Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

W 158 25 
  
  
  
  
  
michtamtlicher Teil 
  
  
  
  
  
  
  
Nachrichten aus den deutschen Schutzgebieten. 
(Abdruck der Nachrichten vollständig oder teilweise nur mit Quellenangabe gestattet.) 
Deutsch-Südwestafrika. 
Ein Datroullienritt vom Oranse nach Lüderitzbucht. 
Von Leutnant Kalau im Hosec. 
(Mit einer Kartenstizze und acht Bildern.) 
In der zweiten Hälfte des Oktober 1907 trat 
ich von Außenkehr aus den nachstehend geschil- 
derten Patrouillenritt Oranje-abwärts bis zum 
Meere an. Meine Begleitung bestand aus zwei 
Reitern, den Gefreiten Fralow und Kramer, und 
drei Eingeborenen. Der eine Eingeborene, Hotten- 
tott Pitt, hatte 1897 unter Leutnant v. Altrock 
die gleiche Patrouille geritten und sollte mir als 
Führer dienen. Wir waren auf Maultieren beritten, 
die Verpflegung war auf fünf Kamelen verpackt. 
Der Oranje schlängelt sich in ununterbrochenen 
Windungen durch die Berge. An beiden Ufern 
zieht sich dichtes Gebüsch entlang, an dem meist 
grüne Weide steht. Der Fluß wälzt sich über 
Klippen, abwechselnd mit langen, oft tiefen Wasser- 
flächen. Die Klippenstellen lassen meist auf eine 
Furt schließen. An den Wasserflächen ist der 
Oranje stellenweise so tief, der Grund besteht auch 
oft aus so viel Flugsand, daß ein überschreiten 
mit Tieren nur für Landeskundige möglich ist. 
Bei Außenkehr zieht sich von Osten (Richtung 
Uhabis) und Norden (Richtung Gaibes) eine breite, 
weidelose, mit niedrigem Buschwerk bewachsene 
Sandfläche zum Oranje herunter. Hier sieht man 
auch noch alte Anlagen der früheren Plantagen. 
Der jetzige Besitzer von Außenkehr hatte die Absicht, 
diese Plantagen mit Bewässerungsanlage wieder 
aufzubauen und Acker= und Gartenbau zu betreiben. 
Unsere Marschordnung formierte sich in fol- 
gender Weise: Ich ritt mit zwei Eingeborenen 
vorn und suchte für die nachfolgenden Kamele 
den Weg aus. Auf dem Leitkamel ritt ein Ein- 
geborener, während die beiden Reiter hinter den 
Kamelen ritten, um bei schwierigen Stellen, 
Stürzen der Kamele oder Rutschen der Sättel 
sofort zur Hand zu sein. Der Weg längs des 
Oranje ist sehr schwierig, da die Berge auf deut- 
scher Seite unterhalb Außenkehr bei Nabasdrift 
stellenweise dicht an den Fluß herantreten. Waren 
diese Stellen besonders klippig, dann mußten die 
Kamele einzeln durchgeführt werden, weil sonst 
ein stürzendes Kamel das vor= oder nachfolgende 
mitriß. Danach folgten wieder lange Steinfelder, 
in denen ein Wundlaufen der Kamele und Ver- 
lieren von Eisen bei den Maultieren zu befürchten 
  
war. Endlich wurde an einigen Stellen, beson- 
ders wo die Berge dicht an den Fluß herantreten, 
das Gebüsch so dicht, daß wir uns erst einen Weg 
schlagen mußten. Für die Maultiere bildete dieses 
Gebüsch kein gleichschwieriges Hindernis wie für 
die durch die Last besonders breiten Kamele; für 
diese mußte das Gehölz bedeutend mehr ausge- 
schlagen werden. 
Ungefähr 8 km flußabwärts von Nabasdrift 
tritt das Kameldoorn-Revier, von den Hottentotten 
Chamchab, d. h. „Löwenschwanz“, genannt, in 
den Oranje. Dieses Revier entspringt am West- 
rand der Großen Karasberge zwischen Noachabeb 
und Mickberg und fließt in allgemein südwestlicher 
Richtung, bis es kurz hinter Kanibeam nach 
Süden abbiegt. Die beiden Wasserstellen im 
Chamchab-Revier, die ich kenne, Gaibes und 
Kanibeam, sind derartig brackig, daß die Tiere 
meist nicht davon trinken; für Menschen ist das 
Wasser fast ungenießbar. . 
Kurz hinter dem Chamchab-Revier haben wir 
die erste Nacht gelegen. Da sich die Maultiere 
in der ersten Zeit nicht an die Kamele gewöhnen 
wollten, mußten wir während des Halts getrennt 
lagern. Die Kamele ließen wir mit kleinem Ab- 
stand hinter den Maultieren weiden. 
Am nächsten Morgen bemerkten wir nach ein- 
stündigem Marsche auf englischem Ufer eine Werft. 
Auf unser Rufen kam ein Hottentott ans Ufer 
und sagte, daß das Vieh, ungefähr 60 Bockies 
und einige Kühe, einem Engländer gehörte, der 
in der Kapkolonie seine Farm bewohnt. Der 
Hottentott wollte mir ohne Erlaubnis seines Baas 
kein Vieh verkaufen, begleitete uns aber fluß- 
abwärts, wo wir nach 5 km eine zweite Werft 
(Karasgari) antrafen. 
Gegenüber der ersten Werft mündet auf 
deutscher Seite eine auffallende Schlucht, die nach 
Norden über die Wasserscheide in ein Nebenrevier 
des Fischflusses führt. Diese Schlucht haben die 
Hottentotten während des Orlogs 1905 bennutzt, 
um sich der Verfolgung durch die Truppe zu ent- 
ziehen. Johann Christian ist mit seinem Orlog vom 
Fischfluß durch die Hottentottenschlucht (s. Skizze) 
an diese Stelle des Oranje gegangen, während 
Cornelius durch eine Schlucht weiter westlich an 
den Fluß gelangte. Ich habe diese Schluchten 
nach den beiden Hottentottenführern benannt. 
Bei Karasgari waren wundervolle Klippen- 
partien im Oranje und an seinen Ufern festzustellen.
	        
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