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orheblichen Geldmitteln, die sich im Land zunächst
von Kaufleuten und Farmern die notwendigen
Einrichtungen und das notwendige Zuchtvieh ver-
schaffen, hat große Summen dort hingeführt.
Die Selbsthilfe nach der einen Seite und ein
gewisses, in neuen Ländern trotz der Prozeßsucht
oft beobachtetes Vertrauen zu tüchtigen Menschen
führt zu einer milden Handhabung der Kredit-
verhältnisse. Es kann deshalb erwartet werden,
daß auch diese Nachwehen, die das südwestafri-
kanische Schutzgebiet ebensowenig verschont haben
wie jedes andere mit einem jahrelangen Krieg
überzogene Land, nach und nach überwunden
werden.
Die Viehzählung des Jahres 1908 ergibt
gegen die des Jahres 1907 eine Steigerung von
10 Millionen Mark auf 14 314 000 /é; dabei
sind mäßige Preise angesetzt. Kürzt man den
Wert des importierten Viehs auf der gleichen
Basis, d. h. unter Abzug von Kosten und Spesen,
so beträgt der natürliche Zuwachs rund 40 v. H.
Hieraus kann man weiter die Überzeugung der
Kaufleute teilen, daß es sich um ein gutes und
zukunftsreiches Gebiet handelt.
Werfen wir nun noch zuletzt einen Blick auf
den Etat. In der letzten Gouvernementsrats-
sitzung hat zur Entlastung des Reichs die Ein-
wohnerschaft sich zur Übernahme neuer erhöhter
Lasten bereit erklärt. Der Etat der Zivilver-
waltung verlangt noch einen Zuschuß von 2050000
Mark. Das ist an und für sich nicht viel. Ich
nehme an, daß infolge der Diamantförderung
für das Jahr 1909 eine Verbesserung in Höhe
von etwa 1 Million Mark unbedenklich vorge-
nommen werden kann. Aus anderen Kapiteln
— der Etat ist bekanntlich schon im Frühjahr
1908 aufgestellt — wird man zu weiteren Reduk-
tionen kommen. Und wir sehen, so wenig das
noch vor kurzem erhofft werden konnte, heute
schon mit Sicherheit den Moment, in dem wir
den Etat von Südwestafrika in die gleiche Form
bringen können wie den der anderen Schutzgebiete
mit Ausnahme von Neuguinea, d. h., in dem
das Land sich selbst trägt und nur der not-
wendige Schutz und die Kosten dafür in dem
von mir vorhin dargestellten Umfange vorläufig
als Reichslast verbleiben. Das ist ein gutes
Zeichen und ein Beweis, daß Deutschland mit
seiner auf industriellem Gebiet so vielfach be-
wiesenen Organisationskraft auch an den Kolonien
nicht scheitert, und eine Widerlegung derjenigen aus-
ländischen Presse, die uns den Beruf als Koloni=
satoren abgesprochen hat — eine Ansicht, die ich von
jeher auf das schärfste bekämpft habe.
Wenn die Kapkolonie nach 200 jährigem Be-
stehen trotz großartiger Minenerschließungen pro
Jahr ein Defizit von 20 Millionen Mark hat,
wozu Sie noch rechnen müssen die gesamte mili-
tärische Besatzung im Betrage von 13 Millionen
Mark, welche das englische Budget trägt, also
eine höhere Summe, als sie unsere Besatzung
erfordert, wenn Sie die Versorgungsgebührnisse
für die von beiden Nationen unterhaltenen Schutz-
truppen als gleich hoch annehmen, dann werden
Sie auch aus diesem Vergleich sehen, daß wir keinen
Grund haben, unzufrieden zu sein. Aber Sie
werden auch gleichzeitig die Nützlichkeit erkennen,
die darin liegt, daß man nicht empirisch allein seine
eigenen Wege geht, sondern mit Aufmerksamkeit
und durch persönlichen Eindruck sich davon über-
zeugt, wie die Nachbarländer mit ihrer großen
Erfahrung vorgegangen sind.
Ich hoffe, daß Sie aus der Gesamtheit dieser
Darstellungen, die, wie ich wiederhole, nur Aus-
schnitte aus dem südwestafrikanischen Leben und
nur Eindrücke aus einer kurzen Reise wieder-
geben, mit mir die Uberzeugung davontragen,
daß wir — bei geduldiger Arbeit, gerechter
Berücksichtigung aller wirtschaftlichen Faktoren
und sympathischem Mitgefühl für unsere Lands-
leute in Südwestafrika — mit einer gewissen
Empfindung der Zuversicht und Beruhigung auch
diesem Schutzgebiet, dem so viel Mißtrauen hat
entgegengebracht werden müssen, uns gegenüber-
stellen können, daß auch dieses Schutzgebiet einen
schönen Beweis fleißiger deutscher Arbeit bilden
wird. Mit Blut ist es erworben, mit Schweiß
wird es erschlossen, auch der Heimat wird es
eine Frende werden.