Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Eingeborenen-Recht der Provinz ist aber auch nach 
diesem Akt noch ein anderes als das der Kolonie, 
denn die Geltung des „Natal Code of Native 
Law“ ist für Zululand durch den genannten Aktt) 
ausdrücklich ausgeschlossen, weil die Zulus ein 
eigenes Rechtssystem ausgebildet hatten.) 
Das Zulu-Recht ist nicht kodifiziert worden, 
aber es hat sich eine Gerichtspraxis ausgebildet 
und diese, wie sie unmittelbar vor Inkrafttreten des 
vorgenannten Akts bestand, ist in ihm „) als Norm 
für die fernere Gültigkeit des Eingeborenen-Rechts 
in Zululand angenommen, soweit nicht der Courts 
act 49 of 1898 und act 1 of 19014), deren 
Geltung durch den Zululand Laws act auf diese 
Provinz übertragen ist, Anderungen zur Folge haben. 
Das formelle Recht der Provinz zeigt eine 
wichtige Abweichung von dem der Kolonie in der 
Erweiterung der gerichtlichen Zuständigkeit der 
Häuptlinge durch Kapitel IV des Courts act 1898. 
Danach sind die Häuptlinge auch in Strassachen 
zur Urteilsfällung bei strafbaren Handlungen, die 
von Angehörigen ihrer Stämme verübt werden, 
wie im Eingeborenen-Recht berufen. Ihre Zuständig- 
keit wird jedoch dadurch sehr stark beschränkt, daß 
eine ganze Reihe von Delikten nach dem Courts 
act vor koloniale Gerichtshöfe gehören. 5) Außer- 
dem sind die Häuptlinge auch für Verbrechen un- 
zuständig, die an sich vor ihr Forum gehörten, aber 
an der Person oder dem Eigentum von Nichtein- 
geborenen verübt sind. Die Häuptlinge haben 
jedoch die Pflicht, Delikte, zu deren Verfolgung sie 
nicht berufen sind, dem zuständigen Magistrate un- 
verzüglich zu melden, und die Befugnis, die Täter 
auch in solchen Fällen festzunehmen und dem 
Magistrate vorführen zu lassen.) 
Für die in Zululand abzuurteilenden Straftaten 
sind dieselben Strafen anzuwenden wie in Natal, 
außer bei solchen strafbaren Handlungen, für die 
eine andere Bestrafung in dem geltenden Recht der 
Provinz Zululand besonders vorgesehen ist.) 
1) Sec. 8. 
2) Die Zulus zeichnen sich durch hohe Intelligenz 
aus und haben einen festen, wenn auch ungeschriebenen 
Rechtskodex ausgebildet. Vgl. S. 58. duestion of 
colour“ — Colquhoun. Renascence of South Africa. 
„Es gibt keinen Mann in Zululand, der das Recht 
nicht kennt, und es ist nie streitig gewesen.“ Häupt- 
ling Cetywayo in der Jative Customs Commission 
vgl. The Natives of South Africau S. 38. Um so 
schwerer wäre es also, das Eingeborenen-Recht in Zulu- 
land beiseite zu schieben, wo es so lebendig ist. 
3) Se.c. 8 cit. 
4) Diese Acts sind bereits oben erwähnt. 
5) z. B. alle mit Todeostrafe bedrohten Verbrechen, 
Zauberei, alle durch Gesetze oder Verordnungen in 
Natal und Zululand unter das Strafgesetz gestellte 
Handlungen, die nach ursprünglichem Kolonialrecht 
oder Zulurecht nicht strafbar waren. Sec. 63 eit. 
6) Vgl. Sec. 67 cit. 
7) Vgl. Sec. 69 cit. 
  
Anhang. 
Strafrecht in den Eingeborenen-Territorien 
der Kapkolonie. 
Eingeborenen-Strafrecht in dem Sinne eines 
von den Eingeborenen selbst ausgebildeten Rechts ist 
in den Eingeborenen-Territorien der Kapkolonie, 
von einer Ausnahme!) abgesehen, nirgends in Kraft 
geblieben. 
Diese Erscheinung läßt sich aus verschiedenen 
Gründen erklären. Während das von den Einge- 
borenen ausgebildete Zivilrecht auf das engste ver- 
knüpft war mit ihren besonderen Lebensverhältnissen, 
die der Gesetzgeber durch eine plötzliche Rechts- 
revolution nicht gut beseitigen durfte, zum Teil auch 
gar nicht zu beseitigen wünschte, war das Strafrecht 
der Eingeborenen in dem Begriff des Strafbaren 
und in den Strafen Ausdruck einer Kuflturstufe, 
welche die koloniale Gesetzgebung in ihrem Be- 
streben, die Eingeborenen zu erzichen, nicht erhalten 
konnte. Es lag auch kein Grund vor, wie etwa im 
Zivilrecht, die Umformung allmählich vorzunehmen, 
denn das Strafrecht bezieht sich nicht auf lebens- 
kräftige Institutionen, sondern behandelt Schäden 
einer Kulturstufe, deren Abänderung den Mitteln 
nach naturgemäß der Erkenntnis des Volkes höherer 
Kultur überlassen bleiben muß. Die von den Ein- 
geborenen angewendeten Strafen dürften nach euro- 
päischen Begriffen ein ausreichendes Mittel solcher 
Art nicht immer bieten, und dürften auch zum Teil 
mit dem Rechtsgefühl der kolonisierenden Nation 
zu stark im Widerspruch stehen. 
Nehmen wir z. B. die Strafen, welche bei den 
Kaffern in British-Kaffraria zur Zeit Macleans 
üblich waren.?) Die Eingeborenen wandten dort 
in der Regel nur Vermögensstrafen an; selbst der 
Mord wurde durch Hingabe einer Anzahl Vieh 
gefühnt. Waren aber bei der Ausführung der Tat 
nach der Auffassung der Eingeborenen Zauberei und 
Hexerei im Spiele, so wurde die Todesstrafe ver- 
hängt und oft erst nach Anwendung furchtbarer 
Foltern 3) gegen den Verdächtigen zur Erpressung 
eines Geständnisses. 
Würden aber nur die Strafen geändert, der 
Begriff des Strafbaren dagegen beibehalten, so 
fehlte es an einem wirksamen Mittel, Gebräuchen 
und Sitten der Eingeborenen, die von ihnen nicht 
als strafbar empfunden werden, von dem Gesetzgeber 
aber als kulturschädlich erkannt sind, zu steuern und 
Verbrechen oder üblen Gewohnheiten, welche die 
1) In British Bechuanaland wird ein begrenzter 
Kreis von Delikten, die zur Zuständigkeit der Häupt- 
linge gehören, unter Ausscheidung einiger Strafarten 
nach Eingeborenen-Recht behandelt. Vgl. Prokl. 2 B. 
B. 1885. 
2) Vgl. Maclean, S. 35. 
2) Vgl. Maclean, S. 90.
	        
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