Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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Betrifft die Beschuldigung lediglich eine Übertretung (§ 1 R. Str. G. B.), so kann nach 
vorausgegangenem Ermittlungsverfahren der Kompagnieführer in den Grenzen der ihm zustehenden 
Disziplinarstrasgewalt (§ 2 Nr. II) durch schriftliche Strafverfügung Arrest oder Prügelstrafe festsetzen. 
Ein Einspruch gegen diese Strafverfügung steht dem Beschuldigten nicht zu. 
Die vorstehend dem Führer einer Kompagnie zustehenden Rechte kann dieser für eine selb- 
ständige Abteilung der Kompagnie dem diese befehligenden Offizier übertragen. Letzterer darf Straf- 
verfügungen nur innerhalb der Grenzen der ihm zustehenden Disziplinarstrafgewalt festsetzen. 
§ 9. Bei jeder Kompagnie und im Falle des § 8 Abs. 3 bei jeder selbständigen, durch 
einen Offizier befehligten Abteilung wird ein Gericht gebildet. 
Dieses Gericht ist zuständig für alle Farbigen des Befehlsbereichs mit Ausnahme der Effendi. 
Letztere unterstehen einem vom Kommando der Schutztruppe besonders zu bestellenden Gerichte. 
Das nach § 7 anzuordnende Ermittlungsverfahren wird auch bei Straftaten der Effendi 
von dem im § 7 benannten Befehlshaber, soweit er Offizier ist, verfügt. 
§* 10. Ordnet der Befehlshaber (8§ 8) ein gerichtliches Verfahren an, so hat er dem Be- 
schuldigten hiervon Kenntnis zu geben und ihn aufzufordern, etwaige Verteidigungs= oder Beweis- 
anträge mit Angabe der Beweismittel (Zeugen usw.) zu stellen. 
Demnächst befiehlt der Befehlshaber den Zusammentritt des Gerichts zur Hauptverhandlung 
und beraumt diese an. 
§ 11. Das Gericht setzt sich zusammen aus: 
1. dem Befehlshaber (§ 8) als Vorsitzenden, 
2. zwei deutschen Offizieren oder Unteroffizieren 1 
3. drei farbigen Soldaten, unter ihnen der älteste anwesende Dienstgrad als Beisitzer. 
und tunlichst ein Angehöriger der Rangklasse des Angeschuldigten | 
Im Notfalle genügt die Beiziehung eines deutschen Beisitzers neben den farbigen Beisitzern. 
Farbige, die in der Strafsache als Zeugen auftreten oder durch die Straftat verletzt sind 
oder die Straftat zur Anzeige gebracht haben, dürfen als Beisitzer nicht verwendet werden. Auch 
bei Deutschen ist dies tunlichst zu vermeiden. 
§ 12. Die Hauptverhandlung erfolgt vor dem vorschriftsmäßig besetzten Gericht (§ 11) 
und in ununterbrochener Gegenwart des Angeklagten und der in § 11 genannten Personen. 
In der Hauptverhandlung hat der Befehlshaber (§ 8) den Vorsitz; er leitet die Verhandlung. 
Zunächst werden die Personalien des Angeklagten festgestellt und es wird ihm eröffnet, 
welcher strafbaren Handlungen er beschuldigt sei. 
Dann erfolgt die Vernehmung des Angeklagten zur Sache. 
Darauf findet durch Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen die Beweisaufnahme 
statt. Es unterliegt dem freien Ermessen des Gerichts, ob eine Vereidigung von farbigen Zeugen 
und Sachverständigen stattzufinden hat oder nicht. Aussagen abwesender, kommissarisch vernommener 
Zeugen, deren Erscheinen vor Gericht besonders erschwert ist, können verlesen werden; desgleichen 
Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke; das gleiche gilt für Gutachten ab- 
wesender Sachverständiger, deren Erscheinen vor Gericht besonders erschwert ist. 
Nach jeder Vernehmung eines Zengen oder Sachverständigen, nach jeder Verlesung der 
Aussage solcher Personen oder einer Urkunde oder von anderen als Beweismittel dienenden Schrift- 
stücken ist der Angeklagte zu befragen, ob er hierzu etwas anzuführen habe. 
Nach dem Schlusse der Beweisaufnahme ist der Angeklagte zu befragen, ob er zu seiner 
Verteidigung oder zur Sache noch etwas anzuführen habe. Der Angeklagte hat das letzte Wort. 
Nach Abführung des Angeklagten, nach Abtreten der Zeugen und Sachverständigen und nach Ent- 
fernung der Zuhörer trägt der Vorsitzende das Ergebnis der Verhandlung, insbesondere den nach 
seiner Ansicht für erwiesen zu erachtenden Tatbestand vor und verliest die einschlägigen gesetzlichen 
Vorschriften. 
Die farbigen Mitglieder des Gerichts haben im ganzen nur eine Stimme, über welche sie 
unter sich abstimmen; sie geben zuerst ihre Stimme ab. Hinsichtlich der deutschen Richter richtet sich 
die Reihenfolge der Abstimmung nach dem Dienstrange. Der Jüngste im Range stimmt zuerst. Der 
Vorsitzende leitet die Urteilsberatung und sammelt die Stimmen. Bei Stimmengleichheit gibt die 
Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. 
8 13. Über die Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. Die Niederschrift erfolgt 
entweder durch den Vorsitzenden selbst oder nach seinem Diktat durch einen der deutschen Beisitzer. 
Das Protokoll muß enthalten: 
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