Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

G 680 20 
Krbeiterverordnung für das Schutzgebiet Kamerun. 
Vom 24. Mai 1909. 
Auf Grund des § 15 des Schutzgebietsgesetzes (Reichs-Gesetzbl. 1900, S. 813) in Verbindung 
mit § 5 der Verfügung des Reichskanzlers vom 27. September 1903 (Kol. Bl. S. 509) und §§ 1, 2 
der Kaiserlichen Verordnung, betreffend die Einrichtung der Verwaltung und die Eingeborenen- 
Rechtspflege in den afrikanischen und Südsee-Schutzgebieten vom 3. Juni 1908 (Reichs-Gesetzbl. 
S. 397) wird hierdurch mit Zustimmung des Reichskanzlers (Reichs-Kolonialamt) verordnet, was folgt: 
§& 1. Die Anwerbung von Eingeborenen des Schutzgebiets Kamerun zur Verwendung als 
Arbeiter in inländischen landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Unternehmungen 
aller Art, mit Ausnahme reiner Handelsbetriebe oder den mit einer solchen Unternehmung zusammen- 
hängenden inländischen Nebenbetrieben, ist nur auf Grund einer schriftlichen Erlaubnis des Gouverneurs 
(Anwerbeschein) statthaft, sofern es sich dabei nicht lediglich um Einwohner benachbarter Ortschaften 
handelt. 
Unter Anwerbung ist jede auf Beschaffung von Arbeitern gerichtete selbständige oder von 
einer Unternehmung veranlaßte Tätigkeit zu verstehen, sofern sie sich ganz oder teilweise innerhalb 
des Stammesgebiets der Arbeiter abspielt. Jedoch sollen farbige Angestellte, welche lediglich innerhalb 
ihrer engeren Stammesgenossenschaft anwerben, von der Verpflichtung zur Beschaffung eines Anwerbe- 
scheines befreit, dafür aber gehalten sein, sich vor Ausführung von Arbeitern aus ihrem Verwaltungs- 
bezirke bei dem Bezirksleiter mit den auszuführenden Arbeitern persönlich zu melden. 
Als Anwerbung ist es nicht zu betrachten, wenn eine Unternehmung freiwillig bei ihr sich 
meldende Arbeiter annimmt. 
§ 2. Anträge auf Erteilung eines Anwerbescheins sind schriftlich bei dem Gouvernement 
zu stellen. Aus dem Antrag soll hervorgehen: 
1. die Zahl der gewünschten Arbeiter, 
2. die Namen der gewählten Anwerbungsbezirke, möglichst unter Angabe der Anzahl 
der aus den einzelnen Bezirken anzuwerbenden Arbeiter, 
3. der Tag, von welchem ab der Schein Gültigkeit haben soll, 
4. die voraussichtliche Dauer der Anwerbung, 
5. die beabsichtigte Verwendung der anzuwerbenden Arbeiter. 
Der Anwerbeschein wird nur für bestimmte Bezirke, für eine bestimmte Anzahl von Ein- 
geborenen und für die in dem Anwerbeschein bezeichnete Gültigkeitsdauer, die in der Regel 
sechs Monate beträgt, erteilt. Bei Anwerbung aus mehreren Verwaltungsbezirken muß aus dem 
Anwerbeschein hervorgehen, wieviel Arbeiter aus jedem Bezirk angeworben werden dürfen. 
§ 3. Der Erlaubnisschein darf nur versagt werden aus Gründen des öffentlichen Interesses, 
insbesondere bei Gefahr von Seuchen, Unruhen oder der Erschöpfung der für den Anwerbebezirk not- 
wendigen Arbeitskräfte, oder aus Gründen, die in der Person des Anwerbers liegen. Als ein in 
der Person des Anwerbers liegender Grund ist es anzusehen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die 
Besorgnis rechtfertigen, daß durch die Anwerbetätigkeit das öffentliche Interesse gefährdet werde. 
Die Gründe sind dem Antragsteller schriftlich mitzuteilen. 
Ein Anwerbeschein soll im allgemeinen nur Nichteingeborenen, ausnahmsweise auch Ein- 
geborenen, soweit sie in Diensten einer der in § 1 genannten Unternehmungen stehen, erteilt werden. 
§ 4. Der Anwerbeschein kann durch Verfügung des Gouverneurs oder in dringenden 
Fällen durch Verfügung des Bezirksleiters unter Angabe der Gründe ganz oder teilweise zurück- 
genommen werden, wenn der Anwerber sich nachträglich eines durch das Reichs-Strafgesetzbuch unter 
Strafe gestellten Verbrechens oder Vergehens schuldig macht, oder wenn Tatsachen vorliegen, welche 
die Fortsetzung seiner Werbetätigkeit im öffentlichen Interesse verbieten. 
§ 5. Der Anwerber hat sich vor Beginn der Werbetätigkeit bei dem Leiter des Werbe- 
bezirks zu melden und dessen Weisungen bezüglich des Anwerbegebiets einzuhalten. Der Bezirksleiter 
hat bei Gefahr im Verzuge das Recht, die Anwerbung in einzelnen Teilen seines Verwaltungsbezirks 
zu verbieten oder die Anwerbung auf eine geringere als die in dem Anwerbeschein festgesetzte Zahl 
zu beschränken. Die Gründe hierfür sind dem Anwerber schriftlich mitzuteilen. 
§ 6. Als Arbeiter dürfen nur gesunde und arbeitsfähige Leute angeworben werden. Ins- 
besondere ist die Annahme von mit Lepra Behafteten verboten.
	        
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