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halten, hat nun schon jetzt die Eifersucht der ver-
schiedenen Kandidaten für den Posten erregt, nach-
dem Mataafa im vorigen Jahre lebensgefährlich
erkrankt war, und die Samoaner mit seinem Tode
zu rechnen angefangen hatten. Durch das Be-
streben der einzelnen Parteien, die hinter den
verschiedenen Kandidaten stehen, ihren künftigen
Bewerber als Alii Sili zu wissen, ist eine natür-
liche Beunruhigung in die samoanischen Gemüter
gefahren. Diese Bewegung hat durchaus keine
regierungsfeindliche Tendenz. Die Parteien beab-
sichtigen lediglich, sich darüber auseinanderzusetzen,
welchen von den in Frage kommenden Häupt-
lingen königlichen Geblüts sie der Kaiserlichen
Regierung als Nachfolger Mataafas in Vorschlag
bringen sollen.
Neben dieser an sich harmlosen Bewegung,
die nur dadurch einige temperamentvolle Akzente
erhalten hat, daß Mataafa selbst für den Sohn
des früheren Königs Malietoa Talavou, Fa'alata,
Propaganda macht und ein Testament zu seinen
Gunsten in Bereitschaft halten soll, geht eine
andere echt samoanische Bewegung, die eine un-
verkennbare weißenfeindliche Tendenz zeigt und
sich als eine Wiederholung oder Fortsetzung der
Bewegung des Jahres 1904 darstellt. Wie im
Jahre 1904 die Gründung des Kopraverkaufs-
syndikats der Deckmantel für die reaktionären
Bestrebungen des Sprecherverbandes, genannt
Tumua und Pule, bildete, so wurde bei der
gegenwärtigen Bewegung das patriotische Fest zu
Ehren der Verheiratung und der Rückkehr des
Gouverneurs als offizielles Losungswort aus-
gegeben. In der Tat ist aber, herausgeschält aus
allen nebensächlichen Umständen und Vorkomm-
nissen, folgendes der Kern der Bewegung:
Der sogenannte samoanische König war stets
das Produkt des großen Kartellverbandes der
Sprecherhäuptlinge der politischen Vororte Leulu-
moega, Lufilusi (Tumua) und Safotulafai (Pule).
Tumua und Pule waren die Königsmacher und
die eigentlichen Herrscher über die samoanischen
Inseln. Seit Jahrzehnten waren Tumua und
Pule die Ursache der nie aufhörenden Kriege und
Feindseligkeiten unter den großen Häuptlings-
familien des Landes. Nachdem der Gouverneur
die Schädlichkeit dieser Einrichtung für die fried-
liche Entwicklung des Landes erkannt hatte, hatte
er im Jahre 1905 die Herrschaft von Tumua
und Pule gestürzt und an ihrer Stelle eine euro-
päischen Verwaltungsgepflogenheiten angepaßte,
auf patriarchalischer Grundlage beruhende neue
Regierungsform eingerichtet. Es war natürlich
nicht zu erwarten, daß eine so einschneidende
Anderung in den Machtverhältnissen der leitenden
Häuptlinge mit einem Federstrich lebensfähig
werden und ohne andauernde Kontrolle und ge-
legentliches energisches Nachhelfen von Bestand
sein konnte.
Der Versuch, die Herrschaft von Tumua und
Pule wieder aufleben zu lassen, ist dann auch
wiederholt unternommen, vom Gouverneur aber
stets im Keime erstickt worden.
Während der Abwesenheit des Gouverneurs
von seinem Posten im vorigen Jahre hatte der
hohe Sprecherhäuptling Lauati von Sawaii, der
oberste Vertreter von Pule, im stillen und sehr
geschickt zugunsten von Tumua und Pule Propa-
ganda gemacht. Nach Beendigung des Fonos
des Malo (der Versammlung der samoanischen
Distriktsvertreter) am 14. August v. Is. besuchte
Lauati, nachdem er der Majorität von Sawaii
bereits sicher war, den Distrikt von Atua und die
Ortschaften Safata und Siumu des Distriktes Tua-
masaga. Auf dieser Reise machte Lauati den
ersten Versuch, auch die Insel Upolu für seinen
Plan zu gewinnen. Da aber die verschiedenen
Ortschaften und Distrikte, je nach ihrer Angliede-
rung an die großen Familienverbände, verschiedene
politische Interessen verfolgen, mußte Lauati den
einzelnen Gruppen auch verschiedene Köder hin-
werfen, um sie sämtlich zu fangen. Den An-
hängern des Kandidaten Tanu versprach er, daß
er für Tanu kämpfen würde. Entsprechende Zu-
sicherungen machte er den Familienverbänden der
übrigen hohen Häuptlinge, Tamasese, Faalata
und Tuimalealiifano! Den hohen Häuptlingen
selbst versprach er, daß er für die Gewährung
reichlicher Gehälter an sie Sorge tragen werde.
Den politisch Indifferenten und der breiten Masse
des Volkes stellte er in zündenden Reden vor,
daß die Kopfsteuer die Samoaner zu eklaven
erniedrige, und daß die Weißen die jungen Leute
in den Dörfern wie die Chinesen zu Kulidiensten
zwingen würden. Den stets unzuverlässigen alten
Herrn Mataafa hatte er im Anfang der Bewegung
dadurch gewonnen, daß er, seiner Eitelkeit
schmeichelnd, ihm versprach, Salutschüsse und seine
Anerkennung als König durchzusetzen. Alle diese
Forderungen (samoanisch: mau), die unter dem
Namen „ Lauati ma le Maus sprichwörtlich ge-
worden sind, sollten dem Gouverneur am Tage
seiner Ankunft in der Form einer als Empfangs-
feierlichkeit geplanten Massendemonstration von
ganz Samoa vorgetragen werden. Den wahren
Sinn des Lauatischen Planes kannte nur er und
eine kleine Schar Eingeweihter. Viele gingen
mit ihm, ohne zu wissen warum, und die meisten
glaubten sicher, es handle sich wirklich um ein
loyales Fest zu Ehren des Gouverneurs. Der
wahre Sinn des Lauatischen Planes war aber:
Tumua und Pule reüivivi und Malietoa (Tanu)
als König! Lanuati ist traditionell der Hüter über
den Namen Malieton. Daß er 1898 mit Ma-