Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Strecke von 11 km durch die Drahtseilbahn über- 
wunden; viele großartig angelegte Viadukte über- 
brücken die Schluchten des Gebirges. Eine an- 
dere Bahn fährt in zwölf Stunden von Säo 
Paulo nach Rio de Janeiro. Nächst Rio de 
Janeiro ist Säo Paulo die am weitesten ent- 
wickelte Stadt Brasiliens; sie steht auch mit ihrem 
Handel an zweiter Stelle. Viele elektrische Bahnen 
verbinden die einzelnen Stadtteile untereinander, 
und außer der Staatsregierung haben eine ganze 
Anzahl staatlicher und kommunaler Justitute 
(Rechtsschule, Polytechnikum, Lehrerseminar, Phar- 
mazeutische Schule, medizinische Institute usw.) dort 
ihren Sitz. Fast alle in Brasilien arbeitenden 
Banken, auch die Brasilianische Bank für Deutsch- 
land, unterhalten dort Filialen. Eine Anzahl von 
Zeitungen, darunter drei in deutscher Sprache, 
erscheinen am Platze. Auch an Wohltätigkeits- 
anstalten, sowohl staatlichen wie privaten, fehlt 
es nicht; ebenso ist für gutes Trinkwasser durch 
ein Wasserwerk und für Kanalisation gesorgt. Ein 
Elektrizitätswerk sowie eine Gasanstalt liefern 
elektrische Kraft und Beleuchtung. 
Der Staat Säo Paulo unterscheidet sich in 
kultureller Beziehung vorteilhaft von allen an- 
deren Staaten Brasiliens. Obgleich er der Fläche 
nach an neunter Stelle steht, nimmt er mit seinem 
Export den ersten und mit seinem Import den 
zweiten Rang ein. Er ist in 172 Munizipien 
eingeteilt und besitzt außer der Stadt Säo Paulo 
noch einige größere Städte, so z. B. Santos mit 
etwa 60 000 und Campinas mit etwa 40 000 Ein- 
wohnern. Besonders entwickelt ist die Plantagen- 
wirtschaft. Das Hauptprodukt ist der Kaffee, wo- 
von im Jahre 1906 für mehr als 306 000 000 
Milreis exportiert wurden. Zur Hebung der 
Landwirtschaft sind vom Staate verschiedene 
wissenschaftliche Institute geschaffen worden; alle 
diese Institute haben schon bedeutendes geleistet. 
Zu erwähnen sind das Agronomische Institut in 
Campinas, die Landwirtschaftsschule in Piracicaba, 
der Horto Botanico in Säo Paulo und der Tro- 
pische Versuchsgarten in Cubatäo. 
Außer der Kaffeekultur, für die sich der beste 
Boden bei Botu Catu, Riberäo Preto und Cam- 
pinas befindet, werden auf dem Plateau neuer- 
dings Zucker, Baumwolle, Reis, Mais und andere 
Nahrungsmittel in größerem Umfange angebaut. 
In der Niederung dagegen eristieren schon seit 
längerer Zeit ausgedehnte Ananas= und Bananen-= 
pflanzungen und jetzt ist man damit beschäftigt, 
Kakao= und andere Tropenkulturen anzulegen. 
Der bisherige Ackerbauminister Botelho gab sich 
alle erdenkliche Mühe, um eine möglichste Viel- 
seitigkeit im Ackerbau herbeizuführen und den 
Fehlschlägen einer Einzelkultur, z. B. einer lber- 
  
produktion von Kaffec, wie sie in letzter Zeit zu 
verzeichnen war, für die Folge nach Kräften vor- 
zubengen. 
In der Bevölkerung des Staates Säo Paulo 
sind fast alle Kulturnationen vertreten, vor allem 
aber Italiener, Portugiesen und Deutsche. Italien 
stellt das größte Kontingent der Plantagen- 
arbeiter, Portugal die meisten Händler und Hand- 
werker. Uber 30 000 Deutsche sind hier au- 
gesiedelt; sie nehmen teils im Handel hervor- 
ragende Stellen ein, teils sind sie in der 
Plantagenwirtschaft selbständig tätig. So gehört 
die größte Kaffeepflanzung der Welt, im Bezirk 
von Riberäo Preto, mit etwa 7½ Millionen 
Kaffeebäumen, dem Deutschen Francisco Schmidt. 
Von Kolonien, in denen sich seit vielen Jahren 
deutsche, hauptsächlich Landwirtschaft betreibende 
Ansiedler niedergelassen haben, sind Campos 
Salles, Helvetia und Friedburg hervorzuheben. 
Das Deutschtum hat sich sowohl in den Städten, 
wie in diesen Kolonien gut erhalten. Deutsche 
Schulen bestehen an vielen Orten, so z. B. inm 
Säo Paulo und Campinas. An dem letzt- 
genannten Ort sind jedoch bedauerlicherweise zwei 
einklassige Schulen vorhanden, die in Konkurrenz 
deutschen Elementarunterricht erteilen. Es wäre 
erfreulich, wenn diese beiden Schulen sich ver- 
einigen würden, um ihre Leistungen zu steigern. 
Säo Paulo besitzt über 4000 km Eisenbahnen 
in Spurweiten von 60, 100 und 160 cm; sie 
sind überall dem Kaffeebau gefolgt und gehören 
hauptsächlich der Companhia Paulista de Vias 
Ferreas e Fluviaes, der Companhia Mogvana 
de Estrada de Ferro und der Estrada de Ferro 
Uniän Sorrocobana e Vtuna. Während früher 
alle Materialien, Wagen und Lokomotiven vom 
Auslande bezogen wurden, hat sich jetzt sowohl 
die Paulista= wie die Mogyanabahn sehr gut ein- 
gerichtete Eisenbahnwerkstätten gebanut, in denen 
sowohl Wagen wie Lokomotiven hergestellt werden. 
Die Bahnen rentieren fast durchweg sehr gut. 
Freilich sind auch hier die Frachtsätze außer- 
ordentlich hoch; der Verkehr wird dadurch sehr 
zurückgehalten. Bei niedrigeren Frachtsätzen 
würden nicht nur die wertvollen Produkte, wie 
Kaffee usw. zum Transport gelangen, sondern 
auch Holz und andere Bodenprodukte könnten 
vorteilhaft auf den Weltmarkt gebracht werden. 
Schiffahrt wird nur auf einigen kleineren 
Flüssen betrieben, besonders auf denen, die nach 
Westen fließen, z. B. auf dem Rio Tieté, außer- 
dem auf dem Rio Iguape, der sich bei Iguape 
in den Ozean ergiaßt. 
Für die Verbindung mit dem Auslande kommt 
besonders der Hafen von Santos in Betracht. 
Dieser ist vorzüglich geschützt gelegen und hatte 
im Jahre 1906 einen ausländischen Schiffsverkehr
	        
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