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Auf den geschilderten rechtlichen Zuständen
und Verwaltungseinrichtungen basiert nun die
eigentliche Eingeborenenpolitik. Seit
Jahrhunderten ist in Portugiesisch-Ostafrika der
Boden durch die Eingeborenen landwirtschaftlich
ausgebeutet worden. Aber auch die portugiesische
Regierung hat ebenfalls nur auf frühere Verhält-
nisse ihre Eingeborenenverwaltung aufbauen kön-
nen. Im Mittelalter waren durch Araber und
Perser im heutigen Portugiesisch-Ostafrika zahl-
reiche Sultanate gegründet worden, die man je-
doch den einheimischen Häuptlingen überließ.
Dieselben zahlten an die fremden Eroberer eine
Kopfsteuer für ihre Untertanen, blieben aber
Herren über das Land und ihre früheren Unter-
gebenen. Nach der portugiesischen Eroberung im
ausgehenden Mittelalter traten an Stelle der ein-
geborenen Fürsten portugiesische Würdenträger,
während die ersteren in die Stelle von Richtern
und Verwaltungsbeamten herabgedrückt wurden.
Den portugiesischen Würdenträgern wurde das
Land als ein Kronlehen, als ein prazo da
corda"), freilich mit der Verpflichtung seiner
Kultivierung übertragen. Die Institution dieser
Prazos hat sich bis in das 19. Jahrhundert erhal-
ten, wenn auch die Besitzer vielfach wechselten.
Eine Kultivierung des Krongutes durch die Lehn-
träger ist aber nie ernsthaft praktisch betrieben
worden. Nur die Kopfsteuer der sogenannten
Mussoco wurde von den Eingeborenen eingetrie-
ben. In den achtziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts hat dann, nachdem man schon mehrere
Jahrzehnte vorher die Versuche dazu eingeleitet
hatte, eine Ablösung der Inhaber der Prazos
stattgefunden. An Stelle derselben trat eine kurz-
fristige Verpachtung des Kronlehens. Der je-
weilige Steuerpächter hatte dabei das Recht, die
Eingeborenen gegen Entgelt zur Arbeit heranzu-
ziehen. Eine wirkliche planmäßige Kolonisation
aber hat trotz der intensiven Arbeit der Einge-
borenen auch in neuerer Zeit ebensowenig wie
unter den früheren Verhältnissen stattgefunden.
Nachdem infolge zahlreicher Unzulänglichkeiten
die Regierung es selbst versucht hatte, einzelne
Prazos in Verwaltung zu nehmen und gerade
dank einer weniger auf Raubbau gerichteten Kul-
tivierung des Landes einen höheren Steuerertrag
von den Eingeborenen erzielt hatte, — dem nur
wenige Jahre im Lande weilenden Pächter kam
es natürlich nur darauf an, aus den Eingebore-
neu eine möglichst hohe Steuer herauszuziehen,
während ihm das Interesse des Landbaues, dessen
Früchte er ja doch in den wenigen Jahren seiner
Konzessionsdauer nicht ernten konnte, gleichgültig
blieb, — wurde dann endlich im Jahre 1890 auf
*) Mgl. 1#r. Bongard: Zeitschrift für Kolonial=
politik, Kolonialrecht u. Kolonialwirtschaft, 1906, S. 95.
Grund vorausgegangener Kommissionsunter-
suchungen ein Dekret erlassen, das wieder auf die
früheren Zustände zurückgriff, aber dabei den
Pächtern der Prazos ganz bestimmte Bedingungen
auferlegte. Die Pachtzeit wird nunmehr auf
25 Jahre festgelegt und ferner bestimmt, daß dem
Pächter nach portugiesischem Landesrecht der kul-
tivierte Teil seines Prazos zufällt, wodurch er
veranlaßt wird, wirklich ernsthaft das Land zu
kolonisieren. Außerdem wird ein genauer Satz
der Steuerzahlungen festgelegt. Die 800 Reis
betragende Kopfsteuer, die dem früheren Mussoco
entspricht, muß zur Hälfte in Arbeitsleistung an-
genommen werden, wobei die Wochenarbeit des
Erwachsenen mit 400 Reis und die des Kindes
mit 200 Reis berechnet wird.
Die mit Beginn der neunziger Jahre begrün-
deten Gesellschaften darunter die Mozambique=
Gesellschaft haben im Zusammenhang mit an-
derem ausländischen Kapital ihr Augenmerk auf
die Prazos gerichtet, und auf diese Weise wurden
einerseits zahlreiche Krongüter in die Konzessionen
eingeschlossen und dann auch mit den jeweiligen
Prazospächtern Vereinbarungen getroffen, um
die Erschließung des Landes und die Nutzung der
Eingeborenenarbeit, beziehungsweise der Arbeits-
pflicht der Eingeborenen in die Wege zu leiten.
Die auf der Institution der Prazos sich auf-
bauende Kopfsteuer des Mussoco, hat
im Gebiete der Mozambique-Gesellschaft ganz
erhebliche Beträge geliefert, sie stiegen von 12,/
Mill. Reis, im Jahre 1893, auf 56,64 Mill. Reis
im Jahre 1904 und hatten 1907 sogar die Höhe
von 94,89 Mill. Reis erreicht.
Neben der Kopfsteuer, welche alle Eingebo-
renen vom 14. bis zum 60. Jahre zu entrichten
haben, besteht eine Hüttensteuer, die im
Gegensatz zur Kopfsteuer, historisch als die Steuer
der freien Eingeborenen galt. Auch sie spielt im
Gebiete der Companhia de Mozambigque heute
eine große Rolle. Nach dem Dekret vom 7. Mai
1890, das 1904 durch ein neues ersetzt wurde,
wird eine Hüttensteuer erhoben. Das neue Dekret
setzt ihre Höhe auf 2250 Reis in Gold fest, die
etwa 10 7 entsprechen, dazu tritt eine Zusatz:
steuer von 250 Reis Silber, die für den Einge-
borenen-Häuptling bestimmt sind. Von der Hüt-
tensteuer sind befreit die beiden Hütten, welche
der Eingeborenenhäuptling oder seine Frauen
bewohnen, die Hütten der Invaliden, der Kinder
und solcher Eingeborenen, welche der Compagnie
nicht bezahlte Dienste leisten und endlich die Hüt-
ten derjenigen Eingeborenen, welche die Kopi-
steuer, den Mussoco, entrichten. Die Hüttenstener
im Gebiete der Mozambique-Gesellschaft, die 1893
erst 1,61 Mill. Reis eingebracht hatte, brachte
1904 schon 66,53 Mill. Reis und 1907 89,13 Mill.