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Aus fremden Kolonien und Droduktionsgebieten.
Eine Studienreise in das tropische Brasilien.
Originalbericht von D. Sandmanns-Berlin.
(Mit 28 Abbildungen.)
(Schluß.)
Der Staat Pernambrco.
Von den östlich gelegenen brasilianischen Staaten
Rio Grande do Norte, Parahyba, Pernambuco
und Alagoas ist der Staat Pernambuco sowohl an
Größe wie auch wirtschaftlich der bedeutendste.
Er umfaßt 128 395 qkm mit etwa zwei Millionen
Einwohnern. Das Land wird von verschiedenen,
nicht sehr hohen Gebirgen durchzogen und besitzt
eine Anzahl kleiner Flüsse, die zum Teil direkt in
den Ozean, zum Teil in den (südlich die Grenze
gegen Bahia bildenden) Rio San Francisco fließen.
Nur dieser letztere Fluß ist für die Binnenschiffahrt
von einiger Bedeutung. Der Boden ist teilweise
außerordentlich fruchtbar und besonders für den
Zucker= und Baumwollbau geeignet. Der Regenfall
beträgt nach den Aufzeichnungen der Sternwarte
von Recife in zehnjährigem Durchschnitt 1683 mm.
Während dieser Periode war im Jahre 1899 der
höchste Regenfall mit 2550 mm und 1903 der
niedrigste mit 1575 mm. Bei diesen bedeutenden
Schwankungen wechselt naturgemäß auch die Er-
tragsfähigkeit des Bodens.
Die Eisenbahnen im Betriebe der Great Western
of Brazil Railway Company haben zur Zeit eine
Länge von über 1000 km, der weitere Ausbau ist
geplant. Vor allem sind es die Linien nach Natal,
dem Hafen des Staates Rio Grande do Norte,
nach Cabedello, dem Hafen des Staates Parahyba,
und nach Maceio, dem Hafen des Staates Alagoas,
welche einen regen Verkehr vermitteln und Pernam-
buco zum Mittelpunkt des geschäftlichen Lebens und
zum Sammelplatz für die Produkte jener Staaten
machen. Von Recife, der Hauptstadt des Staates,
aus besteht auch ein regelmäßiger Verkehr mit den
überseeischen Häsen. Dort befinden sich auch die
größten Handelshäuser sowie eine Börse, an der
die Hauptprodukte, Baumwolle, Zucker, Carneuba-
wachs usw. gehandelt werden.
Die Personenzüge auf den erwähnten Eisenbahn-
linien laufen zum Teil nicht täglich. Dadurch und
durch die verhältnismäßig hohen Tarife wird der
Verkehr erschwert. Für Waren, sogar für Massen-
transporte wie Zucker und Baumwolle, sind die
Frachtraten sehr hoch. Je nachdem die Waren
innerhalb des Landes oder im Verkehr mit den
Nachbarstaaten transportiert werden, differieren die
Raten per t/km zwischen 67 und 226 Reis (gleich
8½ und 30 Pfennig). Diese hohen Frachtsätze
hemmen die Entwicklung des Landes und bewirken,
daß viele Produkte aus dem Innern des Landes
überhaupt nicht an den Markt gebracht werden
können.
Wie in anderen Staaten Brasiliens, so ist auch
in Pernambuco die Steuerschraube vielfach an der
falschen Stelle angesetzt. Quellen, die zum Wohle
des Landes und damit auch zur Erhöhung der
Einnahmen des Staates erschlossen werden sollten,
sind durch Steuern in ihrer Entwicklung gehemmt.
So wird z. B. jede Kokospalme, die gepflanzt wird,
mit 200 Reis und jeder Kaffeebaum mit 40 Reis
Steuern per Jahr belegt.
Die Hauptstadt des Staates Pernambrco, Recife,
liegt an der Küste. Sie zerfällt in drei durch die
Flüsse Capiberibe und Beberibe getrennte und durch
fünf stattliche Brücken verbundene Stadtteile. Recife
zählt jetzt 160 000 Einwohner und ist die viert-
größte Stadt Brasiliens. Die Stadt liegt wenig
über dem Meeresspiegel, die Gesundheitsverhältnisse
sind schon aus diesem Grunde nicht besonders gut;
zudem wirkt aber die Bauart insofern ungünstig auf
die Gesundheit der Einwohner ein, als innerhalb
der engen Straßen einzelner Stadtteile meist eine
abnorm hohe und schwüle Temperatur herrscht,
während auf den Brücken dauernd ein kühler Wind
weht. Bei dem Verkehr von einem Stadtteil in
den anderen ist man gezwungen, sich diesem Tem-
peraturwechsel auszusetzen; Erkältungen sind die
regelmäßige Erscheinung. Erkältungen sind aber in
einer solchen Gegend, wo in den stehenden Gewässern
der ganzen Umgebung sich Malariakeime bilden,
besonders gefährlich.
Verschiedene Straßenbahnen verbinden die Stadt-
teile, Wohn= und Geschäftsviertel untereinander.
Die Wohnviertel besitzen recht freundliche Villen-
bauten mit Gartenanlagen, während die Geschäfts-
viertel sehr eng gebaut sind. Von öffentlichen
Gebäuden befinden sich in Recife u. a. eine Rechts-
schule, ein Gymnasium, eine Sternwarte, Marine-
schule, ein Marincarsenal, ein Regierungs= und
Kongreßgebäude sowie mehrere recht stattliche Kirchen
und der Palast des Bischofs.
Der Hafen von Recife wird durch ein etwa
400 km langes und 30 bis 40 m breites Korallen-
riff gebildet, welches etwa 300 m vom Lande ent-
fernt ist. In diesen Hafen können jedoch nur die
kleineren Schiffe einlaufen, während die großen
überseeischen Dampfer auf der Außenreede bleiben
müssen. Die Ein= und Ausbootung ist infolge der
häufig sehr bewegten See und der starken Brandung
höchst unbequem und besonders kostspielig. Boote,
die bei bewegter See zu den auf der Außenreede
liegenden Schiffen hinausfahren wollen, müssen mit
sechs bis acht Leuten bemannt sein und werden oft
mit 35 Milreis und mehr bezahlt.
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