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Meistens wird der Cachaca aus dem ganzen Saft
des Zuckerrohrs, der Aguardente aus der Melasse
gewonnen.
In den Brennereien findet man die verschieden-
artigsten Einrichtungen vom allereinfachsten Destil-
lierapparat über offenem Feuer, dessen sich meist die
Eingeborenen bedienen, bis zum vollkommen aus-
gestatteten, kontinuierlich arbeitenden Kolonnenapparat
mit Dampfbetrieb, der in den großen Brennereien
zu finden ist.
Von den Eingeborenen wird der Saft aus dem
selbstgebauten Zuckerrohr auf einer Handpresse ge-
wonnen, alsdann der Gärung überlassen und ein-
mal, in manchen Fällen auch zweimal destilliert.
Besser eingerichtete Brennereien sind, wenn auch
vereinzelt, selbst in den wenig industriellen Staaten
Pará und Amazonas zu finden. Diese verarbeiten
nicht nur das selbstgebaute Zuckerrohr, sondern
kaufen solches auch aus der benachbarten Gegend
auf. So gibt es im Staate Pará, in Maguary
bei Benevides, eine Brennerei, die pro Tag etwa
1500 1 Cachaga produziert. Diese Brennerei
gehört einem Deutschen und ist, wenn auch nicht
mit den neuesten Apparaten, so doch immerhin für
dortige Verhältnisse recht praktisch eingerichtet. Der
Betrieb befindet sich in einem offenen Holzgebäude,
wie es den dortigen Klimaverhältnissen angemessen
ist. Durch einen Dampfkessel wird die nötige Kraft
und der Dampf zur Destillation erzeugt. Das
Zuckerrohr wird auf einer durch Dampfkraft be-
triebenen, in der Hauptsache aus zwei Walzen be-
stehenden Mühle ausgepreßt. Der auslaufende Saft
passiert ein Filter und wird dann in die Gär-
bottiche gepumpt, die elwa 8000 1 fassen. Die
Bottiche sind aus dem einheimischen Holz Päo
Amarello gefertigt. In diesen Bottichen tritt die
Gärung bei der dort herrschenden Temperatur so-
fort ein und ist gewöhnlich nach etwa vier Tagen
beendet. Nach beendeter Gärung wird die Maeische
auf den Destillierapparat, einen kontinuierlich ar-
beitenden Kolonnenapparat, gebracht. Die Maeische,
welche nach beendeter Gärung einen Alkoholgehalt
von etwa 10 bis 11 v. H. besitzt, ergibt nach der
Destillation über jenem Apparat einen Alkohol von
etwa 60 v. H. Der Apparat liefert in vier Stun-
den aus etwa 4000 1 Maische etwa 7201 Cachaga.
Gewöhnlich wird ein Bottich von 8000 1 Inhalt
in zweimal vier Stunden pro Tag verarbeitet.
Der Vor= und Nachlauf bei der Destillation wird
besonders aufgefangen und der nachfolgenden Maische
wieder zugesetzt.
Eine Schwierigkeit für die Cachagabrennerei
liegt darin, daß das Zuckerrohr oftmals in einem
recht schlechten fauligen Zustande zur Brennerei
kommt. Nur dadurch, daß man größere Mengen
Vor= und Nachlauf nimmt, wird es möglich, einen
einigermaßen reinschmeckenden Branntwein zu er-
zeugen.
Der gewonnene Cachaca wird in einem Holz=
reservoir aus Päo Amarello gesammelt. Gerade
dieses Holz ist arm an löslichem Farbstoff und
färbt den Branntwein nicht, er bleibt wasserhell.
Der Branntwein kommt frisch zum Verkauf und
entspricht dem Volksgeschmack im allgemeinen mehr
als Branntwein, der durch Lagerung sein Aroma
entwickelt und Holzfarbstoffe aufgenommen hat.
Die Berechnung des Alkoholgehaltes im Handel
erfolgt in Brasilien nicht in Prozenten, sondern in
Graden nach Cartier. So wird z. B. Cachaca mit
22 Grad gleich 58 v. H. Alkoholgehalt in den Ver-
kehr gebracht.
Die Branntweinproduktion erfolgt ohne steuer-
amtliche Kontrolle. Erst wenn der Brauntwein in
den Konsum gebracht wird, muß die Steuer bezahlt
werden. Von der Brennerei Maguary z. B. geht
der Branntwein mit der Braganzabahn ohne Steuer-
aussicht bis Par 4; erst wenn er auf dem Bahnhof
Pará ausgeladen wird, muß die Steuer (120 Reis
pro Liter) ohne Rücksicht auf den Alkoholgehalt
entrichtet werden.
In den Nordstaaten, wo keine große Produk-
tion stattfindet, wird der Cachaca meist in Korb-
flaschen von 24 1 Inhalt versandt, während in den
südlicher gelegenen Staaten mit ihrer großen Vro-
duktion Fässer („Pipas“) von 480 1 Inhalt ver-
wendet werden. "
Bei dem Lagern und dem Transport des
Branntweins haben die Brenner mit einem Schäd-
ling zu rechnen, der ihnen im Norden Brasiliens
oft empfindliche Verluste bringt. Es ist dies ein
Bohrkäfer, der das Holz der Gefäße mit Löchern
von etwa 1 mm Durchmesser durchbohrt, so daß der
Branntwein ausläuft. Durch einen Teeranstrich
versucht man, aber nicht immer mit Erfolg, die
Gefäße por den Käfern zu schützen.
Die Aguardentebrennerei schließt sich gewöhnlich
an die großen Zuckerfabriken an. Die Melasse,
wie sie von der Zentrifuge abfließt, wird in einem
Bassin gesammelt. Sie bildet eine braune dick-
flüssige Masse, die außer Zucker eine große Menge
aromatischer Stoffe enthält. Aus dem Bassin wird,
je nach der Leistungsfähigkeit der Brennerei, ein
Quantum Melasse in Gärbottiche gepumpt, wo sie
auf einen Zuckergehalt von etwa 7 v. H. herab-
gesetzt wird. Dieser verdünnten Melasse wird etwas
Preßhefe zugesetzt, um die Gärung einzuleiten. Für
die Destillation sind meist sehr gut ausgestattete
große Kolonnenapparate deutschen oder französischen
Ursprungs in Benutzung; sie produzieren aus der
Maische einen Branntwein von etwa 90 bis 96 v. H.
Alkoholgehalt. Dieser Branntwein wird unter der
Bezeichnung „Aguardente 10 bis 45 Grad“,
Cartier (gleich 90 bis 98 v. H.) Alkohol für Brenn-
und technische Zwecke außerdem, mit Wasser herab-
gesetzt, als Aguardente 22 Grad, für Trinkzwecke
in den Handel gebracht.