Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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halten, hat nun schon jetzt die Eifersucht der ver- 
schiedenen Kandidaten für den Posten erregt, nach- 
dem Mataafa im vorigen Jahre lebensgefährlich 
erkrankt war, und die Samoaner mit seinem Tode 
zu rechnen angefangen hatten. Durch das Be- 
streben der einzelnen Parteien, die hinter den 
verschiedenen Kandidaten stehen, ihren künftigen 
Bewerber als Alii Sili zu wissen, ist eine natür- 
liche Beunruhigung in die samoanischen Gemüter 
gefahren. Diese Bewegung hat durchaus keine 
regierungsfeindliche Tendenz. Die Parteien beab- 
sichtigen lediglich, sich darüber auseinanderzusetzen, 
welchen von den in Frage kommenden Häupt- 
lingen königlichen Geblüts sie der Kaiserlichen 
Regierung als Nachfolger Mataafas in Vorschlag 
bringen sollen. 
Neben dieser an sich harmlosen Bewegung, 
die nur dadurch einige temperamentvolle Akzente 
erhalten hat, daß Mataafa selbst für den Sohn 
des früheren Königs Malietoa Talavou, Fa'alata, 
Propaganda macht und ein Testament zu seinen 
Gunsten in Bereitschaft halten soll, geht eine 
andere echt samoanische Bewegung, die eine un- 
verkennbare weißenfeindliche Tendenz zeigt und 
sich als eine Wiederholung oder Fortsetzung der 
Bewegung des Jahres 1904 darstellt. Wie im 
Jahre 1904 die Gründung des Kopraverkaufs- 
syndikats der Deckmantel für die reaktionären 
Bestrebungen des Sprecherverbandes, genannt 
Tumua und Pule, bildete, so wurde bei der 
gegenwärtigen Bewegung das patriotische Fest zu 
Ehren der Verheiratung und der Rückkehr des 
Gouverneurs als offizielles Losungswort aus- 
gegeben. In der Tat ist aber, herausgeschält aus 
allen nebensächlichen Umständen und Vorkomm- 
nissen, folgendes der Kern der Bewegung: 
Der sogenannte samoanische König war stets 
das Produkt des großen Kartellverbandes der 
Sprecherhäuptlinge der politischen Vororte Leulu- 
moega, Lufilusi (Tumua) und Safotulafai (Pule). 
Tumua und Pule waren die Königsmacher und 
die eigentlichen Herrscher über die samoanischen 
Inseln. Seit Jahrzehnten waren Tumua und 
Pule die Ursache der nie aufhörenden Kriege und 
Feindseligkeiten unter den großen Häuptlings- 
familien des Landes. Nachdem der Gouverneur 
die Schädlichkeit dieser Einrichtung für die fried- 
liche Entwicklung des Landes erkannt hatte, hatte 
er im Jahre 1905 die Herrschaft von Tumua 
und Pule gestürzt und an ihrer Stelle eine euro- 
päischen Verwaltungsgepflogenheiten angepaßte, 
auf patriarchalischer Grundlage beruhende neue 
Regierungsform eingerichtet. Es war natürlich 
nicht zu erwarten, daß eine so einschneidende 
Anderung in den Machtverhältnissen der leitenden 
Häuptlinge mit einem Federstrich lebensfähig 
werden und ohne andauernde Kontrolle und ge- 
  
legentliches energisches Nachhelfen von Bestand 
sein konnte. 
Der Versuch, die Herrschaft von Tumua und 
Pule wieder aufleben zu lassen, ist dann auch 
wiederholt unternommen, vom Gouverneur aber 
stets im Keime erstickt worden. 
Während der Abwesenheit des Gouverneurs 
von seinem Posten im vorigen Jahre hatte der 
hohe Sprecherhäuptling Lauati von Sawaii, der 
oberste Vertreter von Pule, im stillen und sehr 
geschickt zugunsten von Tumua und Pule Propa- 
ganda gemacht. Nach Beendigung des Fonos 
des Malo (der Versammlung der samoanischen 
Distriktsvertreter) am 14. August v. Is. besuchte 
Lauati, nachdem er der Majorität von Sawaii 
bereits sicher war, den Distrikt von Atua und die 
Ortschaften Safata und Siumu des Distriktes Tua- 
masaga. Auf dieser Reise machte Lauati den 
ersten Versuch, auch die Insel Upolu für seinen 
Plan zu gewinnen. Da aber die verschiedenen 
Ortschaften und Distrikte, je nach ihrer Angliede- 
rung an die großen Familienverbände, verschiedene 
politische Interessen verfolgen, mußte Lauati den 
einzelnen Gruppen auch verschiedene Köder hin- 
werfen, um sie sämtlich zu fangen. Den An- 
hängern des Kandidaten Tanu versprach er, daß 
er für Tanu kämpfen würde. Entsprechende Zu- 
sicherungen machte er den Familienverbänden der 
übrigen hohen Häuptlinge, Tamasese, Faalata 
und Tuimalealiifano! Den hohen Häuptlingen 
selbst versprach er, daß er für die Gewährung 
reichlicher Gehälter an sie Sorge tragen werde. 
Den politisch Indifferenten und der breiten Masse 
des Volkes stellte er in zündenden Reden vor, 
daß die Kopfsteuer die Samoaner zu eklaven 
erniedrige, und daß die Weißen die jungen Leute 
in den Dörfern wie die Chinesen zu Kulidiensten 
zwingen würden. Den stets unzuverlässigen alten 
Herrn Mataafa hatte er im Anfang der Bewegung 
dadurch gewonnen, daß er, seiner Eitelkeit 
schmeichelnd, ihm versprach, Salutschüsse und seine 
Anerkennung als König durchzusetzen. Alle diese 
Forderungen (samoanisch: mau), die unter dem 
Namen „ Lauati ma le Maus sprichwörtlich ge- 
worden sind, sollten dem Gouverneur am Tage 
seiner Ankunft in der Form einer als Empfangs- 
feierlichkeit geplanten Massendemonstration von 
ganz Samoa vorgetragen werden. Den wahren 
Sinn des Lauatischen Planes kannte nur er und 
eine kleine Schar Eingeweihter. Viele gingen 
mit ihm, ohne zu wissen warum, und die meisten 
glaubten sicher, es handle sich wirklich um ein 
loyales Fest zu Ehren des Gouverneurs. Der 
wahre Sinn des Lauatischen Planes war aber: 
Tumua und Pule reüivivi und Malietoa (Tanu) 
als König! Lanuati ist traditionell der Hüter über 
den Namen Malieton. Daß er 1898 mit Ma-
	        
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