Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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durchschneiden die Grenzlinien das Gebiet eines 
Stammes und sind noch dazu den Eingeborenen 
völlig unbekannt. Natürlich hat die deutsche Re- 
gierung die Anfrage zustimmend beantwortet, und 
die Einrichtung bewährt sich gut. In allen 
Kommissionen, die jetzt mit Festlegung der end- 
gültigen Grenzen beauftragt sind, sind sich beide 
Regierungen über die Nützlichkeit und Notwendig- 
keit klar geworden, so weit angängig, natürliche 
Grenzen zu finden. 
Ein anderes Beispiel. Als der Aufstand der 
Hottentotten ausbrach, fochten englische und deutsche 
Truppen Seite an Seite, um gemeinsam den 
Häuptling Morenga zu unterwerfen und zu ver- 
bannen. Durch die wirksame Hilfe der britischen 
Kolonialverwaltung gelang es, Simon Copper, 
einen Hottentotten-Kapitän, dessen ursprüngliche 
Jagdreviere hauptsächlich auf deutschem Boden 
lagen, festzuhalten und auf ein bestimmtes be- 
schränktes Gebiet zu setzen, das für ihn und seinen 
Stamm in Britisch-Betschuanaland reserviert wurde. 
Als anderseits in Britisch-Südnigeria eine britische 
Abteilung, die zur Unterstützung einer Grenz- 
regulierungs-Expedition ausgeschickt worden war, 
mit den Munschis in Schwierigkeiten geriet und 
in Gefahr war, von einer überlegenen Anzahl 
der Eingeborenen angegriffen zu werden, kam 
das deutsche Kommando sofort zu Hilfe und ver- 
hinderte schwerwiegende Folgen. Der komman- 
dierende deutsche Offizier hatte den Befehl, auf 
deutschem Boden zu bleiben; aber als er seines 
Nachbars Lage erkannte, zögerte er nicht, dem 
Befehl entgegen zu handeln, durchdrungen von 
dem Gefühl der Solidarität und guten Kamerad- 
schaft. Er wurde im Kampfe verwundet und 
mehrere seiner Leute wurden getötet. Nun, meine 
Herren, alles dieses, obwohl gut und edel auf 
der einen wie auf der andern Seite, geschah nicht 
aus moralischen Rücksichten, sondern in Aner- 
kennung des Prinzips der Gleichheit der Inter- 
ossen aller weißen Nationen; es geschah, weil wir 
wußten, daß aufrührerische Eingeborene, welche 
die Grenzen überschreiten, eine Gefahr bedenten, 
sowohl für die Nation, die sie bekriegen, als für 
diejenige, mit der sie zufällig im Frieden leben 
und daß ein Sieg Eingeborener über eine weiße 
Truppe sofort auf die Sicherheit aller übrigen 
zurückwirken würde. Aber lassen Sie mich Ihnen 
gleich hier sagen, daß es bei Staatsgeschäften der 
Nationen genau ebenso ist wie bei Geschäften 
Privater. Jedes Geschäft, das der ethischen 
Grundlage entbehrt, ist scharfer Kritik unterworfen, 
und gute Verwaltung und gute Nachbarschaft 
werden immer Hand in Hand gehen, wie in den 
Fällen, von denen ich spveben berichtete. 
Das Hissen der Flagge eines Kolonisators 
bedentet für ihn wie für die übrige Welt, daß er 
  
nicht allein Besitz ergreift vom Grund und Bodrr. 
sondern daß er auch bereit ist, den Schus N 
Einwohner zu übernehmen, daß er nicht allen 
neue Untertanen erhält, sondern auch neue Schüt 
linge, und daß sein neues Gebiet nicht allen- 
eine Quelle des Vorteils, sondern auch eine Slüäne 
des Vertrauens sein soll. In höherem Sinne u 
diese anerkannte Vormundschaft der europöäischer 
Nationen über eine ihnen untergeordnete Rasße 
die innerliche Rechtfertigung zum Kolonifieren. 
Der erste Schritt zur Erfüllung dieser Verpflichtung 
beruht, wie ich vorhin schon ausführte, in der 
Befestigung des Friedens unter der Flagge und 
der Errichtung einer unparteiischen und unbeeins#uß 
baren Rechtspflege. In zweiter Linie gilt es, de 
allgemeinen Verhältnisse der neuen Untertanea 
kennen zu lernen. Der afrikanische Eingeboreme, 
der zum ersten Male mit der Zivilisation in Be 
rührung kommt, ist verhältnismäßig unerfahrer, 
und während ihm die Zivilisation unzweifelte 
Vorteile bringt, drohen ihm doch anderseits de 
durch auch Nachteile. 
Am verhängnisvollsten wirkt dabei auf den 
Eingeborenen der Alkohol. Die unminelbore 
Nachbarschaft der verschiedenen Kolonien und die 
Abwesenheit natürlicher Grenzen macht den Kam# 
gegen diese Geißel zu einem gemeinsamen Inter- 
esse aller Kolonisatoren. Ich freue mich, sager 
zu können, daß, während einige andere Nanonen 
in der Erkenntnis der Notwendigkeit dieses Kampie- 
zurückgeblieben sind, England stets bereit gewe##r 
ist, auch in diesem Punkt mit meinem Vaterland 
Hand in Hand zu gehen, in voller Anerkenn#uns 
der Tatsache, daß nicht allein unsere Vormund 
schaft über die Eingeborenen uns eine lolcr 
Pflicht auferlegt, sondern auch wirtschaftliche Ver- 
sicht, die uns gesunde Arbeiter unter den En. 
geborenen erhalten soll, zu ihrem eigenen und 
unserem Vorteil. Denn den größten Teil des 
tropischen Afrikas kann der Weiße nicht allein 
wirtschaftlich erschließen. Seine Persönlichkeit und 
seine größeren Kenntnisse mögen viel dazu dei- 
tragen, bessere Methoden einzuführen und damn 
bessere und höhere Erträge zu erzielen. Chne 
seine Führung, sei es nun die der Beamten, d# 
Pflanzer oder der Kaufleute, wird vom Schwarzen 
sehr wenig erreicht werden; der größte Teil der 
wirklichen Arbeit, der niedrigen Arbeit, jedech 
muß von ihm, dem Schwarzen, ausgeführt werden. 
und das besonders in einem Lande, wo das g#er- 
wöhnliche Arbeitstier wegen der Tsen#geia 
nicht gezüchtet oder gehalten werden kann, und 
wo es nur wenig künstliche Verkehrsminel gitl. 
Ohne einen gesunden und kräftigen Arbeiternand 
können wir nicht kolonisieren, und deshalb babe# 
wir alle das gleiche Interesse, den Gebrauch ven 
Alkohol zu beschränken — eine Bewegung, ½#
	        
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