Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Nichtamtlicher Teil 
  
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Industrielle Fortschritte in den Kolonien. 
Vortrag Sr. Exzellenz des Herrn Staatssekretärs Dernburg, gehalten zu Dresden am 17. Januar 1909. 
Es ist mir ein besonderes Vergnügen, auf 
die Einladung Ihres hochansehnlichen Komitees 
in der Hauptstadt eines Landes zu sprechen, 
welches von jeher dem deutschen kolonialen Ge- 
danken so viel Verständnis entgegengebracht hat. 
Freilich hat Sachsen ja auch vielleicht mehr als 
andere Teile unseres Vaterlandes ein wichtiges 
kommerzielles und industrielles Interesse an diesen 
Kolonien; es kann auf Grund seiner Erfahrungen 
besser verstehen, welche Bedeutung ein festgegrün- 
deter und gut entwickelter Kolonialbesitz hat. Denn 
wie kein anderer deutscher Landesteil beschäftigt 
sich der sächsische Gewerbefleiß mit Produkten, die 
aus überseeischen Rohmaterialien gewonnen werden; 
viele Tausende seiner Arbeiter hängen ihrerseits 
mit ihrer Arbeitsgelegenheit vom Exportabsatz 
ab. Deshalb hat das Königreich Sachsen ein 
hervorragendes Interesse daran, daß alle über- 
seeischen Absatzgebiete ohne Ausnahme dem deutschen 
Handel offenbleiben, und daß womöglich unter 
deutscher Flagge neue zukunftsvolle Märkte ent- 
stehen. Ebenso aber hat der sächsische Gewerbe- 
fleiß ein großes Interesse daran, daß zum min- 
desten ein erheblicher Teil der im Königreich 
verarbeiteten Rohstoffe, der Textilrohstoffe, an Pro- 
duktionsorten gewonnen wird, welche künstlichen 
und gewaltsamen Preissteigerungen und Mani- 
pulationen entrückt sind. Diese Erkenntnis hat 
man auch mit der den Sachsen nachgerühmten 
„Weitsichtigkeit" in die Tat umgesetzt. Das 
größtangelegte Baumwollunternehmen bei Sadani 
ist die Schöpfung einer Leipziger Gesellschaft, 
Zittauer Industrielle haben sich angeschlossen, die 
Chemnitzer Textilindustrie läßt sich seit Jahren 
die Förderung des deutschen Baumwollbaues an- 
gelegen sein, Plauener Interessenten bauen den 
Sisal im ostafrikanischen Norden. Neben diesen 
praktischen Betätigungen gehen eine große Anzahl 
von theoretischen Bestrebungen einher. Auch unter 
dem Beamten= und Offizierkorps der deutschen 
Kolonien nehmen Ihre Landsleute eine schöne 
Stellung ein. 
Bei der Wahl des Themas habe ich mich 
deshalb dahin entschieden, in dem für einen 
Vortrag gegebenen Rahmen über die industriellen 
Fortschritte in den deutschen Kolonien zu sprechen, 
und zwar insbesondere im Hinblick auf die Ver- 
sorgung der Heimat mit kolonialen Rohprodukten. 
  
Ich wende mich zunächst den Faserstoffen zu. 
Im Vordergrunde des Interesses steht die Baum- 
wolle. Der außerordentliche Bedarf der Heimat 
einerseits (etwa 1 600 000 Ballen pro Jahr), 
anderseits die Beunruhigung, welche durch Preis- 
manipulationen in dem Hauptproduktionslande, 
den Vereinigten Staaten, in die heimischen Kreise 
getragen ist, haben die Baumwollenversorgung 
zu einer brennenden Frage gemacht. Wie wir 
überhaupt erst in den Anfängen unserer kolonialen 
Wirtschaft stehen, so sind auch die Erfolge bis- 
her noch bescheiden. Aber konnte man noch vor 
einigen Jahren von nicht unbegründeten Hoff- 
nungen, so darf man heute von wohlberechtigten 
Erwartungen sprechen, daß es uns in einer ab- 
sehbaren Frist gelingen wird, einen sehr erheblichen 
Prozentsatz unserer Importe an Rohtextilien aus 
unseren eigenen Kolonien zu decken. 
Ich beginne mit Ostafrika und der Tätigkeit 
der Weißen. Nahezu der gesamte Sadani-Bezirk 
ist für Baumwolle belegt. Dieser Bezirk wurde 
zunächst wegen seiner Regenverhältnisse als ver- 
mutlich allein geeignet angesehen. Das größte 
Unternehmen befindet sich in den Händen einer 
sächsischen Firma, der Leipziger Baumwollspinne- 
rei, welche 30 000 ha belegt hat und mit großen 
Mitteln kräftig an die Arbeit gegangen ist. Sie 
hat einen Dampfpflug erworben und versucht 
zunächst ohne künstliche Bewässerung voran- 
zukommen. Sollte eine solche künstliche Bewässe- 
rung nicht umgangen werden können, so find 
auch hierfür die Vorbedingungen, wie man glauben 
darf, ohne übermäßige Kosten erreichbar. 
Demnächst kommt im Süden, ungefähr 150 km 
Rufiji-aufwärts, die Plantage Schuberthof in 
Frage, die sich im Besitze meines treuen Reise- 
begleiters aus dem Vorjahre, des Herrn Schubert 
aus Zittau, befindet. Von dem großen etwa 
5000 ha umfassenden Areal sind in diesem Jahre 
70 ha bepflanzt gewesen und haben eine den Eigen- 
tümer befriedigende Ernte geliefert; sie wird zum 
Versand kommen, sobald der Entkernungsapparat, 
welcher jetzt mit dem neu eingestellten Heckrad- 
dampfer angekommen ist, seine Arbeit getan haben 
wird. Im Lindi-Bezirk sind in diesem Jahre 
mehrere hundert Hektar bestellt worden. Diesen 
reihen sich an der Küste eine Anzahl kleinerer, 
zum Teil in Händen ägyptischer Griechen be-
	        
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