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beleuchtung, öffentliche Anlagen, öffentliche Ge-
bäude, städtische Eingeborenen-Musikkapelle.
Wenden wir uns jetzt speziell zur Organisation
der hygienischen Arbeiten in der Kolonie. Es
stehen ihr zur Zeit 21 Arzte zur Verfügung, von
denen 10 Militärärzte und 11 Zidvilärzte sind;
letztere sind die médecins de T’assistance indigene.
Drei Arzte sind am Orte Conakry tätig, alle
übrigen verteilen sich über das ganze Land, das
also — das Verhältnis der Einwohnerzahl zur
Arztezahl oder auch die Größe des Landes dem
Vergleiche zugrunde gelegt — mehr als doppelt
so stark mit Arzten versorgt ist, wie unsere west-
afrikanischen Schutzgebiete. Kamerun würde mit
40, Togo mit 10 Arzten die Stufe erreicht haben,
auf der die Cöte de Guinée jetzt steht. Das
klare und einfache Ziel, das in der ärztlichen
Versorgung dieser Kolonie angestrebt und im
nächsten Jahre bereits wirklich erreicht wird, ist
das, jedem einzelnen Bezirke neben seiner Ver-
waltungsbehörde einen Arzt zu geben. Während
noch im Jahre 1903 nicht mehr als fünf Arzte
in der Kolonie waren, hat sich die Zahl inner-
halb der letzten sechs Jahre mehr als vervierfacht,
und wird im nächsten Jahre auf die Höhe von
23 gebracht sein, um von da ab nur noch in
dem Maße vermehrt zu werden, in dem neue
Bezirke entstehen. Neben einer großen Hospital=
anlage in Conakry hat man bisher in fünf In-
landsplätzen des Landes Polikliniken für Ein-
geborene eingerichtet, deren Zahl jährlich um
mindestens zwei vermehrt werden soll, bis jeder
Arzt über eine solche verfügt. Von der Ein-
führung eingeborener Hilfsärzte und Hebammen
hat man hier völlig abgesehen, weil man zu der
Überzeugung kam, daß das Niveau der hiesigen
Eingeborenen nicht hoch genug ist, um diesen
Versuch erfolgreich durchzuführen. Man hat sich
deshalb begnügt, Eingeborene zu Lazarettgehilfen
auszubilden, die in ihren Fertigkeiten und in den
ihnen anvertrauten Dienstobliegenheiten etwa auf
derselben Stufe skehen, wie die unseren in Togo
und Kamecun.
Die Gesamtleitung des ärztlichen Dienstes
liegt in der Hand des Chek du Service de Santé
mit dem Sitz in Conakry, zur Zeit des Dr. Blin,
médecin major de premieère classe (Oberstabs-
arzt). Seiner Liebenswürdigkeit verdanke ich einen
großen Teil meiner Informationen.
In welchem Rahmen bewegt sich nun die
praktische Arbeit der hiesigen Arzte? Ich will bei
Beantwortung dieser Frage von der persönlichen
ärztlichen Praxis, deren Erfüllung ihnen natürlich
in gleicher Weise wie bei uns den Arzten obliegt,
absehen und will die Aufmerksamkeit vornehmlich
auf ihre amtsärztliche Tätigkeit richten. Als
charakteristisches, überall in die Erscheinung tre-
tendes Merkmal der französischen Kolonialverwal-
tung, das sich natürlich auch im Medizinalwesen
geltend macht, kann man hinstellen: Aufstellung
des Aktionsprogramms durch die zentrale Ober-
leitung, aber freie Ausführung durch die einzelnen
Dienststellen. Das heißt: das Generalgouverne-
ment zeigt die Ziele, während den einzelnen Ko-
lonien und deren Ressorts völlig freie Wahl der
Wege bleibt, auf denen sie diese Ziele erreichen
wollen. Um aber vor der praktischen Durchführung
eines Planes eine möglichst gründliche Durch-
beratung zu ermöglichen, und um gleichzeitig auch
breite Schichten der ansässigen Europäer für kolo-
niale Fragen zu interessieren, sie an ihrer Lösung
mitarbeiten zu lassen und sie dadurch für diese
mitverantwortlich zu machen, wird in den fran-
zösischen Kolonien in ausgedehntem Maße eine
Methode geübt, die bei uns vorläufig wenig Ein-
gang gefunden hat, die Vorberatung bzw. Bearbei-
tung wichtiger Projekte durch Kommissionen. Solche
Kommissionen gibt es in großer Zahl, teils in
dauernder Funktion, teils für einen bestimmten
Einzelzweck gebildet. Wie in allen anderen Dienst-
zweigen spielen sie im Sanitätsdienst der west-
afrikanischen französischen Kolonien eine wesentliche
Rolle. Am Sitz des Generalgouvernements in
Dakar tagt alljährlich einmal unter dem Vorsitz
des Generalgouverneurs selbst das Comité supé-
rieur d’hygièene. Es besteht aus einer Anzahl
wirklicher Mitglieder (membres titulaires) und
einer Anzahl für die betreffende Tagung vom
Vorsitzenden bestimmter Teilnehmer (membres ad
hoc). Diese Körperschaft legt lediglich die großen
Ziele fest, die in der hygienischen Arbeit der Ko-
lonie im kommenden Jahre erstrebt werden sollen.
Die Tatsache, daß der Generalgouverneur persönlich
in ihr den Vorsitz führt, zeigt, welche Bedeutung
man hier hygienischen Fragen beilegt. Ich habe
ganz im allgemeinen den Eindruck gewonnen,
als wenn, weit mehr noch als bei uns, die
Assanierungsbestrebungen im Vordergrunde der
kolonialen Politik ständen. Die Berechtigung dieser
meiner Behauptung wird sich, hoffe ich, aus der
Summe meiner nachfolgenden Darlegungen des
näheren erweisen. Als ich einem Oberbeamten
gelegentlich die Frage vorlegte, welchen Haupt-
zielen wohl die französische Kolonialverwaltung
in Westafrika nachgehe, nannte er mir die vom
jetzigen Generalgouverneur in einem Programm
unlängst aufgestellten beiden Zielpunkte: Handels-
wege schaffen und assanieren.
Außer dem eben erwähnten Comité supérieur
des Generalgouvernements hat jede Kolonie ein
eigenes Comité d'’hygiène. Dieses setzt sich in
der Cöte de Guinée aus 15 Mitgliedern zu-
sammen: dem Chefarzt als Vorsitzenden, den
beiden anderen Arzten Conakrys, zwei Referenten