Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

W 380 2 
wertige ägyptische Varietät gezogen. Auch in 
Kamerun, in dem Grasland nach Adamaua zu, 
dürfte eine der Upland-Baumwolle gleichwertige 
Sorte gedeihen. Aber, wie im Eingang gesagt, 
ein wirklich durchgreifender Versuch, die Baum- 
wolle als Plantagen= und als Eingeborenen= 
Kultur in großem Maßstabe einzuführen, war 
mangels der Verbindungen einerseits und dem 
Mangel der Erfahrungen anderseits doch noch 
ein wenig aussichtsreiches Unternehmen, insbe- 
sondere gegenüber den Eingeborenen, welche man 
durch Verleitung zu Kulturversuchen, die schließ- 
lich hinterher doch nicht glücken, eher abschreckt 
und gegenüber welchen man hinreichende Macht- 
mittel, sie gerade zur Kultur eines bestimmten 
Gewächses zu zwingen, nicht besitzt. Auch standen, 
wie eingangs angeführt, die finanziellen Verhält- 
nisse der Kolonien auf der einen Seite, ebenso 
wie eine mangelnde Erkenntnis der Notwendig- 
keit solcher Aufwendungen in der Heimat ander- 
seits, der Ausdehnung der Kultur entgegen. 
Und die Regierung war mehr oder weniger ge- 
nötigt, diese wichtige Frage der Lösung der Privat- 
industrie zu überlassen, die sich mit dankenswertem 
Opfermut seit einigen Jahren mit erheblichen 
Beträgen selbst besteuert hat, um die notwendigen 
Erfahrungen zu gewinnen. Der Zeitpunkt scheint 
aber doch jetzt gekommen, wo die weitere Fort- 
führung der Versuche einen solchen Erfolg zu 
versprechen scheint, wo die in dieser Industrie 
investierten Kapitalien einen Umfang annehmen, 
daß auch die Reichsregierung zur Fortführung 
der Arbeit und zum Schutz der Prosperität dieser 
Anlagen das ihrige beizutragen veranlaßt ist. 
Hat sie bisher ihre Hauptaufgabe darin gesehen, 
durch Erschließungsbahnen überhaupt erst den 
Boden vorzubereiten, so wird sie jetzt mit der 
Privatindustrie in eine Arbeitsteilung eintreten 
können, von der wir, die wir uns mit der An- 
gelegenheit intensiver befaßt haben, uns Nütz- 
liches versprechen. 
Unsere Chancen dabei sind nicht schlecht. 
Zunächst verfügen wir in Deutschland in dem 
wissenschaftlich und wirtschaftlich vorgebildeten 
deutschen Landwirt über eine Unterstützung, 
welche den anderen Kolonialnationen nicht zur 
Hand ist; dann ist das landwirtschaftliche Ver- 
suchswesen bei uus auf eine Höhe gebracht, 
daß wir durch eine zweckmäßige Übertragung des- 
selben und Aupassung an die lokalen Verhältnisse 
anch in Afrika vielleicht rascher zum Ziel kommen 
können, wie andere. Der Beweis, daß Baum- 
wolle gut gedeiht, ist durch das Kolonial-Wirt- 
schaftliche Komitee erbracht. Land, wenn auch 
nicht überall Neuland, so doch von ent- 
sprechender Qualität, steht in großen Mengen 
zu Preisen zur Verfügung, die den 10. bis 20. 
  
Teil desjenigen ausmachen, was in älteren Baum- 
wolländern gleichartiges Areal kostet. Ferner 
haben wir die wirksamsten Düngemittel in unserer 
eigenen Heimat in großen Quantitäten aus erster 
Hand. Wir haben eine starke, sich an die Arbeit ver- 
hältnismäßig leicht gewöhnende schwarze Be- 
völkerung, wie jene etwa 60 000 Schwarzen in 
Ostafrika beweisen, die heute regelmäßig Arbeiter 
bei Bahnen und Plantagen sind. In bezug auf 
Löhne sind diese Leute nicht verwöhnt. Wir 
haben eine leistungsfähige und energische Schiff- 
fahrt und hinreichende Schienenwege, die die 
Produktion unserer Kolonien nicht mit viel höheren 
Frachten belasten werden und können, als für 
Produkte anderer fremder Produktionsgebiete ge- 
zahlt werden müssen. Wir haben zuletzt eine starke 
und leistungsfähige deutsche Industrie, deren 
weiter Blick Deutschland mit an die Spitze der 
produzierenden und Handel treibenden Nationen 
gerückt hat. Schließlich aber ist der deutschen 
Nation das Verständnis für die Wichtigkeit der 
hier behandelten Fragen aufgegangen und auch 
in den Kreisen der organisierten Arbeiterschaft 
finden heute die Bestrebungen auf die Erzeugung 
billigerer Rohstoffe ein Verständnis, so daß ich die 
feste Hoffnung hege, daß es unserer geduldigen 
Arbeit gelingen wird, auch diese an der Frage 
am meisten interessierte und wichtige Volksschicht 
zur aktiven Mitarbeit heranzuziehen. 
Freilich, der Weg geht immer noch bergan. 
Unsere Erfahrungen sind immer noch sporadisch. 
Ein Land von der vorzüglichen Geeignetheit wie 
der amerikanische Süden steht uns aller Voraus- 
sicht nach nicht zur Verfügung. Jede neue 
Kultur erweckt neue Feinde in Tier= und Pflanzen- 
welt. Die Kulturmethoden unserer Eingeborenen 
sind noch überaus primitive und ihre politischen 
Verhältnisse keineswegs derart geklärt, daß wir 
uns in eine große Sorglosigkeit einwiegen dürfen. 
Aber das deutsche Volk hat vor größeren Auf- 
gaben gestanden und sie erfolgreich gelöst. Sollte 
es uns gelingen, zu unserer Arbeit dassjenige 
Vertrauen uns zu sichern, auf welches wir jetzt 
nach langer Arbeit einen Anspruch zu erheben 
uns berechtigt glauben, so werden wir auch hier 
aus der Not eine Tugend machen und, gedrängt 
durch die übermächtige Konkurrenz anderer 
Nationen und Staaten, uns durch fleißige und 
zielbewußte Arbeit eine Quelle neuen National- 
reichtums eröffnen. Wenn wir die Wege betrachten, 
die uns nach dem erwünschten Ziel führen sollen, 
so brauchen wir nur denjenigen nachzugehen, die 
uns in der Heimat zum Erfolg geführt haben. 
Der Erfolg ist erzielt und Deutschland mit an 
die Spitze der ackerbautreibenden Nationen gerückt 
durch ein Hand-in-Hand-gehen staatlicher und 
privater Initiative, durch ein Zusammenarbeiten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.