Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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starker Regengüsse nach Schätzung etwa 2 bis 3m 
unter der höchsten scheinbar erreichten Höhe') 
stand, verengte sich auf der ersten Strecke von 
25 sm bis etwa 600 bis 800 m, um bis zum 
Endpunkte der Fahrt (183 sm, d. i. etwa eine 
Stecke den Rhein hinauf bis Straßburg) eine 
Breite nicht unter 200 m zu behalten. 
Die ersten 20 sm des Ufergebietes zeigten ein 
ausgesprochenes Sumpfland, in dem allerdings 
bereits einige Pfahldörfer der Eingeborenen zu 
finden sind. Weiter stromaufwärts werden die 
Ufer etwas höher, sämtliche Dörfer bis etwa auf 
120 sm stromaufwärts waren indes auf Erd- 
wellen mit sehr starken Pfahlbauten angelegt, 
was auf die Häufigkeit von Überschwemmungen 
hinwies. 
Der Strom lief unweit der Mündung mit 
über 4 sm, weiter oberhalb 1,5 bis 4 sm. Er 
führte sehr viel Baumstämme und Grasinseln mit 
sich, die sich besonders in der ersten Nacht zu 
Anker vor dem Bug zu einem Berg aufstauten. 
Durch mehrfaches Ruderlegen gelang es immer, 
von der Hauptmasse freizukommen, die sich dann 
mit Krachen und Stoßen losriß. 
Die vorgefundenen Tiefen schwankten zwischen 
40 und 8 m und waren im Durchschnitt 15 bis 
20 m. Es wurde unausgesetzt gelotet. 
Das landschaftliche Bild war trotz der 
ebenen Ufer durch die große Fülle der Vegetation 
sehr abwechslungsreich. Sobald das dicht von 
Sagopalmen und Mangroven bestandene Gebiet 
des Unterlaufes hinter uns lag, ging es bis zum 
Endpunkte der Fahrt durch eine schöne Parkland- 
schaft, in der Galeriewälder mit guten Nutzhölzern, 
größere Waldparzellen und grüne Matten ab- 
wechselten. Allerdings enttäuschten diese Matten 
bei näherer Betrachtung, da sie meist aus sehr 
hochstehendem Schilf, Alang-Alang, wildem Zucker- 
rohr und wildem Mais bestehen. Palmen waren 
oft stundenlang nicht zu sehen, um erst in der 
Nähe der Dörfer (Kokospalmen) wieder aufzu- 
meten. So verlor die Gegend nicht selten nahezu 
ihren tropischen Charakter. Durchblicke zwischen 
Waldkulissen gaben häufig ein so heimatliches 
Bild, daß man sich über einen auftauchenden 
Kirchturm kaum gewundert hätte. Der Strom 
teilte sich nur einmal auf eine kurze Strecke; es 
wurde nur ein kleiner von Süden kommender 
Nebenfluß beobachtet, dagegen zeigten sich häufiger 
blinde Arme aus Lagunen, die, von Lotosblumen 
beiät und von unzähligen weißen Reihern belebt, 
einen sehr schönen Anblick gewährten. 
Ungefähr 85 sm stromaufwärts traten auf der 
Nordseite in bläulicher Ferne leichte Höhenzüge 
*) Es sollen Niveau-Unterschiede von 6 bis 7 m 
auftreten. 
  
auf, bis sich auf etwa 100 sm der Blick auf eine 
ganz prächtige, gewaltige Berglandschaft, das 
Bismarck-Gebirge im Süden, eröffnete. Dieses 
schöne Panorama lag bis zum Ende der Fahrt 
vor uns. 
Bis zum 21. November wurde fünfmal vor 
großen Dörfern geankert und mit den Eingebo- 
renen in Tauschhandel getreten. Diese zeigten, 
je weiter wir den Fluß hinaufkamen, desto größere 
Zurückhaltung. In einem der letzten Dörfer, das 
etwas vom Ufer entfernt lag, traten uns die Ein- 
geborenen bewaffnet gegenüber und erhoben ein 
großes Kriegsgeheul. Nachdem wir einander einige 
Zeit gegenüber gestanden hatten, beruhigten sie 
sich, und es entspann sich ein vorsichtiger Tausch- 
handel vor dem Dorfe. Durch ruhiges, sicheres 
Auftreten gelang es schließlich, in das Dorf ein- 
zudringen. 
Die beliebtesten Tauschgegenstände waren Beile 
und Hobeleisen, während Schmuckgegenstände we- 
niger Anklang fanden. Wir tauschten dafür Waffen 
und Ethnologika ein, wovon eine Kiste zur Ab- 
sendung an das Ethnologische Museum Berlin 
gelangte. 
Die Kulturstufe der Steinzeit, in der diese 
stattlichen Menschenfresser leben, erschien durchaus 
nicht ärmlich. Es fanden sich schön verzierte 
Tonwaren und geschmackvolle Schnitzereien, wo- 
durch die zum Teil mehrstöckigen Häuser ein sehr 
ansehnliches Außeres erhielten. Der gesuchteste 
Tauschgegenstand waren Waffen, darunter besonders 
schöne Schilde und Steinäxte, ferner die fein mit 
Ton ausmodellierten und bemalten Köpfe erschla- 
gener Feinde, die einen so lebenswahren Aus- 
druck wie die besten Totenmasken trugen. 
Das munter hüpfende, mit hübschen Bast- 
schürzen bekleidete schöne Geschlecht entfloh ge- 
wöhnlich, sobald ein Boot zu Wasser gefiert wurde, 
und ward nicht mehr gesehen. Bei einem Dorf 
des Unterlaufes wurden nach einiger Zeit zwei 
Mädchen, angstvoll ins Wasser blickend, im Kann 
längsseit gebracht. 
Nur in einem Dorfe entflohen alle Einwohner 
und waren nicht mehr heranzulocken. Aber auch 
während des Tauschhandels traten manchmal un- 
erwartete und unerklärliche Alarmzustände ein, so 
daß wir plötzlich allein waren. Ein so unbe- 
kannter Ton, wie der der Sirene, hatte die 
Wirkung des Donnerschlags in einer Verwand- 
lungsszene; einige fielen hin, alle waren in kür- 
zester Zeit verschwunden. 
Die Eindrücke der Fahrt werden allen Teil= 
nehmern unvergeßlich bleiben; nur ein Umstand 
war zu bedauern, nämlich daß für die Flußfahrt 
nur wenig Zeit zur Verfügung stand. 
Schießübungen und Reiseplan drängten, so 
standen wir schon am 22. abends wieder vor der
	        
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