Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

G 333 20 
Die „Langeoog“ dampfte den Strom drei Tage 
und drei Stunden lang aufwärts; sie hat während 
dieser Zeit eine Strecke von 335 km zurückgelegt, 
und 143° 11 östl. L. und 4°6’ südl. Br. erreicht. 
Der Strom weist bis zu diesem Punkt und zwei- 
fellos noch erheblich weiter hinauf eine durch- 
schnittliche Breite von 600 m, im Fahrwasser eine 
durchschnittliche Tiefe von 18 m und eine Strom- 
geschwindigkeit von etwa 6 km in der Stunde auf. 
Wir hatten offenbar nahezu höchsten Wasserstand. 
Fünf Monate früher scheint der Wasserstand um 
etwa 2 m niedriger, die Stromgeschwindigkeit ge- 
ringer gewesen zu sein. Kapitän Roscher und 
Stationschef Rodatz von Eitape nahmen den be- 
fahrenen Teil des Stromes gemeinsam karto- 
graphisch auf. Mindestens alle zehn Minuten 
wurden Tiefenlotungen vorgenommen. Ich selbst 
habe zur Gegenprobe ebenfalls ein Stück aufge- 
nommen. Die Arbeit der beiden Herren habe 
ich verfolgt und stimme ihren Ergebnissen zu. 
Der Mündung des Stromes gegenüber steht 
wie ein natürlicher Pfeiler die Vulkaninsel Bam 
(Losson). Nanam ist noch längere Zeit strom- 
aufwärts sichtbar. In klaren Nächten muß der 
Feuerschein auf ihrem Gipfel weit ins Land hinein 
erkennbar sein. Am Unterlauf find die niedrigen 
Ufer dicht bewaldet. Hier zweigt sich auch der 
Mazub ab, der die große Salz= und Brackwasser- 
Lagune mit dem Strom verbindet. Stromauf= 
wärts finden sich nach und nach links und rechts 
kleinere und größere Grasflächen. Sie nehmen 
immer mehr zu, bis schließlich am Mittellauf die 
Savanne bei weitem überwiegt. Nur die aus- 
gedehnten Plantagen der Eingeborenen und hier 
und da geringe Bewaldungen an den Flruß- 
biegungen lösen sie ab. An solchen Stellen be- 
finden sich auch gewöhnlich die Ansiedlungen der 
Uferbewohner. Der Grund ist schwerer Alluvial- 
boden; auch nicht einen Stein habe ich entdecken 
können. Eine Reihe kahler Hügel in nicht zu 
großer Ferne vom Fluß sieht aus wie Dünen; 
sie scheinen den Strand einer ehemaligen Meer- 
bucht darzustellen, die der Strom seitdem mit 
seinen Sedimenten aufgefüllt hat. Dieser reiche 
Boden bringt prachtvolle Yams hervor, Taro, 
Zuckerrohr, Bananen, Tabak. Herr Rodatz hat 
ansehnliche Mengen von Zimt gefunden, der 
wohl auf dem Wege des Handels aus dem Innern 
hierhergelangt ist. Dieser Zimt und erhebliche 
Mengen von Tabak wurden dem Gouvernement 
zwecks Übersendung an das Kolonial-Wirtschaftliche 
Komitee zugestellt. 
Die Fahrt durch eine so gut angebaute Gegend 
ist natürlich äußerst anziehend. Bei Annäherung 
des Dampfers gingen Einbäume mit Weibern 
und Kindern in fliegender Eile von einem Ufer 
zum andern. Verspätete versteckten ihr Fahrzeug 
  
  
im Ufergebüsch und wagten erst nach dem Passieren 
der „Langeoog“ die üÜberfahrt. Andere, mit 
Männern besetzte Einbäume, fuhren in einiger 
Entfernung neben dem Dampfer her; es fiel den 
Eingeborenen nicht schwer, längere Zeit mit uns 
gleichen Schritt zu halten. An den 1 bis 2m 
hohen Steilufern bei den Plantagen sind vielfach 
Treppenstufen eingegraben, um den Insassen der 
Einbäume das Landen zu erleichtern. Zuweilen 
sah man ein Bauernhaus als Lugaus über den 
Strom. An einer Stelle wurde ein Brückensteg 
bemerkt, Tabakblätter in kleinen Bündeln gelten 
fast durchweg als Begrüßungs= und Friedens- 
zeichen. 
Es heißt gewöhnlich, Neuguinea ist von 
„Papuas“ bewohnt. Soll dieser Satz richtig 
sein, dann muß man zum mindesten den Vor- 
behalt machen, daß es sehr verschiedene Sorten 
von Papuas gibt. Ein Mann von Graget steht 
somatisch einem Uferbewohner des mittleren Augustu- 
stromes ebenso fern, wie ein Barriai einem Bai- 
ning; zwischen einem Sissano-Mann und einem 
Eingeborenen der Ostkapgegend von Neuguinea 
ist der Unterschied ebenso groß, wie zwischen einem 
Neu-Hannover-Mann und einem Eingeborenen 
von Süd-Neu-Mecklenburg. Die als Papuas be- 
kannten Küstenbewohner des Nordrands von Neu- 
guinea haben hohe Stirn, nach unten gebogene 
Nase, vorspringende, aber nicht sehr dicke Lippen. 
Sie sind Langschädel und zeigen wenig Progna- 
tismus. Der bekannte jüdische Zug ist vielfach 
bemerkbar. Sie haben meist etwas Edles in ihren 
Gesichtszügen, obwohl man nicht selten auch 
Exemplare unter ihnen findet, die stark negerartig 
anmuten. Sie stellen sich als Mittelfiguren dar, 
sind eher klein als groß, haben auffallend zierliche 
Hand= und Fußgelenke, kleine Hände und besitzen 
in der Jugend und im kräftigen Alter einen 
starken, wohlgeformten Fleischansatz. Nicht wenige 
neigen zur Fettleibigkeit. Ihre Hautfarbe ist 25 
bis 28 der Luschanschen Tafel. Was für alle 
Küstenbewohner Neuguineas, die ich gesehen habe, 
charakteristisch ist, und was auch vielleicht die 
Veranlassung war, sie alle unter dem Sammel- 
namen Papuas zusammenzufassen, das ist ihre 
riesige Haarfrisur mit abrasiertem Schläfen= und 
Nackenhaar. Diese Haarfrisur ist keineswegs bei 
allen Stämmen gleich, aber sie gibt allen, die sie 
tragen, etwas Gleichartiges. Wird diese Haar- 
masse abgeschoren, wie es die neu Angeworbenen 
vielfach tun, dann hält es schwer, in dem Papua 
von heute den Papua von gestern wiederzuerkennen. 
Anders die Uferbewohner des mittleren Augusta- 
stromes! Sie sind dunkelfarbig wie die Bainings, 
etwa 32 bis 33 von Luschans Tafel, die Weiber 
häufig etwas heller. Ihrer Farbe nach gehören sie 
zweifellos nach „Melanesien“. Auch in ihren
	        
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