Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

W 389 20 
Deutsch-Meuguinea. 
Verschlagene HKaroliner. 
Einem Bericht des Kaiserlichen Bezirksamt- 
manns von Jap über verschlagene Karoliner 
entnehmen wir folgende Einzelheiten: 
Nach dem Karfreitag-Taifun von 1907 herrschte 
auf Oleai (Ifaluk) großer Nahrungsmangel. 
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung mußte zu 
ihrer Erhaltung nach Saipan befördert werden 
und ist nun dort fest angesiedelt. Auch die in 
Oleai Zurückgebliebenen hatten — trotz der wie- 
derholten Zuwendungen von Reis und Konserven 
— noch längere Zeit unter dem Mangel an 
frischer Nahrung zu leiden. 
Drei im September 1909 von Shanghai hier- 
her zurückbeförderte Eingeborene gaben an, sie 
und eine Anzahl ihrer Landsleute seien damals 
mit sechs Kanus von Oleai nach dem etwa 
150 Seemeilen entfernten Lamutrik gesegelt, um 
Lebensmittel zu holen. Dort hielten sie sich ge- 
raume Zeit auf, legten Felder an und bepflanzten 
sie; zu Anfang 1909 segelten sie wieder nach 
Oleai zurück. Auf der Fahrt überraschte sie ein 
Sturm, fünf Kanus landeten, wie sich später her- 
ausstellte, wohlbehalten auf Ululsi (290 See- 
meilen nordwestlich von Oleai), das sechste und 
kleinste aber verlor die übrigen aus Sicht und 
rieb 97 Tage auf hoher See. Die fünf Insassen 
nährten sich von Fischen, die sie nachts fingen, 
und von Regenwasser. 
Fällt kein Regen, so erhalten sich die Leute, 
wie ich von erfahrenen Karolinern hörte, in der 
Weise, daß sie längere Zeit untertauchen; die Haut 
resorbiert dann die nötige Feuchtigkeit. Fischzüge 
und Schildkröten bemerken sie, wie ich selbst wie- 
derholt beobachtete, auf große Entfernungen an 
der Bewegung der Meeresoberfläche, gewisse Arten, 
  
besonders Schweinsfische (Delphine), locken sie 
herbei, indem sie mit den Händen das Wasser in 
heftige gurgelnde Bewegung setzen. Zieht ein 
Sturm herauf, so versenken fie das aus leichtem, 
schwimmenden Holz (Brotfrucht oder Calophyllum) 
gebaute Kanu unter die Meeresoberfläche und 
halten sich schwimmend daran fest. Daher ist 
auch ein etwaiges Kentern ihres Fahrzeuges, das 
mir selbst wiederholt zustieß, ganz ungefährlich, 
so lange nicht ein wesentlicher Bestandteil, Mast, 
Ruder, Ausleger bricht oder die Paddel verloren 
gehen. Besonders ausgebildete Steuerleute führen 
die Kanuflotte, sie steuern ohne Kompaß nach 
Sonne und Sternen und sind über die Lage der 
verschiedenen Inseln, über die wechselnden Strö- 
mungen und Passatwinde, über die Lage von 
Riffen und Untiefen, wo sie sicher sind, Fische und 
Schildkröten zu finden, genau orientiert. 
So erklären sich die kühnen Reisen der Mikro- 
nesier zwischen den durch Hunderte von Seemeilen 
getrennten Inseln, von denen fast jedes Jahr 
einzelne Kanus nach den Philippinen und — wie 
im vorliegenden Fall — bis an die asiatische 
Küste verschlagen werden, so erklärt sich überhaupt 
die ganze Besiedlung der pazifischen Inselwelt 
durch die Malaio-Polynesier. Meistens lehnen 
die Verschlagenen die ihnen durch die Vermittlung 
der amerikanischen Behörden und des deutschen 
Konsulats angebotene Heimkehr auf dem Dampfer 
ab. Ich habe indessen das Kaiserliche Konsulat 
in Manila ersucht, die Leute stets, auch gegen 
ihren Willen, auf diesem Wege heimzubefördern, 
da gerade die Rückfahrt gegen die fast das ganze 
Jahr herrschenden Ostwinde überaus gefährlich 
ist und die meisten Opfer fordert; trotzdem gibt 
es alte Leute, die bereits fünfmal die Wikinger- 
fahrt nach den Philippinen und zurück gemacht 
haben. 
  
  
  
Kolonialwirtschaftliche Mitteilungen. 
Kus dem fKrbeltsbereich des Holonial-Wirtschaft. 
lichen Komitees.) 
An der am 13. und 14. April unter Vorsitz 
dvon Karl Supf abgehaltenen Frühjahrs- 
kagung des Kolonial-Wirtschaftlichen Ko- 
mitees nahmen Vertreter der Reichsregierung, 
königlicher Ministerien, der Industrie und der 
kolonialen Landwirtschaft teil. Von allgemeinem 
Interesse sind die Verhandlungen über das hei- 
mische Kapital und die Kolonien (Bericht- 
*) AUgl. „D. Nol. Bl.“ 1909, Nr. 21. S. 1009 ff. 
und Nr. 22, S. 1056fff. 
  
erstatter: Geheimrat Paasche), über Eisenbahn- 
bau (Geheimrat Lenz), über wasserwirtschaft- 
liche Vorarbeit in der Mkattasteppe und am 
Viktoriasee in Ostafrika (Geheimrat Schmick), 
über die Anlage einer Olpalmen-Versuchs- 
pflanzung in Ostafrika (Karl Supf), über 
das vorläufige Ergebnis der Guttapercha= und 
Kautschuk-Expedition nach Neuguinea (Pro- 
fessor Warburg), über die Ausdehnung der 
Baumwollkulturversuche in Verbindung mit 
der Kolonialverwaltung (Karl Supf) und über 
den neuerdings erfolgten Anschluß der Eisen-, 
Stahl-, Leder= und chemischen Industriegruppen
	        
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