Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Awakubi ist wohl der größte Posten am 
Iluri-Aruwimi, in einer der reichsten Kautschuk- 
gegenden gelegen. Eine gewisse „Kautschuk- 
Müdigkeit"“ der Bevölkerung, deren nachgerade 
drohender Charakter die Entsendung von Truppen 
in die nördlichen Gebiete notwendig gemacht hat, 
brachte jedoch seine reichen Einnahmen in letzter 
Zeit erheblich zurück. Der Ort zählt mehrere 
tausend Einwohner und auch einige Araber als 
letzte Repräsentanten dieses einst Afrika beherr- 
schenden Volkes. Eine hohe, schattige Palmen- 
allee führt zur nahen Mission der Sacré Coeur, 
auf deren geräumigem Grundstück sich ein nettes, in 
den Urwald eingebautes, noch unfertiges Wohnhaus 
und eine überraschend stattliche Kirche erheben. 
Auf dem Wasserwege besuchten wir ferner 
eine größere Fantumiaplantage. Wie überall 
am Kongo das Kautschukplantagenwesen noch in 
den Kinderschuhen steckt, so ist auch diese Pflan- 
zung sehr jung; ihre Zukunft liegt noch völlig 
im Dunklen und über ihren Nutzwert wird in 
frühestens sieben bis acht Jahren zu reden sein. 
Doch in Voraussicht des später notwendig ein- 
tretenden Rückschlages auf den verderblichen, jetzt 
noch allgemein üblichen Raubbau hat der Kongo- 
staat durch zahlreiche Neupflanzungen rechtzeitig 
energische Maßregeln gegen eine gänzliche Ver- 
wüstung und Ausbeutung des Waldes getroffen. 
Bald darauf traten wir die Bootreise auf dem 
Aruwimi an. Ein kurzer Ritt brachte uns durch 
das lange Dorf bis unterhalb der hier starken 
Stromschnellen, wo die Boote lagen. Eine viel- 
lausendköpfige Menge krönte das terrassenförmige 
Ufer und bot im glitzernden Sonnenlicht ein 
glänzendes Bild. 
Die Boote gleichen in der Form den auf 
dem Kivu und den nördlichen Seen gebräuch- 
lichen, sie sind aber bedeutend größer und ge- 
währen Raum für den Europäer, etwa 20 Lasten, 
die Boys, einige Askari und noch für 20 Ru- 
derer. Als die kleine Flottille von 17 Booten 
endlich abstieß, gab es einen Moment unglaub- 
lichster Unordnung. Boote stießen aneinander, 
Menschen wurden gequetscht, falsch eingeteilte 
Ruderleute übersprangen eine Menge Boote, das 
ihnen zugeteilte mit wilden Gesichtern suchend, 
Europäer dirigierten und Schwarze taten in der 
allgemeinen Verwirrung das Gegenteil von dem 
Befohlenen, während ohrenbetäubendes Geschrei 
vom Ufer her die Luft erfüllte. Dann löste sich 
das Chaos. Es gewährte einen herrlichen An- 
blick, die muskulösen, fettglänzenden Gestalten, 
deren Kopf eine mit Rotholz bemalte Kappe oder 
eine hohe Affenfellmütze schmückte, im Gleichtakt 
ihre schön geschnittenen, kupferverzierten Ruder 
durch das Wasser ziehen zu sehen, während das 
Boot pfeilschnell über die glatte Fläche des tief- 
  
dunklen Wassers dahinglitt. Die Arbeit begleitet 
meist ein überaus melodischer Gesang, in dem alle 
möglichen Variationen wiederkehren; es war mir 
stets ein hoher Genuß, während die üppige tropische 
Waldszenerie in stetem Wechsel an dem Auge vor- 
überglitt, im dolce kar niente dem Wohlklang 
dieser oft fast schwermütigen Melodien zu lauschen. 
Der erste Tag brachte uns nach sechsstündigem 
Rudern bis an die Fälle von Bosubangi. Hier 
wurden alle Lasten ausgeladen und die Fälle 
auf dem Landwege umgangen, während die leeren 
Boote einzeln, nur mit zwei Mann besetzt, den 
Fall passieren mußten. Wenn auch die Tiefe des 
Falles durch den hohen Wasserstand gemildert 
wurde, so war diese Passage doch durchaus nicht 
gefahrlos. Einzelne Boote verschwanden fast im 
Gischt, doch verhinderte die Geschicklichkeit der 
Bootsführer eine Katastrophe. 
Weniger gut ging es am nächsten Tage, an 
dem sich ein bedauerlicher Unfall ereignete. In 
einer an sich unbedeutenden Stromschnelle kenterte 
infolge Aufstoßens auf einen Felsen das Boot 
des Unteroffiziers Czeczatka; die Insassen ver- 
schwanden sofort in der starken Strömung. Einigen 
gelang es zwar, sich an Felsstücke anzuklammern, 
Ceczatka konnte durch Zufall die Hand eines 
Mannes erfassen, der den Kiel des festgeklemmten 
Bootes erklettert hatte; ein Soldat aber und vier 
Ruderer fanden ihren Tod in den Wellen. Ein 
Zelt, ein Gewehr, Munition und ein Blechkoffer 
waren ebenfalls verloren. Die Bergungsarbeiten 
der Überlebenden nahmen dann noch längere 
Zeit in Anspruch. Da die folgende Schnelle für 
beladene Boote völlig unpassierbar war und das 
Aus= und Einladen der Lasten sowie die Um- 
gehung der gefährlichen Passage viel Zeit er- 
forderte, lagerten wir im Walde hart am Fluß, 
an einem Platz mit prachtvollem Blick auf den 
gewaltigen Strom. An diesem Tage sahen wir 
mehrere Elefanten. Da es meist geringere Tiere 
waren, wollte ich nicht schießen, sondern fuhr 
dicht an einen Einzelgänger heran, den ich mit 
Tele-Apparat mehrmals photographierte. Große 
Mengen fliegender Hunde zogen abends kreisend 
über das Lager. Die erlegten Exemplare zeigten 
dieselbe Form wie am Kivu. 
Die Ankunft in Bonili am Tage darauf 
trennte uns von unserem bisherigen Begleiter, 
Kommandant Engk, der auf seinen Posten nach 
Awakubi zurückkehrte. Die Europäerposten am 
Aruwimi bestehen alle aus mehr oder weniger 
geschmackvollen Ziegelhäuschen und sind durch- 
schnittlich mit einem bis zwei Beamten besetzt. 
Ihr Zweck ist die Gewinnung von Kautschuk und 
Elfenbein. Auf den größeren wird eifrig Plan- 
tagenbau getrieben. Während die Kaffceernte 
lediglich für den Selbstverbrauch in Frage kommt, 
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