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Höhenschätzen angeeignet, die Maße stimmten
hernach fast ganz genau. Soviel war uns klar,
daß wir mit unserer Ausrüstung nicht imstande
seien, noch erheblich weiter ins Hochgebirge vor-
zudringen, zumal da auch die Wege zu Ende ge-
wesen wären und man auf gänzlich ungebahnten
Pfaden nur sehr geringe Leistungen erzielt. Der
Temperatur nach mag es sehr wohl sein, daß
auf den höchsten Kuppen Niederschläge in Gestalt
von Schnee vorkommen, wir konnten aber weder
solchen noch Reif bemerken. Wer übrigens sich
nicht in solch unmittelbarer Nähe der höchsten
Gebirgsgipfel befindet wie wir, mag sich auch
leicht täuschen lassen, denn das helle, fast weiß-
liche Gras vermag, namentlich wenn die Sonne
darauf scheint, auf weitere Entfernung leicht den
Gedanken an Schnee wachzurufen. Wir verfolgten
unseren eingeschlagenen Weg weiter und er führte
uns zunächst bergan auf eine Höhe von 3100 m,
den höchsten Punkt, den wir erreichten und der
meines Wissens in Deutsch-Neuguinea je erreicht
worden ist. Es war nachmittags 2 Uhr und die
Temperatur betrug 20 Grad Celsius bei heiterem
Wetter. Von da ging es dann bergab in nord-
östlicher Richtung, und abends spät gelangten wir
auf 1840 m ins erste Dorf des Kombe-Stammes.
Unterwegs hatten wir auf 2900 m eine steile
Kalkwand zu passieren, auf der verstreut Edelweiß
wuchs. Die Pflanzen sind erheblich größer als
die europäischen und die Blüte ist silbergrau.
Im Dorfe wurden wir von etwa 150 Männern
feierlich empfangen, Lebensmittel und ein Schwein
wurden sofort gebracht, und ein lebhaftes Handels-
geschäft hatte sich bald entwickelt.
Als wir am anderen Tage von einem geeig-
neten Platz aus die Situation betrachteten, lag
vor uns nach der Küste zu langsam abfallendes,
verhältnismäßig wenig kupiertes Terrain, das
aus mehreren mit Gras bestandenen Hügelreihen
sich bildete. Es schien gleichsam dafür geschaffen
zu sein, einen Weg nach der Küste zu bilden,
der freilich stellenweise auch seine bedeutenden
Schwierigkeiten bot, wie sich auf dem Marsch
später herausstellte. In nordwestlicher Richtung
waren es die hochragenden Berge des Finisterre-
Gebirges und im Osten die äußersten Gürtel des
Cromwellstockes, die unsere Bewegungen be-
schränkten. Ich will über den Marsch zur Küste
weiter nichts mehr erwähnen, als daß die durch-
wanderten Landschaften sehr bevölkert waren —
wir schätzten den Kombe-Stamm z. B. auf 3000 bis
4000 Seelen —, moöchte aber noch einiges über
die Gebirge anfügen. Rawlinson-, Cromwell-
und Finisterre-Gebirge scheinen im Innern
alle drei an dem oben beschriebenen, ein un-
geheures Massiv bildenden Hochgebirge von durch-
schnittlich 4000 m Höhe zu hängen, dessen höchste
und markanteste Kuppe der Luitpoldberg zu sein
scheint, wenigstens konnte von uns nichts Ahn-
liches mehr gesichtet werden. Wie die Sache nach
der Markhamseite hin aussieht, kann erst durch
eine Besteigung des Gebirges von dort her fest-
gestellt werden. Von der Ebene aus läßt sich
hierüber nichts behaupten, denn die Dunst-
atmosphäre läßt ohnedies wenig Einblick zu, und
schon die ersten Höhen verdecken das Dahinter-
liegende vollkommen.
Es ist wohl begreiflich, daß wir sehr gern
den Luitpoldberg erstiegen hätten, und man wird
es verzeihlich finden, wenn wir uns vornahmen,
es später mit besserer Ausrüstung zu versuchen.
Der Kostenüberschlag indessen sagte uns, daß
dieses hochinteressante Projekt von uns auf längere
Zeit hinaus zurückgestellt werden müsse, denn die
Beiträge, die auf den einzelnen fielen, sind für
unsere Verhältnisse recht erhebliche.
. ch habe nun im Vorstehenden versucht, das-
jenige, das mir hauptsächlich von allgemeinem
Interesse schien, möglichst kurz darzulegen, ein
erschöpfender Bericht von den mancherlei Müh-
salen, humoristischen Zwischenfällen und auch von
den kleineren Beobachtungen ist damit keinesfalls
gegeben. Sollte jemand sich für einzelnes mehr
interessieren, so bin ich zu ausführlicherer Spezial-
auskunft gern bereit. Schließlich bleibt es mir
noch übrig, mit Dank meiner beiden Begleiter,
der Herren Missionare Pilhofer und Flierl, zu
gedenken und nochmals zu betonen, daß es in
der Hauptsache deren Landeskenntnis und Ge-
schicklichkeit im Verkehr mit den Eingeborenen
war, die unserer Expedition einen friedlichen
Verlauf und ein gutes Gelingen sicherten.
Kolonialwirtschaftliche Oittellungen.
Deutsche Samoa-Gesellschaft.“)
Die Kakaopflanzung unserer Niederlassung in
Tapatapao befand sich während des Berichtsjahres
in guter Verfassung bis auf eine Parzelle von 10,2 han
(25 Acres). Diese konnte erst unter Annahme von
Hilfskräften in Ordnung gebracht werden, wobei sich
* Aus dem Geschäftsbericht für 1910.
herausstellte, daß die Annahme des Direktors Deeken,
d die Hälfte der Bäume die UÜberwucherung über-
standen habe, leider durchaus irrig gewesen ist, da fast
80 v. H. des Bestandes verloren gegangen war. Bei
dieser Gelegenheit muß erklärt werden, daß die im
Jahre 1908 durch die damalige Betriebsleitung erfolgte
Verringerung der Arbeiterzahl sich als ein großer
Fehler erwiesen hat, da dadurch die Vernachlässigung