Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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tories Administration Ord. 
Commissioner Ord. 4/07). 
Der Chiel Justice ist ermächtigt, zu den Courts 
Barristers und Sollicitors, und falls Leute mit 
entsprechender Vorbildung nicht vorhanden sind, auch 
andere geeignete Personen als Rechtsbeistände zuzu- 
lassen. Die Anwälte können somit auch vor den mit 
den Verwaltungsbeamten, d. h. Lun Teil Nicht-Juristen, 
besetzten Gerichten auftreten. Der Anwaltsberuf steht 
1/02, The Ashanti 
auch den Eingeborenen offen, und in der Tat haben 
ihn auch schon eine ganze Anzahl von Eingeborenen, 
die die erforderlichen Studien in England erledigt 
haben, ergriffen. Der Anwaltsberuf ist zur Zeit für 
den verenglisierten Eingeborenen der Goldküste der er- 
strebenswerteste Beruf. Verspricht er doch erhebliches 
Einkommen und großen Einfluß. Die Urteile, die ich 
seinerzeit über die farbigen Anwälte an der Westküste 
hörte, waren überwiegend ungünstig. Den vereinzelten 
Stimmen, die die Erleichterung des Prozeßbetriebes 
für den Richter infolge der Tätigkeit der Anwälte 
rühmten, standen harte Urteile aus allen Kreisen der 
Beamten und Privatleute gegenüber. Man machte 
den farbigen Anwälten vornehmlich gewissenlose Aus- 
beutung des Volkes, das sie häufig erst durch ihre im 
Lande verteilten Agenten zum Prozessieren aufreizten, 
und Mangel an einem über affektierte Eitelkeit hin- 
ausgehenden Ehrgefühl zum Vorwurf. Dies galt in 
Accra wie in Lagos. Doch wurden an beiden Orten 
stets einige rühmliche Ausnahmen genannt. Die in 
der Kolonie gemachten Erfahrungen waren jedenfalls 
die Ursache, daß vor den Courts der Protektorate An- 
wälte in keinem Fall zugelassen wurden. Daß sich 
die allgemeine Zulassung der Anwälte vor den Di- 
strict Commissioner Courts auf die Dauer wird 
aufrecht erhalten lassen, möchte ich bezweifeln. 
Das Verfahren in Strassachen ist durch die Cri- 
minal Procedure Ord. 5/76 geregelt worden. Aus 
ihr interessieren hier besonders die folgenden Bestim- 
mungen: Eine Verbindung des Zivilanspruchs des Be- 
schädigten mit dem Strafverfahren gegen den Täter 
ist zulässig (vgl. 58 75, 76 Criminal Code). Bei 
schweren Delikten hat eine Jury von 7 Personen mit- 
zuwirken. Nach § 170 a. a. O. ist grundsätzlich jeder 
Mann zwischen 20 und 60 Jahren, der innerhalb des 
Zuständigleitsbezirks des Supreme Court wohnt, und 
nicht verrückt oder taub ist, verpflichtet, das Amt des 
Geschworenen zu übernehmen. Ausnahmen sind für 
einzelne Beamte und Berufe vorgesehen. Hiernach 
ist es also sehr wohl möglich, und es ist auch schon 
vorgekommen, daß Farbige als Mitglieder der Jury 
über Weiße urteilen. § 119 a. a. O. bestimmt nur, 
daß für den Fall, daß der Angeklagte kein Eingebo- 
rener der Kolonie ist, das Gericht anordnen kann, daß 
die Hälfte der Geschworenen keine Eingeborenen der 
Kolonie sind. In den Verhandlungen wegen „Offen- 
ces“, in denen eine Jury nicht mitwirkt, sind Bei- 
sitzer, gewöhnlich nicht weniger wie 3, mit lediglich 
beratender Stimme hinzuguziehen. Für die Entschei- 
dung verantwortlich bleibt in diesen Fällen allein der 
Richter. 
Bei dem Besuch der verschiedenen Gerichtshöfe an 
der Goldküste und in Nigerien ist mir dann noch auf- 
gefallen, daß die Sitzungssäle regelmäßig verhältnis- 
mäßig groß und die Sitgelegenheiten für das Publi- 
kum ziemlich bequem waren. Die — wohl von der 
englischen Regierung beabsichtigte — Folge war, daß 
das farbige Publikum von der ihm dank der Osfent= 
lichkeit der Verhandlungen gegebenen Möglichkeit, 
dem Verfahren beizuwohnen, in weitestem Maße Ge- 
brauch machte. Ohne jede besondere Anordnung 
wurde allein hierdurch die Verbreitung englischer 
Rechtsanschauung unter den Eingeborenen gefördert. 
