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Erfahrene Arzte können durch Anstellung als
Bezirksamtmänner viele Jahre lang der Kolonie
ihre Dienste widmen.
Der zweite Punkt, in welchem sich der ärzt-
liche Kolonialdienst weiter entwickeln wird, betrifft
die Ausbildung der Tropenärzte. Die Kurse des
Instituts für Schiffs= und Tropenkrankheiten in
Hamburg bieten jetzt ein umfassendes Bild der
gesamten Tropenpathologie. Auch am Institut für
Infektionskrankheiten ist eine eigene Abteilung für
Tropenkrankheiten und Tropenhygiene errichtet
worden, deren Zweck neben den wissenschaftlichen
Studien es auch ist, den Tropenärzten Gelegenheit
zur Verarbeitung des gewonnenen Materials, zur
Einarbeitung in die Methoden der Bakteriologie
und Protistenkunde und zu eigenen Forschungen
zu geben. Und bei vielen bakteriologischen Kursen
an Universitäten und Akademien werden jetzt auch
die spezifisch tropischen Infektionskrankheiten be-
sprochen. Soweit also eine Vorbereitung des
Tropenarztes für seine Tätigkeit draußen in der
Heimat möglich ist, ist dazu genügend Gelegenheit
geboten. Naturgemäß aber leidet diese Vor-
bereitung an einem empfindlichen Mangel, nämlich
an praktischer Unterweisung am Krankenbett und
in der Poliklinik. Das Krankenmaterial z. B. in
Hamburg ist keineswegs gering, aber es kommt
nur eine gewisse Anzahl von Krankheitstypen, es
kommen meist Patienten zur Beobachtung, deren
Krankheit schon vor oder während der Seereise
zum Ausbruch kam und häufig bereits medika-
mentös beeinflußt wurde. In bezug auf die
Farbigen ist das Material gleichfalls beschränkt.
Es ist deshalb kein unbilliges Verlangen der
Tropenärzte, wenn sie den Wunsch haben, es
möchte ihnen zu Beginn ihrer ersten Dienstperiode
Gelegenheit gegeben werden, im Schutzgebiet an
einem Hospital und einer Eingeborenen-Poliklinik,
wo es ihnen möglich ist, bei einem erfahrenen
Kollegen sich Rat und Anleitung zu holen, sich
einige Zeitlang einzuarbeiten. Auch wird es für
einen Neuling wertvoll sein und ihm später viel-
leicht manche Unannehmlichkeit ersparen, wenn er
in den Dienstgang der zentralen Medizinalbehörde
des Schutzgebietes einen Einblick tun kann; und
dann will die Art und Weise, mit Eingeborenen
umzugehen, sehr gelernt sein. Für die ganze
Auffassung des Verhältnisses des Arztes zu den
Farbigen ist der erste Eindruck entscheidend. Die
Routine eines erfahrenen Kollegen wird dem
jüngeren wertvolle Winke geben und nicht zuletzt
das Erlernen der Sprache, der einzelnen Krank-
heitsbezeichnungen usw. ihm seine spätere, dann
völlig selbständige Tätigkeit sehr erleichtern.
Es ist für die Tätigkeit des Tropenarztes
geradezu bezeichnend, daß es kein Gebiet der
Heilkunde gibt, in dem er nicht sein Können be-
währen muß. Und das alles muß der Arzt leisten
unter Verhältnissen, wo er sich nirgends Rat
holen kann, wo ihm keine Literatur zu Gebote
steht, wo er ganz auf eigene Initiative und Ge-
schicklichkeit angewiesen ist. Jeder, der diese Art
der Tätigkeit selbst kennen gelernt hat, wird es
deshalb begreiflich finden, wenn der Tropenarzt
den lebhaftesten Wunsch hat, die Gelegenheit, die
ihm die Rückkehr nach der Heimat zum Urlaub
bietet, dazu zu benutzen, um sich in denjenigen
Fächern, die ihm als die wichtigsten erscheinen,
aufs neue zu informieren, seine Kenntnisse auf-
zufrischen und zu vertiefen. Das Reichs-Kolonial-
amt hat diesen Wünschen auch in weitsichtiger
Weise in zahlreichen Fällen Rechnung getragen
und auf Grund eines Gesuches einen Nachurlaub
von mehreren Wochen gewährt. Es wäre
wünschenswert, daß diese Einrichtung zu einer
ständigen und allgemeinen ausgestaltet würde.
Zwischen je zwei Dienstperioden sollte eine Zeit
von mindestens sechs Wochen der Ausbildung in
einem oder mehreren Spezialfächern an heimischen
Kliniken oder Polikliniken, dann natürlich auch
ausschließlich nur dieser, gewidmet sein. Es wäre
dann daran zu denken, diese Ausbildung auf
Staatskosten durch eine entsprechende Verlängerung
der anschließenden Tropendienstzeit zu kompensieren.
In den Hauptstädten unserer Kolonien be-
stehen jetzt Hospitäler für Weiße und Polikliniken
und Krankenhäuser für Farbige. Mit der Er-
leichterung des Verkehrs durch Eisenbahnen und
regelmäßige Lokaldampferverbindungen wächst der
Aktionsradius dieser Anstalten und damit die
Frequenz. In diesen Hauptorten sind deshalb
jetzt ständig zwei und mehr Arzte beschäftigt. Da
liegt der Gedanke nahe, für diese Posten Arzte
zu verwenden, welche eine spezialistische Aus-
bildung genossen haben. In erster Linie käme
ein Spezialarzt für Chirurgie in Betracht, der
auch die geburtshilflich-gynäkologische Praxis über-
nehmen könnte. Mit der Zeit könnten Spezial-
ärgte für Ophthalmologie, für Nasen-, Ohren= und
Kehlkopfkrankheiten, für Haut= und namentlich für
Geschlechtskrankheiten so auf die Hauptstationen
der Küste verteilt werden, daß es in schwierigeren
Fällen möglich ist, die Anschauung eines Spe-
zialisten einzuholen oder die Kranken diesem zu
überweisen. Von Wert wäre es auch, wenn ein
Arzt in gerichtlicher Medizin ausgebildet würde.
Ein weiterer Punkt ist die Vermehrung der
Arzte in unseren Schutzgebieten. Die Not-
wendigkeit der Entsendung einer größeren Zahl
von Arzten ist allgemein anerkannt.
Von manchen Kollegen wird der Frage, ob
mehr Schutztruppenärzte oder mehr Regie-