Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

G 1042 2 
Die Aufgabe der gemischten deutsch-englischen 
Grenzexpedition bestand in der Auffindung und 
Vermarkung der durch den Vertrag vom 14. Mai 
1910 in den Hauptpunkten gegebenen Grenzlinie, 
deren vertragsmäßiger Verlauf folgender ist: 
Vom Gipfel des Ssabinjo (3654 m) führt sie 
über den Mgahinga-Gipfel (3487 m) zum höchsten 
Punkte des Muhawura (4112 m). Weiter folgt 
sie dessen nordöstlichen Musongo genannten Berg- 
sporne, und beschreibt dann in östlicher Richtung 
eine flache Kurve. Zwischen den Seen Bolero 
und Tshahafi geht sie etwa halbwegs in gerader 
Linie durch und begleitet dann den Rücken der 
Wugamba-Kette von deren südlichstem Gipfel an 
bis zur Breite des Zusammenflusses der Bäche 
Wigaga und Mugera. Hier verläßt sie die Kette 
und verläuft weiter auf dem genannten Breiten- 
grade bis zum genannten Zusammenflusse. Hier- 
auf folgt sie in südlicher Richtung dem Talwege 
des Wigaga-Baches bis zu dessen Quelle. Dann 
erreicht sie geradlinig einen Punkt, der genau 
1000 m nordwestlich (rechtweisend) vom Gwassa- 
Berge entfernt ist. (Punkt b des Vertrages.) 
Hier nimmt die Grenze eine nordöstliche 
Richtung an und soll längs dreier in ihrer Länge 
und Breite genau vertragsmäßig bezeichneter 
Linien durch einen bisher weißen Fleck der Karte 
bis zur Quelle des südwestlichen Armes des 
Kisinga-Flusses verlaufen, wenn möglich, längs 
natürlicher Grenzen, deren Abweichungen aber 
nicht mehr als 5 km nach Norden oder Süden 
von den Geraden betragen dürfen, und wobei 
weder die Gesamtfläche des deutschen noch die 
des britischen Gebietes vermindert sein darf. 
Der Raum zwischen dem Gwassa-Berge und 
dem Quellgebiete des Kisinga-Flusses erschien auf 
den bisherigen Karten als ein weißer Fleck. Bei 
Besichtigung des Geländes ergab sich, daß ein 
Gebirgsland von etwa 2000 m mittlerer Höhen- 
lage zu durchschreiten war, dessen Formationen 
durchweg in etwa meridionaler Richtung streichen. 
Die Formationen stellen sich dar als hohe, meist 
steilgeböschte Rücken, zwischen denen sich tief ein- 
geschnittene feuchte Täler hinziehen, deren Sohlen 
fließende Bäche führen und oft mit breiten, be- 
sonders bei Regenzeit schwer passierbaren Papyrus- 
sümpfen bedeckt sind. Die Sohle des Muhindu- 
Sumpfes ist ein solcher Papyrussumpf, dessen 
Breite 100 bis 500 m beträgt. 
Diese ungünstigen Verhältnisse ließen es ge- 
boten erscheinen, von der Absteckung der Grenze 
in geraden, die Formationen und die darauf be- 
findlichen zahlreichen Eingeborenen-Siedlungen fast 
rechtwinklig schneidenden Linien Abstand zu nehmen, 
um bei nördlicher und südlicher Abweichung unter 
ständiger Berücksichtigung der Kompensationsfrage 
  
— mit Bezug auf die ideelle geradlinige Grenze 
— möglichst natürliche Grenzen zu finden. 
Diese mühsame Arbeit gelang wider Erwarten 
gut, da es mehrfach möglich war, tief ein- 
geschnittene Täler unter Verfolgung der Wasser- 
scheide zu umgehen unter möglichster Vermeidung 
einer Durchschneidung von Eingeborenen-Sied- 
lungen. Nach lberschreitung des Luwumba-Fluße 
verläßt die Grenze das Gebirgsland von Nord= 
Ruanda und schmiegt sich der fast östlich ge- 
richteten, hier Mashuri-Kette genannten Wand an, 
die den deutlich markierten imposanten Adbfal 
zum Hügellande Mpororo bildet, bis sie, nach 
Umgehung des Kitofu-Berges, dessen Hängen 
folgend, das Quellgebiet des Kisinga-Flusses am 
Ursprung des südwestlichen Armes erreicht. Ven 
hier ab ist die Grenze eine natürliche, durch die 
Talwege der Flüsse Kisinga, Kakitumba und 
Kagera gebildet, durch frühere Vermessungen fei- 
gelegt und topographisch dargestellt, bis zu der 
Stelle, wo der erste Grad südlicher Breite die 
Kagera zum zweiten Male — von Osten her 
gerechnet — schneidet, der weiterhin bis zum 
Westufer des Victoria-Sees die Grenze ist. 
Der westlich des Kisinga-Flusses und östlich 
von dem Vulkangebiet gelegene Teil der Grenz- 
zone ist wenig bekannt, es dürften deshalb einige 
Worte über Land und Leute am Platze sein: 
Das Vulkangebiet ist wissenschaftlich und geo- 
graphisch erforscht worden durch die deutsch-bel- 
gische Grenzerpedition im Jahre 1900 und durch 
die bekannte Expedition des Herzogs Adolf Fried- 
rich zu Mecklenburg 1907/08. Zur Oriennierung 
sei hier ein kurzer Uberblick gegeben, um die Lage 
der Vulkane zur deutschen Grenze zu erläutern. 
Das „westliche Vulkangebiet“ wird von den 
Vulkanen Niragongo (3412 m) und Namlagir 
(2960 m) gebildet, das östliche von den Vulkanen 
Mikeno (4424 m), Karissimbi (4500 m), Wißfote 
(3874 m), Ssabinjo (3654 m), Mgahinga (3487 ) 
und Muhawura (4112 m). Die deutsch-belgicche 
Grenze nördlich vom Kiwu-See liegt zwischen den 
beiden Vulkangruppen, wendet sich aber vom 
Hehuberge ab nach Osten, um über die Gidfel 
des Karissimbi und Wissoke der Kammlinie der 
übrigen Vulkane der östlichen Gruppe, wie bereit 
erwähnt, zu folgen. Vom Ssabinjo zum Akubwe 
in etwa nördlicher Richtung führt die englicch- 
belgische Grenze, so daß der Gipfel des Ssabinso 
jetzt die sogenannte „Drei-Kaiserecke" ist. 
Die landschaftliche Schönheit des Vulkan- 
gebietes ist über jede Schilderung erhaben. Lie 
Krater einiger Vulkane sind noch tätig, der Gipiel 
des Karissimbi ist meist mit Schnee bedeckt. Ale 
sind erstiegen, außer dem Mikeno und Ssabins, 
deren schroffe Gipfelformen dies verbieten. Die 
oberen Teile der Vulkane sind mehr oder weniger
	        
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