gleich 
anfangs einen ersten glücklichen Schlag zu führen, 
so war zu befürchten, daß, durch sein Kriegsglück 
ermutigt, auch die Hottentotten im Schutzgebiete 
aufs neue zu den Waffen griffen und die soeben 
erloschene Kriegsfackel im ganzen Lande wieder 
entzündeten. War doch auch der letzte Aufstand 
der Bondelzwarts im Juni 1904 mit durch seine 
Rückkehr vom britischen Gebiet hervorgerufen 
worden. Schon sagten Kundschafternachrichten, 
daß er mit dem Bondels-Kapitän Johannes 
Christian, der erst unlängst Frieden geschlossen 
hatte, in Warmbad in Verbindung getreten sei 
und daß auch von Simon Kopper aus der Kala- 
hari Boten bei ihm eingetroffen seien. Welch 
*) Orlogskloof gleich Gamsib-Kluft. 
  
schwere Nachteile und Opfer an Menschenleben 
und Geld dem Reiche und Schutzgebiete erwachsen 
mußten, wenn der so teuer erkaufte Friede ernent 
gestört wurde, lag auf der Hand. 
Diese Erwägungen erheischten mit gebieterischer 
Notwendigkeit Maßnahmen, die es möglich machten, 
die drohende Gefahr im Keim zu ersticken. Dem 
Gegner mußten von vornherein so überlegene 
Kräfte entgegengestellt perden, daß selbst in Rück- 
sicht auf das klüftereiche überaus schwierige Ge- 
lände des Oranje-Gebirges und auf die geschickte 
Kriegführung des erfahrenen Räubers ein Erfolg 
mit Sicherheit zu erhoffen war. 
Unterstaatssekretär v. Lindequist beantragte 
daher zunächst am 10. August in Übereinstimmung 
mit dem Kommandeur der Schutztruppe, Oberst- 
leutnant v. Estorff, beim Reichs-Kolonialamt die 
Einstellung der Heimsendungstransporte, um da- 
durch die Truppen wieder auf hinreichende Gefechts- 
stärke zu bringen. Diesem Ansuchen wurde sofort 
Folge gegeben. Es befanden sich daher Anfang 
September rund 6300 Mann im Schutzgebiet. 
Von Bedeutung für den voraussichtlichen Gang 
der Begebenheiten mußte das Verhalten der 
britischen Behörden werden. Die Kap-Regierung 
zeigte sich sogleich bereit, alles, was in ihren 
Kräften stand, zur Verhütung eines neuen Ein- 
geborenenaufstandes zu tun. Zweifellos war sie 
sich darüber klar, daß Morenga, „der Napoleon 
der Schwarzen“, wie er genannt wurde, ganz 
der Mann war, eine allgemeine Erhebung der 
Schwarzen in Südafrika hervorzurufen. Da er 
ungeachtet der ihm erteilten Warnung anscheinend 
heimlich deutsches Gebiet betreten hatte, so wurde 
dem deutschen Gouvernement mitgeteilt, daß er 
sein Asylrecht in der Kap-Kolonie verscherzt habe. 
Der Magistrat in Upington erhielt gleichzeitig die 
Weisung, alle verfügbaren Polizeikräfte an die 
Grenze zu senden, um Morenga, falls er britisches 
Gebiet betrete, zu verhaften oder ins deutsche 
Gebiet zurückzutreiben. Die kapländische Grenz= 
polizei wurde Mitte August um 4 Offiziere, 
50 Polizisten auf etwa 120 Köpfe verstärkt. 
Der Kommandeur der Schutztruppe, Oberst- 
leutnant v. Estorff, nahm sofort eine engere Ver- 
sammlung aller gegen Morenga verfügbar ge- 
machten Kräfte nach der Südostecke des Schutz- 
gebietes vor. Vom 18. August an standen in 
der Linie Udabis — Ukamas drei Kompagnien, 
ein Zug Gebirgsartillerie und ein Zug Maschinen- 
gewehre mit Posten in Stolzenfels, Blydeverwacht 
und Dawignab unter dem Befehl des Hauptmanus 
Ritter dem Feinde gegenüber. Von den Truppen 
des Südbezirks wurden ferner fünf Kompagnien, 
eine Feldbatterie, drei Züge Gebirgsartillerie und 
zwei Züge Maschinengewehre sowie die Kamerun= 
Kompagnie Rausch im Raum Hasuur— Keetmanns- 
hoop—Warmbad bis Anfang September ver-
	        
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