Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

W 261 20 
  
  
  
  
  
  
uchtamtlicher Teil 
  
  
  
  
  
  
Nachrichten aus den deutschen Schutzgebieten. 
(Abdruck der Nachrichten vollständig oder teilweise nur mit Quellenangabe gestattet.) 
Deutsch-Ostafrika. 
Die Jentralbahn. 
Nach einer telegraphischen Meldung aus Dares- 
salam ist die Gleisspitze der Zentralbahn Ende 
Februar bei Kilometer 56 hinter Morogoro angelangt. 
Der geringe Fortschritt gegenüber dem vorigen 
Monat (vgl. „D. Kol. Bl.“ 1909, S. 174) ist auf 
das verspätete Eintreffen des Dampfers „Somali“ 
zurückzuführen. 
Von der Usambarabahn. 
Die Bauleitung der Usambarabahn hat, nach- 
dem die Strecke Mombo— Mkumbara von der 
amtlichen Bauaussicht für betriebsfähig erklärt worden 
ist, den provisorischen Betrieb daselbst aufgenommen. 
Auf der genannten Strecke findet eine regel- 
mäßige Verbindung im Anschluß an die Betriebs- 
züge nur nach folgendem Fahrplan statt: 
Donnerstag: ab Tanga 7 Uhr vorm., an 
Mombo 145 nachm.; ab Mombo 210 nachm., an 
Mkumbara 310 nachm. 
Freitag: ab Mkumbara 720 vorm., an Mombo 
820 vorm.; ab Mombo 845vorm., an Tanga 2 Fnachm. 
Mit diesen Zügen werden Personen und Stück- 
güter befördert. Personen müssen in Mombo 
umsteigen. Außerdem werden bis auf weiteres 
mit jedem täglichen Materialzuge Wagenladungen 
bis Mkumbara befördert, während Personen und 
Stückgüter mit diesen Zügen nur ausnahmsweise 
und ohne irgendwelche Haftung für Beschädi- 
gungen und Unfälle befördert werden können. 
Die Beförderung von Personen und Gütern er- 
folgt nach den Tarifsätzen der Betriebsstrecke 
Tanga— Mombo. 
eln Mordprozeß gegen Oenschenfresser. 
Vor dem Gerichte der Station Iringa spielte 
sich Ende Dezember ein umfangreicher Mord- 
prozeß ab. Es handelte sich um eine Gesell- 
schaft, die einen Menschenfresserbund bildete, 
um Männer und Weiber, die seit Jahr und Tag 
ihre Stammesgenossen, in erster Linie ihre eigenen 
Verwandten, vorzugsweise sogar ihre Kinder 
vergifteten, um ihre Opfer zu verzehren — kurz 
um einen Kanibalismus, wie man ihn sich scheuß- 
licher und tierischer überhaupt nicht vorstellen kann. 
Der Ubenaposten im Süden des Fringa- 
bezirks lieferte im Dezember 1908 eine Anzahl 
Bewohner dieser Landschaft wegen Giftmord- 
  
verdachts an die Station ein. Die sehr eingehend 
geführten Verhandlungen, bei denen die An- 
geschuldigten ausnahmslos geständig waren und 
zum Teile ganz offen über all die ekelerregenden 
Einzelheiten Auskunft erteilten, ergaben folgendes: 
Ein „Zauberer“, also ein mannigfacher Natur- 
gifte kundiger Mbena, namens Malukansi, war 
mit seiner Famile (Weib und zwei erwachsenen 
Söhnen) seit langem dem Genuß des Menschen- 
fleisches ergeben. Um sich in den Besitz dieses 
Leckerbissens zu setzen, warb er Weiber mit dem 
Versprechen, ihnen von seinen Zauberkünsten mit- 
zuteilen, wofür sie ihm ein Menschenopfer zu 
liefern hatten. Zu diesem Zwecke brachten die 
Weiber einen ihrer Verwandten, zumeist ihre 
leiblichen Kinder um. Die Leiche wurde den 
Genossen des Menschenfresserbundes, der sich, 
wenn wieder ein Opfer fällig war, bereits vorher 
in der Nähe zum Schmause zu versammeln 
pflegte, überantwortet. Der Körper wurde von 
den Genossen des Mahles zerrissen und das Fleisch 
roh auf der Stelle verschlungen. Alles nahm an 
diesem Mahle teil, gleichgültig, ob das Opfer das 
eigene Kind, der Enkel, der Bruder, ein anderer 
Blutsverwandter oder sonstwer war. Den Kopf 
bekam der Täter, um in dem Schädel das Gift 
für künftige Opfer zu bereiten. Bevorzugt wurde 
das Fleisch kleiner Kinder; die Weiber gaben an, 
„es sei so schön zart“, während ihnen das Fleisch 
Erwachsener wenig zusagte. 
Diesem Menschenschlächterbund gehörten außer 
dem Anführer Malukansi und seiner Familie 
acht Weiber, also insgesamt zwölf Köpfe an, die 
sämtlich mehrere Giftmorde auf dem Gewissen 
hatten; jedes einzelne Mitglied gab zu, daß es 
an einer ganzen Reihe kannibalischer Mahle be- 
teiligt gewesen sei. Auch einige Kinder im Alter 
von 8 bis 12 Jahren, die bei den Giftmorden 
Handlangerdienste zu tun hatten, wurden dafür 
mit dem Fleisch der Opfer belohnt. 
Die Verhandlung, in der selbst die Mütter, 
die ihre Kinder getötet und verzehrt hatten, mit 
erschreckender Gemütsruhe alle Einzelheiten wieder- 
gaben, stellte selbst an abgehärtete Nerven starke 
Anforderungen. 
Zehn Mitglieder der Verbrecherbande wurden 
zum Tode verurteilt; das Urteil ist vom Gouver- 
neur bestätigt worden und wird inzwischen voll- 
streckt sein. Von den weiteren Mitgliedern der 
Bande ist ein Weib in der Untersuchungshaft 
gestorben, während das andere Weib flüchtig ist.
	        
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