Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

G 1005 20 
Als Strafen sind Geldstrafe bis zu 32 Acki Gold 
(16 Acki = 1 Oz.), Freiheitsstrafen bis zu 3 Monaten 
und . native punishments“’, soweit sie nicht den 
Grundsätzen der natürlichen Gerechtigkeit und des 
englischen Rechts widersprechen, zugelassen. In Be- 
achtung dieser Regel wird vielfach die Lieferung von 
Tieren statt Geldzahlung verlangt, und es soll auch 
heuie noch häufig vorkommen, daß Häuptlinge ent- 
prechend alter Stammessitte als Strafe die Lieferung 
einer bestimmten Menge Gin auferlegen. 
Die .Native Tribunals“ sind ausschließlich zu- 
ständig für die eigenen Landschaftsangehörigen. Als 
Richter dürfen nur die nach Stammesrecht zuständigen 
Personen fungieren und ebenso dürfen nur die nach 
Stammesrecht dazu berechtigten Personen an der 
Prozeßführung, der Beratung und Urteilsfindung teil- 
nehmen. Damit ist einer unerwünschten Betätigung 
der farbigen Anwälte ein Riegel vorgeschoben. 
Nach der neuen Verordnung kann der Provin- 
cial Commissioner — nach der früheren konnte es 
der Gouverneur, der District Commissioner, der 
Attorney Ceneral und jeder sonst vom Gouverneur 
betraute Beamte —, das vor einem Native Tribunal 
schwebende Verfahren unterbrechen und es vor eine 
höhere Eingeborenen-Instanz oder vor das englische 
Gericht bringen. Gegen seine Verfügung ist die Be- 
schwerde an den Gouverneur zulässig; ein sehr be- 
merkenswerter Gegensatz zum französischen Recht, in 
dem den Administrateuren derartige Eingriffe in die 
Gerichtstätigkeit der Eingeborenen verboten ist. 
M. E. entspricht die englische Bestimmung mehr den 
Bedürfnissen der Praxis. Ich halte sie für die not- 
wendige Voraussetzung für die Übertragung der Ge- 
richtsbarkeit auf die Häuptlinge in so weitem Um- 
fange. Von wem dies Einspruchsrecht ausgeübt wird, 
ist eine Zweckmäßigkeitsfrage. Hat jetzt nur noch der 
Provrincia! Commissioner das Recht zur Unter- 
brechung des Verfahrens, so ist seine Ausübung ent- 
sprechend dem inzwischen erreichten Fortschritt in der 
Beschaffenheit der eingeborenen Richter gegen früher 
nicht unbeträchtlich erschwert. 
Die englischen Gerichte können ihrerseits Sachen 
an die Native Trihunals vorweisen. 
Eingeborene — aus einer fremden Landschaft, 
sobald ihnen die Unkosten erstattet werden — sind 
verpflichtet, vor dem Native Fribunal ihre Aussage 
z machen, für Europäer besteht dagegen ein solcher 
Zwang nicht. Zur Erhärtung von Behauptungen oder 
zur Sicherung der Ausführung einer Handlung oder 
Unterlaßung kann der Häuptlingscid geschworen wer- 
den. Seine Verletzung kann mit einer Geldstrafe von 
4 1,— bis 6 6,— geahndet werden. Das Jative 
Tribunal richtet grundsätzlich nach Stammesrecht, so- 
weit dies nicht den Grundsätzen der Gerechtigkeit und 
Gesittung widerspricht. Gegen seine Entscheidungen 
kann jeder, der sich durch sie beschwert fühlt, Verufung 
einlegen. Diese geht jetzt zunächst an das nach Stam- 
mesrecht übergeordnete Native krihunal: gegen dessen 
Urteil ist Berufung an den District Commissioner 
Court zulässig, vorausgesetzt, daß der Streitgegenstand 
mehr als #§# 5,— beträgt oder in Strassachen auf eine 
höhere Strase als 10 sh oder 7 Tage erkannt ist. 
Gegen die Cntscheidung des District Commissioner 
Courts ist dann noch wieder eine Berufung an den 
Divisgional Court zulässig, sofern der District Com- 
missioner es gestattet oder der Divisional Court es 
anordnet. In allen Landstreitigkeiten wird der 
District Commissioner Court vom Prorincial Com- 
missioner der fraglichen Provinz gebildet; gegen 
dessen Entscheidung ist eine Berufung an den Full 
Court möglich. Die Frist für die Berufung an einen 
Coun beträgt 6 Monate. 
  
