Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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Aus fremden Kolonien und Droduktionsgebieten. 
— . — 
* Der Anbau von tũrkischem Tabak in der 
Rapkolonie. 
Die Mai-Nummer des „Agricultural Journal“ 
der Kapkolonie enthält einen Aufsatz über die in 
der Kapkolonie in den letzten Jahren gemachten 
Versuche, den Anbau von türkischem Tabak 
einzubürgern. 
Tabak wird in der Kapkolonie seit langem 
angebaut und von der gewöhnlichen Sorte, die 
den Namen „Boer-tobacco“ führt, werden jährlich 
etwa 5 Millionen Pfund erzeugt. Der Verkaufs- 
preis ist niedrig und es wird nur wenig davon 
ausgeführt, der größte Teil vielmehr in der Ko- 
lonie selbst verbraucht. Die Regierung hat sich 
schon in den sechziger Jahren des vorigen Jahr- 
hunderts bemüht, diese Industrie zu fördern, ohne 
indes wesentliche Erfolge zu erzielen. Auch die 
Beschaffung verschiedener Samenarten zum Selbst- 
kostenpreis war kein Erfolg, da die Nachfrage 
unbedeutend blieb. Um so merkwürdiger ist es, 
daß ein Zusall zu einem hoffnungsvollen Beginn 
des Anbaus von türkischem Tabak geführt hat. 
Ein Mr. L. M. Stella, der früher in der 
Tabakindustrie in der Türkei beschäftigt gewesen 
war, hatte im Jahre 1903 angefangen, eine Farm 
bei French Hoek, etwa 80 km von Kapstadt, zu 
bewirtschaften und in dem gedachten Jahr von 
oinem Bekannten aus der Türkei eine kleine 
Menge Samen von Suluk-Tabak in einem Brief- 
umschlag zugesandt erhalten. Zunächst wurde 
dies Paketchen vergessen und als es später zu- 
fälligerweise geöffnet wurde, fiel ein Teil des 
Samens vor dem Wohnhause auf den Boden. 
Mr. Stella war überrascht, eines Tages sehr gute 
Pflanzen türkischen Tabaks in seinem Garten zu 
sehen und sogleich so überzeugt von der Möglich- 
keit eines lohnenden Anbaus, daß er 40 Pflänz- 
linge aus dem zufälligerweise verschütteten Samen 
gewann, auspflanzte und groß zog. Er beschaffte 
sich sodann weiteren Samen aus der Türkei und 
begann Versuche in größerem Stil. Schon im 
Jahre 1905 gewann er von zwei Acres'’) Land 
1000 Pfund, für die er allerdings nur 1 sh 
per Pfund erzielte. Es stellte sich indes später 
heraus, daß die Ware einen Wert von 2 bis 
3 Sh hatte und eine Firma bot Mr. Stella diesen 
Betrag für größere Mengen seines Tabaks. 
Um diese Zeit kam Mr. Stella in Verbindung 
mit dem landwirtschaftlichen Departement und 
wurde als Sachverständiger angestellt. Die ersten 
amtlich überwachten Versuche wurden unter seiner 
Leitung auf verschiedenen Versuchsstationen und 
  
*) 1 Acre — 10 Ar. 
  
neun Farmen der French Hoek-- und Drakenstein- 
Täler auf einer Gesamtfläche von 7½ Acres an- 
gestellt. Es wurden etwa 12 000 Pflanzen ge- 
zogen, doch blieb das Ergebnis infolge verspäteten 
Säens, Mangels an erfahrenen Arbeitern, Krank- 
heitserscheinungen und anderer Ursachen hinter 
den gehegten Erwartungen zurück. Immerhin 
wurden 4000 Pfund Ware auf den Markt ge- 
bracht. Der Sachverständige hatte sich die größte 
Mühe gegeben, die Farmer aber waren, obwohl 
willig, ganz unerfahren und mußten in jeder 
Handhabung erst unterrichtet werden. Die Re- 
gierung sah daher das Ergebnis des ersten Probe- 
jahres als hoffnungsvoll an. Der Verkauf er- 
folgte durch Anktion in Freuch Hoek. Im wesent- 
lichen kamen als Käufer nur die hier bestehenden 
sechs größeren Tabakfirmen in Betracht. Es 
wurden Preise von 2 d per Pfund für Ausschuß, 
bis zu 3 sh 2½ d für beste Ware erzielt, im 
Durchschnitt 1 sh 6 d, was in Anbetracht des 
Umstandes, daß der Tabak noch nicht hinreichend 
gealtert war, als ein günstiges Ergebnis ange- 
sehen werden konnte. 
Im nächsten Jahr (1907/08) wurden die 
Versuche auf neun verschiedene Distrikte ausge- 
dehnt und dabei 10 000 Pfund Blätter erzielt, 
in zwei Bezirken (Riversdale und Mosselbay) trat 
indes infolge von Nebel Meltau ein und verdarb 
die ganze Ernte. Überhaupt beschränkt sich der 
Landesteil der Kapkolonie, in dem türkischer Tabak 
mit Vorteil gebaut werden kann, vermutlich auf 
gewisse Distrikte der Westprovinz. Gerade in dieser 
Gegend würde übrigens die neue Industrie einen 
vorzüglichen Ersatz für den sich vielfach als un- 
rentabel erweisenden Weinbau bilden. Bei dem 
Verkauf der 1907/08er Ernte, der in der gleichen 
Weise wie im ersten Jahre vor sich ging, wurden 
Preise zwischen 6 d und 2 sh 8½ d ver Pfund 
erzielt, für eine kleine, besonders gute Partie von 
51 Pfund sogar 4 sh 9 d, im Durchschnitt 1 kh 
11 d, was ein Anwachsen um 5 d gegen das 
Vorjahr bedeutete. Die Farmer hatten indes 
bedeutend höhere Preise erwartet und die Fabri- 
kanten klagten über die Qualität des Tabaks, die 
allerdings erheblich hinter dem importierten zu- 
rückblieb, so daß allseits Unzufriedenheit herrschte. 
Dieser teilweise Mißerfolg spornte aber das 
Landwirtschaftsdepartement und den Sachversiän- 
digen nur zu noch energischerer Tätigkeit an. 
JFast 70 Acres wurden 1908/09 bestellt und man 
hoffte auf eine Ernte von 35000 Pfund. Infolge 
großer Trockenheit und des Erscheinens von 
Würmern stellte sich das Ergebnis indes nur al 
16 000 Pfund. Als Dünger war bis dahin
	        
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