Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Meistens wird der Cachaca aus dem ganzen Saft 
des Zuckerrohrs, der Aguardente aus der Melasse 
gewonnen. 
In den Brennereien findet man die verschieden- 
artigsten Einrichtungen vom allereinfachsten Destil- 
lierapparat über offenem Feuer, dessen sich meist die 
Eingeborenen bedienen, bis zum vollkommen aus- 
gestatteten, kontinuierlich arbeitenden Kolonnenapparat 
mit Dampfbetrieb, der in den großen Brennereien 
zu finden ist. 
Von den Eingeborenen wird der Saft aus dem 
selbstgebauten Zuckerrohr auf einer Handpresse ge- 
wonnen, alsdann der Gärung überlassen und ein- 
mal, in manchen Fällen auch zweimal destilliert. 
Besser eingerichtete Brennereien sind, wenn auch 
vereinzelt, selbst in den wenig industriellen Staaten 
Pará und Amazonas zu finden. Diese verarbeiten 
nicht nur das selbstgebaute Zuckerrohr, sondern 
kaufen solches auch aus der benachbarten Gegend 
auf. So gibt es im Staate Pará, in Maguary 
bei Benevides, eine Brennerei, die pro Tag etwa 
1500 1 Cachaga produziert. Diese Brennerei 
gehört einem Deutschen und ist, wenn auch nicht 
mit den neuesten Apparaten, so doch immerhin für 
dortige Verhältnisse recht praktisch eingerichtet. Der 
Betrieb befindet sich in einem offenen Holzgebäude, 
wie es den dortigen Klimaverhältnissen angemessen 
ist. Durch einen Dampfkessel wird die nötige Kraft 
und der Dampf zur Destillation erzeugt. Das 
Zuckerrohr wird auf einer durch Dampfkraft be- 
triebenen, in der Hauptsache aus zwei Walzen be- 
stehenden Mühle ausgepreßt. Der auslaufende Saft 
passiert ein Filter und wird dann in die Gär- 
bottiche gepumpt, die elwa 8000 1 fassen. Die 
Bottiche sind aus dem einheimischen Holz Päo 
Amarello gefertigt. In diesen Bottichen tritt die 
Gärung bei der dort herrschenden Temperatur so- 
fort ein und ist gewöhnlich nach etwa vier Tagen 
beendet. Nach beendeter Gärung wird die Maeische 
auf den Destillierapparat, einen kontinuierlich ar- 
beitenden Kolonnenapparat, gebracht. Die Maeische, 
welche nach beendeter Gärung einen Alkoholgehalt 
von etwa 10 bis 11 v. H. besitzt, ergibt nach der 
Destillation über jenem Apparat einen Alkohol von 
etwa 60 v. H. Der Apparat liefert in vier Stun- 
den aus etwa 4000 1 Maische etwa 7201 Cachaga. 
Gewöhnlich wird ein Bottich von 8000 1 Inhalt 
in zweimal vier Stunden pro Tag verarbeitet. 
Der Vor= und Nachlauf bei der Destillation wird 
besonders aufgefangen und der nachfolgenden Maische 
wieder zugesetzt. 
Eine Schwierigkeit für die Cachagabrennerei 
liegt darin, daß das Zuckerrohr oftmals in einem 
recht schlechten fauligen Zustande zur Brennerei 
kommt. Nur dadurch, daß man größere Mengen 
Vor= und Nachlauf nimmt, wird es möglich, einen 
einigermaßen reinschmeckenden Branntwein zu er- 
zeugen. 
  
Der gewonnene Cachaca wird in einem Holz= 
reservoir aus Päo Amarello gesammelt. Gerade 
dieses Holz ist arm an löslichem Farbstoff und 
färbt den Branntwein nicht, er bleibt wasserhell. 
Der Branntwein kommt frisch zum Verkauf und 
entspricht dem Volksgeschmack im allgemeinen mehr 
als Branntwein, der durch Lagerung sein Aroma 
entwickelt und Holzfarbstoffe aufgenommen hat. 
Die Berechnung des Alkoholgehaltes im Handel 
erfolgt in Brasilien nicht in Prozenten, sondern in 
Graden nach Cartier. So wird z. B. Cachaca mit 
22 Grad gleich 58 v. H. Alkoholgehalt in den Ver- 
kehr gebracht. 
Die Branntweinproduktion erfolgt ohne steuer- 
amtliche Kontrolle. Erst wenn der Brauntwein in 
den Konsum gebracht wird, muß die Steuer bezahlt 
werden. Von der Brennerei Maguary z. B. geht 
der Branntwein mit der Braganzabahn ohne Steuer- 
aussicht bis Par 4; erst wenn er auf dem Bahnhof 
Pará ausgeladen wird, muß die Steuer (120 Reis 
pro Liter) ohne Rücksicht auf den Alkoholgehalt 
entrichtet werden. 
In den Nordstaaten, wo keine große Produk- 
tion stattfindet, wird der Cachaca meist in Korb- 
flaschen von 24 1 Inhalt versandt, während in den 
südlicher gelegenen Staaten mit ihrer großen Vro- 
duktion Fässer („Pipas“) von 480 1 Inhalt ver- 
wendet werden. " 
Bei dem Lagern und dem Transport des 
Branntweins haben die Brenner mit einem Schäd- 
ling zu rechnen, der ihnen im Norden Brasiliens 
oft empfindliche Verluste bringt. Es ist dies ein 
Bohrkäfer, der das Holz der Gefäße mit Löchern 
von etwa 1 mm Durchmesser durchbohrt, so daß der 
Branntwein ausläuft. Durch einen Teeranstrich 
versucht man, aber nicht immer mit Erfolg, die 
Gefäße por den Käfern zu schützen. 
Die Aguardentebrennerei schließt sich gewöhnlich 
an die großen Zuckerfabriken an. Die Melasse, 
wie sie von der Zentrifuge abfließt, wird in einem 
Bassin gesammelt. Sie bildet eine braune dick- 
flüssige Masse, die außer Zucker eine große Menge 
aromatischer Stoffe enthält. Aus dem Bassin wird, 
je nach der Leistungsfähigkeit der Brennerei, ein 
Quantum Melasse in Gärbottiche gepumpt, wo sie 
auf einen Zuckergehalt von etwa 7 v. H. herab- 
gesetzt wird. Dieser verdünnten Melasse wird etwas 
Preßhefe zugesetzt, um die Gärung einzuleiten. Für 
die Destillation sind meist sehr gut ausgestattete 
große Kolonnenapparate deutschen oder französischen 
Ursprungs in Benutzung; sie produzieren aus der 
Maische einen Branntwein von etwa 90 bis 96 v. H. 
Alkoholgehalt. Dieser Branntwein wird unter der 
Bezeichnung „Aguardente 10 bis 45 Grad“, 
Cartier (gleich 90 bis 98 v. H.) Alkohol für Brenn- 
und technische Zwecke außerdem, mit Wasser herab- 
gesetzt, als Aguardente 22 Grad, für Trinkzwecke 
in den Handel gebracht.
	        
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