Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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in der Kapkolonie nicht länger auf Hilfe zu rechnen 
sei. Und als die Eingeborenen sich doch aufmachten, 
einen Sammelplatz auf kapschem Boden zu suchen, 
wurden sie verfolgt und festgenommen. Dann war die 
Ruhe auch bald hergestellt. Als Folge des zur Zeit 
des Jameson-Kabinetts angewandten „Neutralitäts“ 
Grundsatzes hatte bei den Eingeborenen jedoch die Idee 
Wurzel gefaßt, daß sie die Ansiedler im deutschen Ge- 
biet ungestraft umbringen könnten, solange sie sich nur 
rechtzeitig nach der Kapkolonie flüchteten. Auch jetzt 
werden noch hin und wieder einige Weiße, die sich in 
einsamen Gegenden der deutschen Kolonie auphalten, 
von Hottentotten ermordet. Sie sind Schlachtopfer 
der Jameson-Politik, deren Segnungen sich noch bemerk- 
bar machen in der „frechen“ Stimmung der Ein- 
geborenen, gepaart mit dem Vertrauen auf Straflosig- 
keit, sobald sie auf kapsches Gebiet kommen. Allen 
Kaffern wurde stets ohne Ausnahme Zuflucht gewährt. 
Es wurde nicht gefragt, ob die Entwichenen nicht viel- 
leicht andere „Kriegstaten“ verübt hätten, wie Raub 
und Mord wehrloser Farmbewohner. Der Umstand, 
daß die Eingeborenen im Aufstand gegen die Deutschen 
waren, sicherte allen einen Zufluchtsort zu. 
Das Urteil, das Sir Henry de Villiers, der 
kapsche Oberrichter, gefällt hat, wird der die unruhige 
Stimmung unter den Eingeborenen verderblich beein- 
flussenden Zuversicht ein Ende machen. Blieben zur 
Zeit der Jameson-Regierung die Eingeborenen, die von 
ihren Raubzügen aus der deutschen Kolonie zurück- 
kehrten, mit einigen Ausnahmen ganz frei, so wurden 
sie, seitdem die Afrikaner-Regierung am Ruder war, 
unter Bewachung gestellt; es mußte somit jetzt noch die 
Frage entschieden werden, ob die Eingeborenen, deren 
Auslieferung auf Grund der von ihnen verübten Dieb- 
stähle und Morde beantragt wird, nicht an die Behörde 
ausgeliefert werden sollten, die ihre Auslieferung auf 
Grund der von ihnen ausgeführten Räubereien und 
Morde beantragt. 
Das Urteil legt nun das Prinzip nieder, daß Ein- 
geborene (oder andere als kriegführend anerkannte Per- 
sonen), die sich an Privateigentum oder an einer 
Zivilperson vergreifen, kein Recht auf ein Asyl haben. 
Hierdurch wird die Verwaltung des Jameson-Ka- 
binetts verurteilt. 
Auf die Frage, ob aufständische Eingeborene im 
übrigen ein Anrecht auf Zuflucht haben, hat der Ober- 
richter zufolge der uns zugegangenen Abschrift des 
Urteils kein Gutachten abgegeben. Er hat nur fest- 
gestellt, daß diese Frage hier nicht in Betracht komme, 
da ihre Behauptung, daß sie „Kriegführende“ wären, 
nicht als begründet anerkannt worden ist. 
Es ist zu bedauern, daß Sir Henry de Villiers 
über diese sehr wichtige Frage allgemeiner (inter- 
kolonialer) Eingeborenenpolitik kein Gutachten ab- 
  
gegeben hat, das als Grundlage oder Ausgangspunkt 
für ein in verschiedenen Ländern auszuführendes 
Gesetz, oder für interkoloniale Abkommen betreffend 
Asylgewährung hätte dienen können. Gegenüber dem 
von Jameson angewendeten Prinzip, daß aufständishe 
Eingeborene ein Anrecht auf Zuflucht haben (um gar 
nicht von dem Mißbrauch zu reden, welcher von diesem 
Asyl gemacht wird), steht die Auffassung, der viele 
Afrikaner anhängen, daß Eingeborene, die gegen die 
Gesetze der Weißen aufständig sind, als Verbrecher 
behandelt und ausgeliefert werden sollen. Das erst- 
genannte Prinzip ist eine direkte Ermunterung zum 
Aufstand; das zweite Prinzip kann den Eingeborenen 
gegenüber unter gewissen Umständen sehr grausam 
sein. Es ist wohl schwierig, einen Rechtsgrundsatz zu 
finden, der die Fehler, welche den beiden entgegen- 
gesetzten Prinzipien anhaften, vermeidet, ohne die 
Freiheit einer Regierung, jeden vorkommenden Fall 
nach Verdienst („merieten“) behandeln zu können, zu 
sehr zu beeinträchtigen. Es will uns jedoch scheinen, 
daß nach einem solchen Rechtsgrundsatz gesucht werden 
muß, damit es unmöglich gemacht wird, daß je wieder 
nach solch unafrikanischen Ansichten gehandelt wird, 
wie es zur Zeit des Jameson-Ministeriums am Kap 
geschehen ist, als aufständischen Eingeborenen 
mehr Schutz gewährt, als kriegführenden Weißen 
zugestanden wurde. Zu welcher Regelung man auch 
kommen mag, dies steht z. B. wohl fest, daß es der 
Vernunft widerspricht, Zuflucht genießende Eingeborene, 
wie Jamesons Regierung es getan hat, auf Kosten 
derjenigen Regierung zu unterhalten, gegen deren 
Ordnung sie sich widersetzt haben. Als eine unab- 
weisbare Bedingung des Asylrechts, das man auf- 
ständischen Eingeborenen, die als Kriegführende aner- 
kaunt sind, zugestehen will, muß wohl als allgemeine 
Regel festgesetzt werden, daß entwichene Farbige nicht 
auf Kosten der Regierung, gegen welche sie sich wider- 
setzt haben, bewacht, untergebracht und verpflegt 
werden; daß sie vielmehr nur dann, und nur so lange 
einen Zufluchtsort finden sollen, als sie in. sicherer 
Entfernung von dem Gefechtsschauplatz an einem fest 
bestimmten Orte und in bestimmt anzugebender Weise 
durch Arbeit ihren Unterhalt verdienen können. Das 
Asylrecht des modernen Kriegsrechts als Vorbild 
für die Haltung aufständischen Eingeborenen 
gegenüber zu nehmen, würde dem Einsetzen einer 
Prämie auf den Aufstand gleichkommen, eine Taktik, 
die so unafrikanisch wie nur möglich ist. 
Während eine gesunde Regelung der Agsylfrage, die 
für alle südafrikanischen Regierungen von großer Wichtig- 
keit ist, vorläufig noch auf sich warten läßt, hat in- 
zwischen der kapsche Oberrichter einen Präzedenzfall 
niedergelegt, der einer gesunden Erledigung dieser 
Frage förderlich sein wird. 
  
  
Verkehrs-Nachrichten. 
In Buiko (Deutsch-Ostafrika) ist am 21. Oktober eine Reichs-Telegraphenanstalt für 
den internationalen Verkehr eröffnet worden. 
Die Worttaxe für Telegramme nach Buiko ist dieselbe wie für solche nach Daressalam. 
Sie beträgt zur Zeit 2 74 75 Pf. 
– 
Die Postanstalt in Simpfonhafen (Deutsch-Neuguinea) wird vom 1. April 1910 ab 
die Bezeichnung Rabaul (Deutsch-Neuguinea) führen.
	        
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