Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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Töpfe aus Holz oder Stein) mit in die Ehe und 
folgt dem Manne nach dessen Wohnsitz. Die 
Aussteuer wird Eigentum des Mannes. Die 
Frauen der Buschleute tragen jedoch nicht den 
Namen ihrer Männer, sondern behalten ihren 
Geburtsnamen bei. Die Eltern geben jedem 
neugeborenen Kinde einen Namen. Vielmännerei 
und Vielweiberei wird beobachtet, in letzterem 
Falle werden Frauen aufgekauft. Der Kaufpreis 
besteht in Jagdbeute, Hausgerät, Tabakpfeifen 
aus Stein (Röhren) und seine Höhe wird durch 
die Schönheit und das Alter der Frau bestimmt. 
Das Weib ist bei den Buschleuten rechtlos. 
Ein Mann kann sich von seinem Weibe scheiden, 
wenn dieses untreu oder unfruchtbar ist. Das 
verlassene Weib geht zu ihren Eltern zurück. 
Das Alter ehrt der Buschmann. Greise und 
Greisinnen, die nicht mehr selbst ihren Unterhalt 
sich beschaffen kömnen, werden von den Verwandten 
oder Werftangehörigen ernährt. 
Bei den Männern findet man vielfach Täto- 
wierungen, die allerdings auf recht unappetitliche 
Weise hergestellt werden: sie werden durch Ein- 
ritzen mit scharfen Gegenständen in die Haut an 
der Stirn oder an den Oberarmen angebracht; 
in die Ritzwunden wird Schweiß und Schmutz 
vom Körper des Tätowierten geschmiert. Die 
Tätowierungen nimmt der Vater, Bruder oder 
auch die Frau des zu Tätowierenden vor, sie 
finden nur im Mannesalter statt. Als Grund 
für solche Tätowierungen wurde angegeben, daß 
es eine Buße dafür sein soll, daß ein Buschmann 
bei der Jagd keine Erfolge erzielt, oder daß er 
keine Feldkost findet; durch das Tätowieren soll 
der Mangel an Jagdtalent usw. beseitigt werden. 
Der Buschmann ist Nomade. Wo Wasser, 
Wild oder Feldkost ist, da läßt er sich nieder. 
Lockt ihn ein günstigeres Jagdgebiet, dann verläßt 
er seine alte Wohnstätte, wandert weiter, baut 
sich einen neuen Windschutz oder legt sich unter 
einen gut schützenden Busch oder bezieht irgend 
eine natürliche Höhle. Von Grundeigentum kann 
man daher beim Buschmann kaum sprechen. Wo 
aber mehrere Buschleute zusammen wohnen, weist 
der Werftälteste ihnen Grund und Boden an. 
Durch Bebauung mit Windschutz und Kochstellen wird 
der angewiesene Platz Eigentum des Buschmanns, 
und zwarimmer Eigentum des Familienoberhauptes. 
Im übrigen herrschen kommunistische Verhältnisse. 
Wenn auch kein Recht auf Teilnahme des einen 
am Überfluß des andern besteht, so ist dies doch 
Sitte. Der Zugewanderte hat Anspruch auf Gast- 
freundschaft und Unterstützung; beides wird ihm 
in reichem Maße zuteil. 
Ein allgemeines Tauschmittel (Geld) ist nicht 
im Gebrauch. Die Tauschmittel bestehen in Ver- 
  
pflegungsgegenständen, Tabak, Fellen, Geweihen. 
Ein Gemsbockgeweih läßt sich der Buschmann vom 
Europäer mit drei Platten Tabak im Werte von 
einer Reichsmark bezahlen. Der Austausch erfolgt 
Zug um Zug. Leiht ein Buschmann seine Hetz- 
hunde, dann erhält der Hundebesitzer Geweih und 
Fell des erbeuteten Wildes. 
Von einer gewissen Rechtspflege kann man bei 
den Buschleuten wohl sprechen. Während früher 
auch bei Ehebruch Blutrache üblich war, existiert 
sie jetzt nur noch bei Mord; eine geminderte, nicht 
bis zum Tode reichende Blutrache gibt es aller- 
dings auch heute noch bei Ehebruch: der schuldige 
Teil wird mit Stockhieben halbtot geschlagen. Die 
Blutrache wird von den Werftangehörigen aus- 
geübt und ist nur gegen den Mörder gerichtet. 
Bei den Buschleuten herrscht genossenschaftliches 
Strafrecht; es wird durch den Werftältesten aus- 
geübt. Die Todesstrafe wird mit dem Kirri, 
einer Keule, oder durch Steinigen, Freiheitsstrafen 
werden durch Festbinden an Bäume vollzogen. 
Der Werftälteste hat auch das Recht der Begna- 
digung. Der Versuch einer Missetat oder die 
Beihilfe und Anstiftung zu einer solchen wird 
wie die Missetat selbst bestraft. Notwehr bleibt 
straflos. Auch auf Hochverrat steht wie auf Mord 
Todesstrafe. Selbstmorde kommen bei den Busch- 
leuten nicht vor. Diebstahl, Hehlerei, Raub, 
Körperverletzung und Sittlichkeitsverbrechen werden 
mit Prügelschlägen bestraft. 
Bei Vergehen geringerer Art wird von den 
Buschleuten sehr häufig Selbsthilfe ausgeübt. Nur 
bei Aburteilung über schwere Verbrechen wird 
eine ordentliche Gerichtsverhandlung geführt. Das 
Gericht besteht aus einem Richter, dem Werft- 
ältesten, bei Aburteilung über Mord, Totschlag, 
Hoch= und Landesverrat zieht der Werftälteste 
einen zweiten Richter hinzu Der Richter kann 
Zeugen vorladen oder vorführen lassen; die Zeu- 
genaussage wird zur Bekräftigung wiederholt und 
lebhaft beteuert. Der Werftälteste kann von selbst 
gegen Verbrecher einschreiten. Nur bei kleinen 
Vergehen gilt der Satz: wo kein Kläger, da ist 
kein Richter. Um auf die Spur eines Verbrechers 
zu kommen, wird Spur geschritten. Der Busch- 
mann ist wohl der beste Spurleser unter den 
Eingeborenen, seinem Auge entgeht nichts. In 
diesem Spurlesen werden schon die Buschmann- 
kinder unterrichtet an der Hand von Zeichnungen, 
die täuschend ähnlich Menschen= und Tierspuren 
darstellen. Die Buschleute malen diese Zeich- 
nungen mit Farbe aus bunter Tonerde auf Fels- 
wände oder meißeln die Spuren in Stein ein. 
Geständnisse werden vielfach durch Prügelschläge 
oder Festbinden an Bäume erzwungen. Das Urteil 
wird vom Richter in Gegenwart aller Werft- 
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