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Ich erklärte den Häuptlingen von Loniu und
Papitalai, daß alle vergangenen Streitigkeiten
vergessen sein sollten, und daß eine Bestrafung
nicht erfolgen werde.
Der bisher im Besitze des Pominis befindliche
Winchester befand sich in Papitalai im Hause des
Häuptlings Songan. Dieser erklärte sich zur
Auslieferung bereit. Da „Seestern“, welcher von
Potomo her schon wieder in Sicht kam, nicht so
lange vor Lonin liegen bleiben konnte, bis das
Gewehr von Papitalai herbeigeholt wurde, befahl
ich Songan, das Gewehr am nächsten Tage, an
welchem „Seestern“ wieder vorfahren würde, aus-
zuliefern. Um die Auslieferung zu sichern, setzte
ich von sechs auf dem „Seestern“ befindlichen
Soldaten aus Loniu, welche nach erfüllter Ver-
tragszeit in Loniu abgesetzt werden sollten, nur
einen an Land, während die übrigen erst am
nächsten Tage, nach erfolgter Auslieferung des
Gewehres, ausgeschifft werden sollten.
„Seestern“ fuhr gegen 3 Uhr nachmittags
weiter nach der kleinen, mit einer Hernsheimschen
Station besetzten Insel Komuli, wo wir kurz nach
Einbruch der Dunkelheit ankamen. Dort wurden
zwei Hernsheimsche Angestellte ausgeschifft und
einer an Bord genommen. An Land zu gehen,
bot sich keine Gelegenheit, da wir am nächsten
Morgen schon bei Tagesanbruch weiterfahren
wollten.
Wir verließen Komuli morgens gegen 6 Uhr
und kamen um 8 Uhr vormittags an der Süd-
westspitze von Lambutjo (Jesus Maria-Insel) an.
Dort ließ ich mich mit dem Polizeimeister, dem
zweiten Offizier, der Truppe und den Paak-Leuten,
verteilt auf einen Kutter und die Jolle des
„Seestern“, an Land setzen, während „Seestern“
nach Loniu weiterfuhr und uns im Laufe des
Nachmittags wieder abholen sollte. An Bord
des „Seestern“ befanden sich die Lambutjo-Leute,
welche gelegentlich der letzten Expedition im No-
vember 1907 gefangen genommen und bisher in
Herbertshöhe als Geiseln zurückbehalten worden
waren. Von diesen nahm ich zwei mit an Land,
damit sie mir bei der Wegnahme der Gewehre
behilflich sein sollten. Die übrigen blieben auf
„Seestern“ zurück und sollten erst nach erfolgter
Herausgabe der Gewehre ausgeschifft werden.
Am Ufer erwarteten uns mehrere Eingeborene.
Sie gehörten zum Stamme des Häuptlings Bopusui,
dessen Pfahldorf Balamot im Jahre 1907 ab-
gebrannt worden war. Boposui hatte inzwischen
an die Hamburger Südsee-Expedition, welche mit
ihrem Dampfer „Peiho“ im November 1908 nach
Lambutjo kam, drei Gewehre ausgeliefert. Nach
der Zerstörung seines Dorfes hatte sich Bopusui
an der Südküste der Jusel, gegenüber der kleinen
Insel Achum, ein neues Dorf, Galingai, errichtet.
Wir trafen Bopusui in diesem Dorfe an. Er er-
klärte auf Befragen, daß er nur mehr ein Gewehr,
aber keine Patronen besitze, und daß die übrigen
Gewehre sich auf anderen, weit entfernten Teilen
der Insel befänden.
Während der Verhandlungen mit Boposui
hatten einige Soldaten im Busch einen mit einem
Karabiner bewaffneten Soldaten entdeckt, der, als
er die Soldaten erblickte, auf sie anlegte. Er
wurde jedoch, bevor er schießen konnte, ergriffen
und ihm der Karabiner, der mit einer Patrone
geladen war, abgenommen. Bopusui erklärte, es
sei der ihm gehörige Karabiner. Als ich ihm
jedoch vorhielt, daß der Karabiner geladen sei,
er aber behauptet habe, keine Patronen mehr zu
besitzen, wurde er verlegen. Sein Verhalten be-
stärkte mich in der Annahme, daß sich auch die
übrigen Schußwaffen in der Nähe befänden. Ich
ließ deshalb Bopusui und seine Leute umzingeln
und erklärte ihnen, daß ich sie alle als Gefangene
nach Herbertshöhe mitnehmen würde, wenn nicht
sämtliche Gewehre sofort zur Stelle gebracht würden.
Bopusui entsandte daraufhin zwei seiner Leute
in den Busch, um die Gewehre zu holen. Die
Leute kamen nach sehr kurzer Zeit wieder zurück
und brachten zwei weitere Eingeborene an, von
deuen jeder einen Karabiner, aber keine Patronen
mithatte. Der eine der Leute gab an, er habe
seine Patrontasche aus Angst weggeworfen, als
die nach ihm ausgeschickten Leute gekommen seien.
Auf die Aufforderung, die Patrontasche zu holen,
erwiderte er, er wisse nicht mehr, wo er sie weg-
geworfen habe. Ich ließ den Mann hierauf von
zwei Soldaten in die Mitte nehmen und schickte
ihn auf die Suche. Die Soldaten kamen bald
zurück mit der Patrontasche, die der Mann sorg-
fältig am Stamme eines Baumes verborgen hatte.
Die erbeuteten Gewehre befanden sich sämtlich
in sehr gutem Zustande und waren sorgfältig
eingeöblt. Die Eingeborenen benutzten hierzu
Palmöl, von welchem uns eine Flasche, die als
Gewehröl bestimmt war, ausgeliefert wurde. Es
waren sämtlich Karabiner deutschen Modells, die
die Eingeborenen bei früheren Uberfällen auf
Segelschiffe der Firma Hernsheim & Co. erbeutet
hatten. Die Patrontasche enthielt acht Karabiner=
patronen und sieben Patronen kleineren Kalibers,
welche vermutlich zu dem im Jahre 1907 aus-
gelieferten Revolver gehörten. Die Eingeborenen
gaben an, daß sich diese letzteren Patronen, wenn
man die Hülse mit Rotang umwickle, auch für
die Karabiner verwenden ließen. Tatsächlich
bewies ein Versuch, daß die Patronen, wenn man
sie etwas verstärkte, sehr gut zum Schießen aus
dem Karabiner brauchbar waren.