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Die „Langeoog“ dampfte den Strom drei Tage
und drei Stunden lang aufwärts; sie hat während
dieser Zeit eine Strecke von 335 km zurückgelegt,
und 143° 11 östl. L. und 4°6’ südl. Br. erreicht.
Der Strom weist bis zu diesem Punkt und zwei-
fellos noch erheblich weiter hinauf eine durch-
schnittliche Breite von 600 m, im Fahrwasser eine
durchschnittliche Tiefe von 18 m und eine Strom-
geschwindigkeit von etwa 6 km in der Stunde auf.
Wir hatten offenbar nahezu höchsten Wasserstand.
Fünf Monate früher scheint der Wasserstand um
etwa 2 m niedriger, die Stromgeschwindigkeit ge-
ringer gewesen zu sein. Kapitän Roscher und
Stationschef Rodatz von Eitape nahmen den be-
fahrenen Teil des Stromes gemeinsam karto-
graphisch auf. Mindestens alle zehn Minuten
wurden Tiefenlotungen vorgenommen. Ich selbst
habe zur Gegenprobe ebenfalls ein Stück aufge-
nommen. Die Arbeit der beiden Herren habe
ich verfolgt und stimme ihren Ergebnissen zu.
Der Mündung des Stromes gegenüber steht
wie ein natürlicher Pfeiler die Vulkaninsel Bam
(Losson). Nanam ist noch längere Zeit strom-
aufwärts sichtbar. In klaren Nächten muß der
Feuerschein auf ihrem Gipfel weit ins Land hinein
erkennbar sein. Am Unterlauf find die niedrigen
Ufer dicht bewaldet. Hier zweigt sich auch der
Mazub ab, der die große Salz= und Brackwasser-
Lagune mit dem Strom verbindet. Stromauf=
wärts finden sich nach und nach links und rechts
kleinere und größere Grasflächen. Sie nehmen
immer mehr zu, bis schließlich am Mittellauf die
Savanne bei weitem überwiegt. Nur die aus-
gedehnten Plantagen der Eingeborenen und hier
und da geringe Bewaldungen an den Flruß-
biegungen lösen sie ab. An solchen Stellen be-
finden sich auch gewöhnlich die Ansiedlungen der
Uferbewohner. Der Grund ist schwerer Alluvial-
boden; auch nicht einen Stein habe ich entdecken
können. Eine Reihe kahler Hügel in nicht zu
großer Ferne vom Fluß sieht aus wie Dünen;
sie scheinen den Strand einer ehemaligen Meer-
bucht darzustellen, die der Strom seitdem mit
seinen Sedimenten aufgefüllt hat. Dieser reiche
Boden bringt prachtvolle Yams hervor, Taro,
Zuckerrohr, Bananen, Tabak. Herr Rodatz hat
ansehnliche Mengen von Zimt gefunden, der
wohl auf dem Wege des Handels aus dem Innern
hierhergelangt ist. Dieser Zimt und erhebliche
Mengen von Tabak wurden dem Gouvernement
zwecks Übersendung an das Kolonial-Wirtschaftliche
Komitee zugestellt.
Die Fahrt durch eine so gut angebaute Gegend
ist natürlich äußerst anziehend. Bei Annäherung
des Dampfers gingen Einbäume mit Weibern
und Kindern in fliegender Eile von einem Ufer
zum andern. Verspätete versteckten ihr Fahrzeug
im Ufergebüsch und wagten erst nach dem Passieren
der „Langeoog“ die üÜberfahrt. Andere, mit
Männern besetzte Einbäume, fuhren in einiger
Entfernung neben dem Dampfer her; es fiel den
Eingeborenen nicht schwer, längere Zeit mit uns
gleichen Schritt zu halten. An den 1 bis 2m
hohen Steilufern bei den Plantagen sind vielfach
Treppenstufen eingegraben, um den Insassen der
Einbäume das Landen zu erleichtern. Zuweilen
sah man ein Bauernhaus als Lugaus über den
Strom. An einer Stelle wurde ein Brückensteg
bemerkt, Tabakblätter in kleinen Bündeln gelten
fast durchweg als Begrüßungs= und Friedens-
zeichen.
Es heißt gewöhnlich, Neuguinea ist von
„Papuas“ bewohnt. Soll dieser Satz richtig
sein, dann muß man zum mindesten den Vor-
behalt machen, daß es sehr verschiedene Sorten
von Papuas gibt. Ein Mann von Graget steht
somatisch einem Uferbewohner des mittleren Augustu-
stromes ebenso fern, wie ein Barriai einem Bai-
ning; zwischen einem Sissano-Mann und einem
Eingeborenen der Ostkapgegend von Neuguinea
ist der Unterschied ebenso groß, wie zwischen einem
Neu-Hannover-Mann und einem Eingeborenen
von Süd-Neu-Mecklenburg. Die als Papuas be-
kannten Küstenbewohner des Nordrands von Neu-
guinea haben hohe Stirn, nach unten gebogene
Nase, vorspringende, aber nicht sehr dicke Lippen.
Sie sind Langschädel und zeigen wenig Progna-
tismus. Der bekannte jüdische Zug ist vielfach
bemerkbar. Sie haben meist etwas Edles in ihren
Gesichtszügen, obwohl man nicht selten auch
Exemplare unter ihnen findet, die stark negerartig
anmuten. Sie stellen sich als Mittelfiguren dar,
sind eher klein als groß, haben auffallend zierliche
Hand= und Fußgelenke, kleine Hände und besitzen
in der Jugend und im kräftigen Alter einen
starken, wohlgeformten Fleischansatz. Nicht wenige
neigen zur Fettleibigkeit. Ihre Hautfarbe ist 25
bis 28 der Luschanschen Tafel. Was für alle
Küstenbewohner Neuguineas, die ich gesehen habe,
charakteristisch ist, und was auch vielleicht die
Veranlassung war, sie alle unter dem Sammel-
namen Papuas zusammenzufassen, das ist ihre
riesige Haarfrisur mit abrasiertem Schläfen= und
Nackenhaar. Diese Haarfrisur ist keineswegs bei
allen Stämmen gleich, aber sie gibt allen, die sie
tragen, etwas Gleichartiges. Wird diese Haar-
masse abgeschoren, wie es die neu Angeworbenen
vielfach tun, dann hält es schwer, in dem Papua
von heute den Papua von gestern wiederzuerkennen.
Anders die Uferbewohner des mittleren Augusta-
stromes! Sie sind dunkelfarbig wie die Bainings,
etwa 32 bis 33 von Luschans Tafel, die Weiber
häufig etwas heller. Ihrer Farbe nach gehören sie
zweifellos nach „Melanesien“. Auch in ihren