Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Versuchsarbeit Bewundernswertes leistet, um die 
relative Ergiebigkeit des Bodens zu erhöhen: es 
ist der Mangel an Kapital und geeigneten Arbeits- 
kräften, der es mir zweifelhaft erscheinen läßt, ob 
wir in der nächsten Zukunft eine beträchtliche 
Vergrößerung der Produktion oder eine befriedi- 
gende Abnahme des Preises erleben werden. 
Nun ist Baumwolle ein Stoff, ohne den wir nicht 
auskommen können, deun sie liefert die Kleidungs- 
stücke für die am wenigsten bemittelten Volks- 
klassen. Daher ist es unsere Pflicht und Schul- 
digkeit, danach zu trachten, daß wir diejenige 
Menge von Baumwolle, die wir von den Ver- 
einigten Staaten nicht beziehen können, aus anderen 
Gebieten erhalten. 
Diese Erwägung hat natürlich unsere Auf- 
merksamkeit schon vor längerer Zeit auf unsere 
afrikanischen Kolonien gelenkt, und sowohl in 
England wie in Deutschland haben sich Komitees 
gebildet, um die Baumwollkultur in Afrika zu 
fördern. Ihnen allen sind wohl die ausgezeich- 
neten Leistungen der British Cotton Growing 
Association von Manchester hinlänglich bekannt, 
einer Vereinigung, an der auch eine Anzahl hier 
anwesender Herren beteiligt ist. 
Das Deutsche Kolonial-Wirtschaftliche Komitee 
anderseits hat bei seiner letzten Sitzung vor etwa 
vierzehn Tagen eingehende, auf den Stand der 
Baumwollproduktion in den deutschen Kolonien 
bezügliche Ziffern gegeben. Wenn nun auch der 
Fortschritt nicht so bedeutend ist, daß er in dieser 
wichtigen wirtschaftlichen Frage einigermaßen ins 
Gewicht fallen könnte, so sind doch die Ziffern 
entschieden ermutigend. Noch 1901 führten wir 
nicht einen einzigen Ballen Baumwolle aus 
Deutsch-Ostafrika aus. Im Jahre 1908 exportierten 
wir dagegen 3000 Ballen. Sie wissen, daß die 
in Ostafrika wachsende Baumwolle der ägyptischen 
Varietät angehört und eine sehr gute Faser liefert. 
Der Vorteil beim Einkauf sowohl englischer als 
auch deutscher Kolonial-Baumwolle besteht noch 
dazu in der ausgezeichneten Verpackung der Ballen, 
die in den Vereinigten Staaten aus für mich 
unbegreiflichen Gründen von sehr minderwertiger 
Qualität ist, was zu einem großen Material= und 
Geldverluste sowohl für den Käufer als auch für 
den Verkäufer führt. Im laufenden Jahre haben 
wir in Ostafrika nicht weniger als 17 mittelgroße 
und kleine, von Europäern geleitete Pflanzungen 
mit insgesamt 10 000 Acres, und 24 größere 
Pflanzungen mit zusammen 8000 Acres bepflanzt 
mit Baumwolle in Zwischenkultur mit Manihot 
und anderen tropischen Pflanzen. Außerdem sind 
noch 12 große Pflanzungen in der Entwicklung 
begriffen, die einen Flächenraum von zusammen 
220 000 Acres haben. Diesen Flächenraum haben 
sich deutsche Spinnereibesitzer gesichert. Sie sind 
  
jetzt bemüht, die sehr ansehnlichen Pflanzunger 
allmählich zu entwickeln, und es wird immerbm 
noch geraume Zeit dauern, ehe diese alle pro- 
duktiv sein werden. Daneben gibt es aber noch 
eine Anzahl von Distrikten in Ostafrika, wo dir 
Eingeborenen schon Baumwolle vor der Ankum 
der Europäer gebaut haben, und wo sie das sont 
noch tun, gefördert von dem Kolonial-Wirtschaft- 
lichen Komitee, das ihnen einen festen und aus- 
reichenden Preis von etwa 1½ d auf 1 Plund 
Saatbaumwolle garantiert. Selbst wenn dirier 
Preis sich als zu hoch erweisen sollte — er kommt 
etwa 7 d pro Pfund Lintbaumwolle frei Enropa 
gleich — so denke ich, muß man die Politik doch 
fortführen. In Togo hat die Produktion eben- 
falls zugenommen, und zwar ist sie nach Mu- 
teilungen der Deutschen Togogesellschaft von 1200 
auf 2200 Ballen gestiegen. Da wir jetzt in Togo 
Eisenbahnen weiter nach Norden bauen, werden 
voraussichtlich mehr produktive Gebiete erschlossen 
werden können. Dasselbe wird in Kamernn ge- 
schehen, wenn die Nordbahn im nächsten Jahre 
ihren Endpunkt erreicht, nachdem sie den Wald 
gürtel, in dem kein für Baumwolle geeignete= 
Land vorhanden ist, durchquert haben wird. Aber 
so hoffnungsvoll dies alles auch erscheinen mag, 
so ist damit doch noch lange nicht genug erreicht. 
Es ist in Wirklichkeit sehr, sehr wenig. Verglichen 
mit dem jährlichen Weltverbrauch von emwo 
16 Millionen Ballen, ist es sogar nicht ganz 
leicht, die richtige Dezimalstelle für diese Pro- 
duktion im Verhältnis zum Weltverbrauch sofort 
zu treffen. Aber meine Ansicht geht dahin, dar 
in so großen Gebieten, wie sie diese. englischen 
und deutschen Besitzungen darstellen, andere. 
neue Landstriche für einen vermehrten Aubau 
erschlossen werden können. Kann man in einem 
Land 5000 Ballen anbauen, so liegt kein Grund 
vor, warum nicht hundert Mal so viel sollten 
gebaut werden können, wenn genügend Flächen- 
raum vorhanden ist, besonders wenn man tüchnge 
Arbeitskräfte hat, und wenn die Arbeiterfrage 
richtig organisiert ist. Letzteres ist die Hauphache. 
In Deutsch-Ostafrika sind sieben Dampfpfluge 
tätig, und es werden noch mehr dorthin gejandt 
werden. Das ist natürlich notwendig infolge der 
Tsetsegefahr, eines Ubels, das wir zu bekämpfen 
haben, und das verschwinden muß. Die Re— 
gierungen beider Länder haben bisher die Löjung 
dieser durchaus unvermeidlichen Frage bereiwillis 
zu fördern gesucht, und ich gebe mich der festen 
Hoffnung hin, daß sie sich dazu verstehen werden, 
noch mehr Geld dafür herzugeben. Aber der 
Anbau von Handelsartikeln ist eine Sache, weiche 
mehr die kaufmännischen Gemeinschaften angebtl. 
in der Hauptsache wird es den Kaufleuten umd 
Spinnereibesitzern Ihres und meines Landes vor
	        
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