Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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leuten wird ferner dadurch ein Schutz gegen Über- 
griffe des Kraalsvaters gewährt, daß sie auf ihren 
Antrag von dem zuständigen Beamten (administrator 
of Native Law) aus dem Kraalsverbande entlassen 
werden können (Code Sec. 215). 
Die pPflichtmäßige Führung seines Amts liegt 
außerdem im eigensten Interesse des Kraalsvaters, 
wenn er sich seine Stellung erhalten will, denn er 
kann von dem Bezirksgericht (Court of Magistrates) 
seiner Stellung entsetzt werden, wenn er sich als 
ungeeignet erweist. Das Gericht kann dann bis 
auf weiteres eine passende Person als Vormund 
für die Kontrolle der Familie und für die Ver- 
waltung des Vermögens des Kraalsvaters bestellen.!) 
Die Stellung des „Kraalhead“ kann nach dem 
Ermessen des genannten Gerichts in jedem Falle 
auch einer Frau übertragen werden.) 
3. Stellung in der Gerichtsverfassung. 
a. Des Häuptlings. 
In der Hand der Häuptlinge war zur Zeit 
ihrer Unabhängigkeit der größte Teil der richter- 
lichen Gewalt vereinigt. Sie entschieden in Zivil- 
und Strassachen sowohl in erster Instanz als auch 
in der Berufungsinstanz gegen Entscheidungen der 
Unterhäuptlinge. Schwerere Verbrechen wurden 
zur Entscheidung meist ohne Zwischeninstanz direkt 
vor den Häuptling gebracht. Er entschied end- 
gültig, wenn über ihm kein Oberhäuptling stand, 
andernfalls konnte bei diesem Berufung gegen die 
Entscheidungen des Häuptlings eingelegt werden.) 
Auch unter der Herrschaft des Code haben die 
Häuptlinge eine nicht unbedentende Jurisdiktion für 
ihr Gebiet 4) behalten. Sie sind zur Entscheidung 
aller Zivilsachen mit Ausnahme der Chesachen?) be- 
rufen, jedoch mit der Einschränkung, daß sie nur 
dann zuständig sind, wenn der Beklagte ein Mit- 
1) Code Sec. 79. Law 10 of 1896 und act 49 of 
1898 Scc. 48. 
2) Code Sec. 78 und die Anmerkung dazu in der 
Ausgabe von Hitchins. 
3) Näheres bei Macleau, S. 11. The Jutircs of 
South Africn. S. 26 f. Sec. 256 des Reports. 
Bei den Gerichtositzungen pflegte der Häuptling 
von seinen Räten umgeben zu sein, die auch teil an 
der Verhandlung nahmen. 
4) Die Territorien, innerhalb welcher Jurisdiktion 
von eingeborenen Häuptlingen ausgcübt werden darf, 
können vom Gouverneur bestimmt werden. Sce. 54 
act 19 of 1898. Die zZuständigkeit der Häuptlinge 
ist keine ausschließliche, neben ihnen sind auch die 
JAlagistrates Courts zuständig. Ugl. Code Sec. 251 
und Ser. 48 The Courts uci# (49 of 1898). 
5) Doch haben sie einen Sühneversuch vorzunehmen. 
Agl. Code Sec. 166. Für Scheidungs= und Nichtig- 
keitstlagen sind die Mugistutes Courts zuständig. Agl. 
Code Sec. 174 und Sec. 18 net 49 ot 1898. War 
die Ehe nach christlichem Ritus geschlossen, so ist der 
JZupreme Coum der Kolonie zuständig. Vgl. Code 
Sec. 175, Sec. 7 act 39 of 1896 und Scc. 12 lam 46 of 
1887. 
  
glied ihres Stammes ist.) Gegen die Ent- 
scheidungen des Häuptlings ist eine Berufung an 
die „Courts of Magistrates“ (Bezirksrichter) ge- 
geben, in deren Jurisdiktionsbereich die Parteien 
wohnen oder die Sache zuerst verhandelt ist.?) 
In Strafsachen übt der Häuptling nicht die 
Funktionen des erkennenden Richters aus, sondern 
hat mehr die Stellung des Untersuchungsrichters. 
Er bereitet das Verfahren vor, indem er jedes Ver- 
brechen und Vergehen, das innerhalb seines Juris- 
diktionsgebiets vorkommt, untersucht und auf Grund 
seiner Ermittlungen an den nächsten Bezirksrichter 
(Magistrate) berichtet. Ferner hat er eines Delikts 
verdächtige Personen festzunehmen und dem Ma- 
gistrate vorführen zu lassen.) 
Endlich hat er auch im allgemeinen den Gerichten 
seine Unterstützung bei der Festnahme von Ver- 
brechern zu gewähren, ohne Rücksicht darauf, ob die 
Tat in seinem Gebiete geschehen ist oder nicht.4) 
Bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat der 
Häuptling insofern mitzuwirken, als er als Ver- 
treter des Oberhäuptlings stellvertretender Ober- 
vormund von Personen ist, die vor dem Gesetz als 
Minderjährige gelten. 
J. Des Distriktshauptmannes. 
Die „districtheadmen“ des Code entsprechen, 
wie bereits erwähnt, etwa den Unterhäuptlingen 
oder Gemeindeältesten. Diese hatten eine gewisse 
Jurisdiktion in Bagatellsachen, jedoch mehr nach Art 
von Schiedsrichtern. Sie konnten die Durchführung 
ihrer Entscheidungen nicht erzwingen. Mißfiel ihre 
Entscheidung, so wurde die Sache vor den Häupt- 
ling gebracht.5) 
Der Code“b) gibt den Distriktshauptleuten in 
der Regel die richterliche Gewalt eines Schieds- 
richters und auch nur in kleineren Streitigkeiten, 
z. B. solchen über Anrechte auf Gartenland oder 
Weidegerechtigkciten. 
1) Code Ser. 19. In Ausübung des Richteramts 
haben die Häuptlinge Privilegien eines kolonialen Ge- 
richtshofes und die Befugnis, Ordnungsstrafen zu 
verhängen. Vgl. Code Sec. 51. 
2) Vgl. Code Sec. 49 und Sec. 56 The Courts act 
1898 (net Nr. 19 ot 1898). 
3) Code Sec. 57. Der Häuptling hat ferner die 
Pflicht, dem Magistrate alle Delikte wie verdächtigen 
Vorkommnisse sofort zu melden. Agl. Code Sec. 60 
und Ser. 8 act 25 of 1902. · 
) Val. Code Sec. 47. Die Übertragung der richter- 
lichen Gewalt in Strafsachen von den Häuptlingen auf ko- 
loniale Beamte ist nach der Meinung der Native Alfairs 
Commission eine richtige Politik, weil die Gerechtigkeit 
der Entscheidung in Strafprogessen mehr verbürg ist, 
wenn sie von juristisch geschulten Kolonialbeamten ge- 
kroffen werden, die kein persönliches Interesse an den 
Geldstrafen und Verwirkungen von Eigentum haben, 
die aus den Prozessen resultieren können (Report 
Scc. 228). 
5) Vgl. Macleau, S. 41, 123. The 
Sonth Africen. S. 26. 
6) Scc. 60. 
Jatives of
	        
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