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Eingeborenen-Recht der Provinz ist aber auch nach
diesem Akt noch ein anderes als das der Kolonie,
denn die Geltung des „Natal Code of Native
Law“ ist für Zululand durch den genannten Aktt)
ausdrücklich ausgeschlossen, weil die Zulus ein
eigenes Rechtssystem ausgebildet hatten.)
Das Zulu-Recht ist nicht kodifiziert worden,
aber es hat sich eine Gerichtspraxis ausgebildet
und diese, wie sie unmittelbar vor Inkrafttreten des
vorgenannten Akts bestand, ist in ihm „) als Norm
für die fernere Gültigkeit des Eingeborenen-Rechts
in Zululand angenommen, soweit nicht der Courts
act 49 of 1898 und act 1 of 19014), deren
Geltung durch den Zululand Laws act auf diese
Provinz übertragen ist, Anderungen zur Folge haben.
Das formelle Recht der Provinz zeigt eine
wichtige Abweichung von dem der Kolonie in der
Erweiterung der gerichtlichen Zuständigkeit der
Häuptlinge durch Kapitel IV des Courts act 1898.
Danach sind die Häuptlinge auch in Strassachen
zur Urteilsfällung bei strafbaren Handlungen, die
von Angehörigen ihrer Stämme verübt werden,
wie im Eingeborenen-Recht berufen. Ihre Zuständig-
keit wird jedoch dadurch sehr stark beschränkt, daß
eine ganze Reihe von Delikten nach dem Courts
act vor koloniale Gerichtshöfe gehören. 5) Außer-
dem sind die Häuptlinge auch für Verbrechen un-
zuständig, die an sich vor ihr Forum gehörten, aber
an der Person oder dem Eigentum von Nichtein-
geborenen verübt sind. Die Häuptlinge haben
jedoch die Pflicht, Delikte, zu deren Verfolgung sie
nicht berufen sind, dem zuständigen Magistrate un-
verzüglich zu melden, und die Befugnis, die Täter
auch in solchen Fällen festzunehmen und dem
Magistrate vorführen zu lassen.)
Für die in Zululand abzuurteilenden Straftaten
sind dieselben Strafen anzuwenden wie in Natal,
außer bei solchen strafbaren Handlungen, für die
eine andere Bestrafung in dem geltenden Recht der
Provinz Zululand besonders vorgesehen ist.)
1) Sec. 8.
2) Die Zulus zeichnen sich durch hohe Intelligenz
aus und haben einen festen, wenn auch ungeschriebenen
Rechtskodex ausgebildet. Vgl. S. 58. duestion of
colour“ — Colquhoun. Renascence of South Africa.
„Es gibt keinen Mann in Zululand, der das Recht
nicht kennt, und es ist nie streitig gewesen.“ Häupt-
ling Cetywayo in der Jative Customs Commission
vgl. The Natives of South Africau S. 38. Um so
schwerer wäre es also, das Eingeborenen-Recht in Zulu-
land beiseite zu schieben, wo es so lebendig ist.
3) Se.c. 8 cit.
4) Diese Acts sind bereits oben erwähnt.
5) z. B. alle mit Todeostrafe bedrohten Verbrechen,
Zauberei, alle durch Gesetze oder Verordnungen in
Natal und Zululand unter das Strafgesetz gestellte
Handlungen, die nach ursprünglichem Kolonialrecht
oder Zulurecht nicht strafbar waren. Sec. 63 eit.
6) Vgl. Sec. 67 cit.
7) Vgl. Sec. 69 cit.
Anhang.
Strafrecht in den Eingeborenen-Territorien
der Kapkolonie.
Eingeborenen-Strafrecht in dem Sinne eines
von den Eingeborenen selbst ausgebildeten Rechts ist
in den Eingeborenen-Territorien der Kapkolonie,
von einer Ausnahme!) abgesehen, nirgends in Kraft
geblieben.
Diese Erscheinung läßt sich aus verschiedenen
Gründen erklären. Während das von den Einge-
borenen ausgebildete Zivilrecht auf das engste ver-
knüpft war mit ihren besonderen Lebensverhältnissen,
die der Gesetzgeber durch eine plötzliche Rechts-
revolution nicht gut beseitigen durfte, zum Teil auch
gar nicht zu beseitigen wünschte, war das Strafrecht
der Eingeborenen in dem Begriff des Strafbaren
und in den Strafen Ausdruck einer Kuflturstufe,
welche die koloniale Gesetzgebung in ihrem Be-
streben, die Eingeborenen zu erzichen, nicht erhalten
konnte. Es lag auch kein Grund vor, wie etwa im
Zivilrecht, die Umformung allmählich vorzunehmen,
denn das Strafrecht bezieht sich nicht auf lebens-
kräftige Institutionen, sondern behandelt Schäden
einer Kulturstufe, deren Abänderung den Mitteln
nach naturgemäß der Erkenntnis des Volkes höherer
Kultur überlassen bleiben muß. Die von den Ein-
geborenen angewendeten Strafen dürften nach euro-
päischen Begriffen ein ausreichendes Mittel solcher
Art nicht immer bieten, und dürften auch zum Teil
mit dem Rechtsgefühl der kolonisierenden Nation
zu stark im Widerspruch stehen.
Nehmen wir z. B. die Strafen, welche bei den
Kaffern in British-Kaffraria zur Zeit Macleans
üblich waren.?) Die Eingeborenen wandten dort
in der Regel nur Vermögensstrafen an; selbst der
Mord wurde durch Hingabe einer Anzahl Vieh
gefühnt. Waren aber bei der Ausführung der Tat
nach der Auffassung der Eingeborenen Zauberei und
Hexerei im Spiele, so wurde die Todesstrafe ver-
hängt und oft erst nach Anwendung furchtbarer
Foltern 3) gegen den Verdächtigen zur Erpressung
eines Geständnisses.
Würden aber nur die Strafen geändert, der
Begriff des Strafbaren dagegen beibehalten, so
fehlte es an einem wirksamen Mittel, Gebräuchen
und Sitten der Eingeborenen, die von ihnen nicht
als strafbar empfunden werden, von dem Gesetzgeber
aber als kulturschädlich erkannt sind, zu steuern und
Verbrechen oder üblen Gewohnheiten, welche die
1) In British Bechuanaland wird ein begrenzter
Kreis von Delikten, die zur Zuständigkeit der Häupt-
linge gehören, unter Ausscheidung einiger Strafarten
nach Eingeborenen-Recht behandelt. Vgl. Prokl. 2 B.
B. 1885.
2) Vgl. Maclean, S. 35.
2) Vgl. Maclean, S. 90.