Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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hinein, das trotz eines qgualmenden Feuers Wolken 
von Moskitos beherbergte. Ich ließ noch ein 
Feuer anzünden; jeder unserer Leute erhielt einen 
Moskitobesen in die Hand. Meine Begleiter 
sowohl wie die Bewohner dieses sympathischen 
Platzes sprangen andauernd von einem Bein auf 
das andere. Zwei Häuptlinge schlugen fort- 
während mit ihrem Besen auf mich ein, ohne 
jedoch verhindern zu können, daß mir zum Schluß 
Hände und Gesicht arg geschwollen waren. Dabei 
konnte ich mich zum Unglück nicht einmal so 
schnell wieder drücken, wie ich gewünscht hätte. 
Denn es sollten zwei oder drei Leute im Ort 
sein, die sich anwerben lassen wollten. So hieß 
es denn warten; aber ich drängte zartfühlend 
und fütterte die Häuptlinge inzwischen zur Auf- 
munterung mit ausgesuchten Häppchen von meiner 
Mittagstafel, mit Brocken von Biskuits und 
Graubrot, Schwänzen von Sardinen in Ol und 
Reineclauden. Die geleerten Büchsen machten 
als Geschenke großen Eindruck, denn keiner oder 
nur wenige von diesen Leuten hatten bisher einen 
weißen Mann gesehen. Endlich kam Leben in 
das Geschäft: vier junge Eingeborene bestiegen 
von hinten das Haus-Tamboran und betraten 
den Raum mit einem Schritt, daß es dröhnte. 
Man sah es ihrer Miene und Haltung deutlich 
an: „Ich hab's gewagt!“ Unsere Leute kennen 
dieses Auftreten auch ganz genau, sie machen 
ihren anwerbenden Herrn durch Zuruf darauf 
aufmerksam. 
Jetzt befahl ich den Aufbruch, denn wir hatten 
noch eine lange Reise vor uns, und in wenigen 
Stunden mußte die Sonne untergehen. Zwei 
vollbesetzte Einbaume von Mabu wollten mich 
zur Küste begleiten. Schon waren die meisten 
Fahrzeuge vom Lande abgestoßen, als es irgend 
jemand einfiel, daß man einen genügenden Vorrat 
von Bethelnüssen für die Reise mitzunehmen ver- 
gessen hatte. Ich mußte nachgeben, wenn ich 
mich mit einem Boot nicht plötzlich vereinsamt 
seheen wollte. So kehrte denn alles wieder zum 
Dorf zurück und vertrödelte noch eine halbe 
Stunde mit Erklettern von Palmen, Pflücken von 
Nüssen und erneutem Abschiednehmen. Dennoch 
hatte ich auf die Dauer keinen Grund, mit meinen 
Freunden unzufrieden zu sein; sie suchten nach 
besten Kräften wieder einzuholen, was versäumt 
worden war. Bald nach dem Rückpassieren der 
Flußsperrung stieß mein dritter vorher aus- 
gesandter Einbaum zu mir, so daß es jetzt im 
ganzen fünf Fahrzeuge waren. Soweit es die 
Breite der Fahrrinne gestattet, fuhren alle fünf 
in Breitkolonne nebeneinander, in der Mitte das 
meinige, links und rechts von mir je ein Mabu- 
Boot, auf den Flügeln die beiden Utam-Boote. 
Alle 32 Pagajer standen aufrecht und arbeiteten 
  
mit ihren langen Pagajen in Gleichtakt wie ein 
Mann. Stets war nur ein Schlag zu hören. 
Ich hatte eine große hölzerne Taubenpfeife, mit 
ihr gab ich zuweilen den Takt an. Das machte 
den Kindern der Wildnis unbändigen Spaß; sie 
jauchzten vor Freude und arbeiteten mit ver- 
doppelten Kräften. Die Flottille schien durchs 
Wasser zu fliegen. Das Kielwasser unter dem 
flachen, offenen Heck jener Einbäume sah aus, 
als würde ein jeder durch eine kleine Schraube 
getrieben. Nichts schien die Fahrt vermindern 
zu können; zuweilen setzte sich ein Mann nieder, 
um für sich oder einen Bootgenossen eine Zigarette 
zu wickeln oder an den glimmenden Scheiten 
auf dem Tonbecken hinten im Heck anzuzünden. 
Der Ausfall dieser Pagaje wurde durch die übrigen 
wettgemacht, denn die fünf Einbäume blieben 
stets in einer Linie. Nur wenn sich ein Fisch in 
erreichbarer Nähe zeigte, stockte die Fahrt; der 
Versuchung, ihn zu erlegen, können diese Lagunen- 
bewohner nicht widerstehen. In jedem Einbaum 
liegt neben dem Pagajer im Bug ein leichter 
Fischspeer. Zeigt sich ein Fisch, oder erreicht 
man eine Stelle, wo erfahrungsgemäß Beute zu 
erwarten ist, dann ergreift der Pagajer den Speer 
mit der rechten Hand, die schon die Pagaje hält, 
und pagajet so ruhig weiter, bis der Augenblick 
zum Wurf kommt. Die rechte Hand verläßt dann 
ihren Griff an der Pagaje, die dann, nur durch 
die linke gehalten, dem Fischspeer zumeist als 
Zielpfahl dient. Während der Fahrt wurde 
mehrfach geworfen, aber nie eine Beute erlegt; 
dagegen fingen in der Dunkelheit die durch die 
heransausende Flottille aufgeschreckten Fische in 
Massen an zu springen. Zwei gelangten auf 
diese Weise in meinen Einbaum, einer davon 
direkt zwischen meine Beine. Nach einer etwa 
einstündigen Fahrt hielten die Fahrzeuge. Ich 
wurde ersucht, als Signal für den Oberhäuptling 
Apena, der — wahrscheinlich durch Garamu- 
sprache — zu verstehen gegeben hatte, daß er 
mich sehen wolle, einen Schuß abzufeuern. Den 
Schuß lehnte ich ab, gab aber mit meiner großen 
Holzpfeife wiederholt lange Signale. Nach kurzer 
Zeit kam auch hinter einer Ecke ein Einbaum 
zum Vorschein, den zwei aufrechtstehende Männer 
mit großer Geschwindigkeit vorwärts trieben. 
Beim Näherkommen erkannte ich, daß hinten in 
vollem Schmuck Apena stand. Meine fünf Boote 
lagen dicht nebeneinander auf dem Wasser, ich 
immer in der Mitte. Jetzt fuhren sie ein wenig 
auseinander, so daß Apena von hinten dazwischen 
fahren und längsseitwärts an meinen Einbaum 
anlegen konnte. Ich reichte ihm meine Hand 
und eine Stange Tabak. Er hielt eine kurze 
Ansprache, in der er seine Freude ausdrückte, 
mich zu sehen, und die Hoffnung aussprach, daß
	        
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