  
Auch das materielle Strafrecht ist abweichend vom 
mutterländischen Recht im Criminal Code vom 31. 10. 
1892 codifiziert worden. Eine Folge davon, daß man 
in ihm versuchte, einmal die in den unzähligen Prä- 
judicien des mutterländischen Rechts ausgesprochenen 
Anschauungen niederzgulegen, anderseits aber die be- 
sonderen Verhältnisse der Kolonie zu treffen, scheint die 
außerordentlich kasuistische Fassung seiner Normen zu 
sein. Aus den Deliktstatbeständen hebe ich hervor, daß 
es zum Beispiel ohne Bedeutung ist, ob Mord, Tot- 
schlag, Körperverletzung oder Notzucht sich gegen einen 
Angehörigen der weißen Rasse richten, ferner, daß der 
Gefangene, der entflieht, deswegen mit Gesängnis bis 
zu 7 Jahren und mit Prügelstrafe bestraft werden 
kann, daß Beamtendelikte verhältnismäßig milde — 
vielleicht im Zusammenhang mit dem Brauch, daß 
fast alle Beamten Kaution zu stellen haben — Bigamie 
dagegen sehr schwer bestraft wird, und daß in einer gan- 
zen Anzahl von Fällen außerordentlich lange, häufig 
lebenslängliche Freiheitsstrafen angedroht sind, unge- 
achtet der großen Bedenken, die in dem ungesunden 
afrikanischen Klima der Vollstreckung einer Freiheits- 
see über einen gewissen Zeitraum hinaus entgegen- 
tehen. 
Besondere Deliktstatbestände werden durch fol- 
gende, in erster Linie ebenfalls gegen Eingeborene ge- 
richtete Verordnung geschaffen: 
1. The Firearms, Ammunition and Gunpowder 
Ord. Nr. 3/92, die die Einfuhr und den Handel mit 
Feuerwafsen, Munition und Pulver beschränkt und 
unter ähnliche Bedingungen stellt, wie sie in Togo Ge- 
set sind; 
2. The Peace Preservation Ord. Nr. 6/97, die 
den Gouverneur ermächtigt, den Besitz und das Tragen 
von Waffen für Teile der Kolonie zu verbieten; 
3. Ihe Unisorme Ord. Nr. 7/03, die das un- 
befugte Uniformtragen verbietet; 
4. The Native Customs Ord. Nr. 11/92, die 
bestimmte Eingeborenen-Gebräuche verbietet; insbe- 
sondere sind durch Ausführungsbestimmungen gemein- 
gefährliche Fetischkulte verboten worden; 
5. Eine Verordnung vom 20. 7. 1898 stellt die 
Verfälschung von Palmkernen durch Wässern oder Bei- 
mischen von anderen Stoffen unter Strafe; die Kerne 
unterliegen der Einziehung; 
6. The Cold Mining Protection Ord. Nr. 1/09 
verbietet den Handel mit Produkten der Goldminen= 
industrie ohne besondere Konzession oder Erlaubnis 
des Gouverneurs. Zur Ausübung des Gewerbes als 
Goldschmied ist die Berechtigung nachzusuchen. 
Als Strafen sind im Criminal Code zugelassen: 
Todesstrafe, Freiheitsstrafe (mit und ohne Zwangs- 
arbeit), körperliche Züchtigung, Geldstrafe, Buße und 
Stellung unter Polizeiaufsicht. Hierzu tritt für poli- 
tische Gefangene die Verbannung, die in jedem Fall 
durch eine besondere Verordnung ausgesprochen wird. 
Die Regierung hat dieses Strasmittel hauptsächlich 
gegen die Führer der Ashanti bei den Unruhen von 
1995/96 und 1900 angewandt (vgl. die Ord. Nr. 1/96, 
2/96, 12/96, 11/00 und 8/01). Bei den so häuüg, 
namentlich von ausländischen Stimmen, dem deutschen 
Strafensystem wegen der Zulassung der körperlichen 
Züchtigung gemachten Vorwurf interessieren wohl die 
onglischen Bestimmungen über die Strafmittel am 
meisten. Das englische Recht (vgl. auch The Cor- 
poral Punishment Ord. Nr. 30/03) sieht ebenso 
wie das deutsche Recht die Rutenstrase (whip- 
ping) gegen Ingendliche bis zu 16 Jahren und die 
Prügelstrafe (flogging) mit der neunschwänzigen „at“
	        
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