Alle vom Native Court verhängten Geldstrafen 
fließen dem präsidierenden Häuptling zu. Ihm ge- 
bühren auch die neuerdings in einem Anhang zur Ver- 
ordnung besonders normierten Kosten, die grundsätz- 
lich von der unterliegenden Partei zu tragen eind. Der 
Häuptling verteilt die eingehenden Gelder nach Stam- 
mesrechts an die mitwirkenden Richter. 
Bezeichnend für die Ausbreitung der Schulbil- 
dung in der Goldküste ist, daß die neue Verordnung 
in weitgehendem Maße die Schriftlichkeit des Verfah- 
rens einführt. Für die Ladungen und Vorführungs- 
befehle sind Formulare vorgesehen, die, soweit der 
Häuptling schreiben kann, von ihm auszufüllen sind. 
Ist er des Schreibens nicht kundig, so geschieht die 
Ladung usw. nach Standesbrauch. Haftbefehle müssen 
stets vom Häuptling unterschrieben oder unterkreuzt 
sein. Uber die Verhandlungen sollen Protokolle ge- 
führt werden. In Landsachen sind sie obligatorisch. 
Sofern der Häuptling nicht schreiben kann, müssen sie 
durch einen Sprecher in ein Buch des District Com- 
missioner zu Protokoll gegeben werden. Die Häupt- 
linge müssen ferner monatlich eine Liste derjenigen 
Straffälle, in denen sie auf eine Geldstrafe von mehr 
als 10 sh oder auf irgendeine Freiheitsstrafe erkannt 
haben, dem District Commissioner zur Weitergabe 
an den Secretary for Native Affairs des Gonverne= 
ments einreichen. Können sie nicht schreiben, so müssen 
sie ihren Sprecher zu dieser Berichterstattung an den 
District Commissioner schicken. 
Auch die Vollstreckung ihrer Urteile ist Sache der 
Häuptlinge. Die Zwangsvollstreckung aus Zioil- 
urteilen richtet sich nach Stammesrecht, für den Voll- 
zug der Freiheitsstrafen sind ative prisons“ einge- 
richtet (ogl. lhe Natire Prisons Ord. Nr. 10/10). 
Die als #native prisons“"“ vom Gonunverncur aner- 
kannten Baulichkeiten werden registriert und öffentlich 
bekannt gemacht. Nur in solchen dürfen vom Native 
ribunal verhängte Freiheitsstrasen vollstreckt wer- 
den. Die höchste zulässige Dauer der Inhaftierung 
einer Person in einem derartigen Gefängnis beträgt 
3 Monate. Der Betrieb dieser Gefängnisse ist durch 
Ausführungsbestimmungen des Gouverneurs geregelt. 
Die Gefängnisse unterstehen der Dienstaufsicht des 
District Cammissioner, der auch den Arzt seines Be- 
zirks mit der Inspigierung beauftragen kann. 
In Ashanti und den Dorthern Territories ist 
durch die Verordnungen, die die gesamte Verwaltung 
regeln (JNr. 1.02), ebenfalls die Täütigkeit von Einge- 
berenen-Gerichten vorgesehen. Sie bleiben in der 
Form, in der sie vorher bestanden, erhalten; sie sind 
nur zuständig in den Fällen, in denen alle Parteien 
Eingeborene von West-Afrika sind. In Zivilsachen 
sind sie für alle Landansprüche und für alle sonstigen 
Aunsprüche im Merte bis zu ## 100,—,— zuständig; in 
Strafsachen für alle Sachen mit Ausnahme der schwer- 
sien Verbrechen. Berufung gibt es für jeden, der sich 
durch die Entscheidung beschwert fühlt, binnen 30 Ta- 
gen an den Commissioner's Court. Der Chief 
Commissioner kann jedes vor einem Eingeborenen- 
Gericht schwebende Verfahren unterbrechen und die 
Sache vor einen Commissioner Court bringen. Auch 
ist es in sein Belieben gestellt, ob er ein Urteil eines 
Native Fribunal vollstrecken lassen will. 
C. Privatrecht. 
Die erste Verordnung, die im Jahre 1874 in der 
neukonstituierten Kolonie erlassen wurde, war die 
Oold Coast Slare Dealing Ord. vom 17. 12. 1874. 
Nach ihr sind Personen, die als Sklaven oder um als 
solche verkauft zu werden, in die Kolonie gebracht 
werden, ipso facto frei. Verträge, die in irgendeiner 
Form den Sklavenhandel zum Gegenstand haben, sind
	        
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