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Unter allen Seuchen, die unsere Schutzgebiete
im tropischen Afrika heimsuchen, find es die
Pocken, welche sich am schnellsten durch die ein-
jache Methode der Schutzimpfung zurückdrängen
lassen. Den Anteil, den sie an der Sterblichkeit
haben, ganz auszuschalten, liegt nach dem Vor-
bilde der Kulturstaaten im Bereiche der Mög-
lichkeit.
Die Aufgabe, die hiermit der Medizinalver-
waltung des deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes
gestellt wird, ist die systematische Durchimpfung
der gesamten Bevölkerung, und zwar mit
Rücksicht auf die erfahrungsmäßige Kurzzfristigkeit
der Immunität der Neger sowohl nach erfolgreicher
Vaccination als auch nach überstandener Variola
— zunächst mehrmals und späterhin eine regel-
mäßige Impfung aller Säuglinge und mindestens
zweimalige Wiederimpfung der Halberwachsenen,
endlich eine Impfung aller Einwanderer und
Durchreisenden.
Diesem Ideal, das freilich erst nach langjäh-
riger Arbeit zu erreichen sein wird, ist in den
letzten vier Jahren dadurch zugestrebt worden,
daß in fast allen Bezirken des Schutzgebietes ein
regelmäßiges Impfgeschäft eingerichtet wurde.
Und jenes Ideal hat in den letzten beiden Jahren
eine gewisse Aussicht auf Durchführbarkeit insofern
gewonnen, als die Lymphbereitung im Schutz-
gebiete selbst dauernd geglückt ist.
Das Impfgeschäft stößt draußen auf Hinder-
nisse, die in der Heimat nicht oder nur in ganz
geringem Maße in Erscheinung treten.
Es besteht — außer für die Angehörigen der
Schutztruppe — kein Impfzwang. Selbst wenn
er eingeführt würde, wäre doch die Verwaltung
in den meisten Bezirken noch nicht in der Lage,
alle Impfpflichtigen — zunächst die gesamte Be-
völkerung, später sämtliche Säuglinge und große
Gruppen der Halberwachsenen — zu bestimmten
Terminen an einem Ort dem Impfarzt vorzu-
führen. Das Impfgeschäft muß also auf Reisen
vorgenommen werden. Das bedeutet in einem
Lande, das größer, aber weit dünner bevölkert
ist als Deutschland und bei der Art des Verkehrs
mit Trägerkarawanen (soweit nicht die neuen
Bahnen in Frage kommen) einen beträchtlichen
Kosten= und Zeitaufwand. Eine weitere unan-
genehme Folge davon ist, daß eine Nachschau der
Geimpften vielfach unmöglich erscheint und daher
die Impfresultate meist auf Schätzungen beruhen
müssen.
Die Bereitwilligkeit der Eingeborenen, si
impfen zu lassen, ist in den einzelnen Bezirken
und oft auch bei der gleichen Bevölkerungsgruppe
zu verschiedenen Zeiten höchst wechselnd. Der
Schutz, den die erfolgreiche Impfung bietet, ist
Pocken vielfach ausgeübt; aber der gleiche Zauber-
Aberglaube, der die Neger in einem Fall in
Scharen dem Impfenden zuführt, treibt sie in
einem anderen in wilde Flucht vor ihm weg,
wenn ein unkontrollierbares Gerücht auftaucht,
daß er sie behexen wolle. Nur geduldige Beleh-
rung kann hierbei den Mißerfolgen, die nie ganz
ausbleiben werden, entgegenarbeiten.
Die größte Schwierigkeit aber bestand in
früheren Jahren in der Versorgung der Innen-
stationen mit wirksamer Lymphe, solange diese
ausschließlich von außerhalb, meist aus Europa,
bezogen werden mußte. Kam sie auch, im Kühlraum
der Postdampfer aufbewahrt, an der Küste fast
immer im brauchbaren Zustande an, so ging ihre
Virulenz auf dem wochenlangen Transport ins
Innere meistens verloren, obwohl seit Jahren
die verschiedensten Verpackungsarten durchprobiert
wurden.
Lange Zeit blieb die Impfung von Arm zu
Arm der mitgenommenen Träger usw. das einzige
Mittel, um überhaupt Impfstoff ins Innere zu
befördern. Nicht nur die Gefahr der Übertragung
von Krankheitskeimen, sondern auch die schnelle
Abnahme der Wirksamkeit der rein humanen
Lymphe, spricht gegen diese Methode.
Die Forderung eines Instituts für Lymph-=
bereitung wurde schon in den ersten Jahren der
deutschen Besitzergreifung gestellt; auf der letzten
Tagung der Tropenmedizinischen Gesellschaft tauchte
sie wieder auf. Abgesehen von anderen und
nicht zum geringsten den pekuniären Schwierig-
keiten, würde ein solches Institut bei den er-
wähnten Verkehrsverhältnissen nicht das ganze
Schutzgebiet, sondern nur die Bezirke in seiner
näheren Umgebung mit Lymphe versorgen können.
Es blieb somit als einziger Ausweg, eine dezentrali-
sierte Lymphbereitung einzurichten. Die Vor-
versuche erstrecken sich über rund zehn Jahre.
Zum ersten Male war es nach den vorliegenden
Berichten im Jahre 1899 dem damaligen Ober-
arzt Dr. Fülleborn in Langenburg gelungen,
Kälberlymphe herzustellen, alsdann 1902 dem
damaligen Oberarzt Dr. Exner in Bismarck-
burg. 1904 mehrten sich die Erfolge auf den
verschiedenen Stationen, 1905 fiel als Aufstands-
jahr fast völlig aus, 1906 wurde die Arbeit
erneut erfolgreich in Angriff genommen, 1907
konnte bereits die Hälfte aller Impfungen mit
selbstgewonnener Lymphe ausgeführt werden, und
seit 1908 konnte dazu übergegangen werden,
neben der gelegentlichen Impfgewinnung nach
den jeweiligen örtlichen Bedürfnissen an einzelnen
Stationen eine ständige einzurichten, die regel-
mäßig produziert.
Zur Zeit sind Impfgeschäft und Lymph-
meistens bekannt, wird doch die Inokulation der bereitung im Schutzgebiet folgendermaßen organi-
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