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Die Aufgabe der gemischten deutsch-englischen
Grenzexpedition bestand in der Auffindung und
Vermarkung der durch den Vertrag vom 14. Mai
1910 in den Hauptpunkten gegebenen Grenzlinie,
deren vertragsmäßiger Verlauf folgender ist:
Vom Gipfel des Ssabinjo (3654 m) führt sie
über den Mgahinga-Gipfel (3487 m) zum höchsten
Punkte des Muhawura (4112 m). Weiter folgt
sie dessen nordöstlichen Musongo genannten Berg-
sporne, und beschreibt dann in östlicher Richtung
eine flache Kurve. Zwischen den Seen Bolero
und Tshahafi geht sie etwa halbwegs in gerader
Linie durch und begleitet dann den Rücken der
Wugamba-Kette von deren südlichstem Gipfel an
bis zur Breite des Zusammenflusses der Bäche
Wigaga und Mugera. Hier verläßt sie die Kette
und verläuft weiter auf dem genannten Breiten-
grade bis zum genannten Zusammenflusse. Hier-
auf folgt sie in südlicher Richtung dem Talwege
des Wigaga-Baches bis zu dessen Quelle. Dann
erreicht sie geradlinig einen Punkt, der genau
1000 m nordwestlich (rechtweisend) vom Gwassa-
Berge entfernt ist. (Punkt b des Vertrages.)
Hier nimmt die Grenze eine nordöstliche
Richtung an und soll längs dreier in ihrer Länge
und Breite genau vertragsmäßig bezeichneter
Linien durch einen bisher weißen Fleck der Karte
bis zur Quelle des südwestlichen Armes des
Kisinga-Flusses verlaufen, wenn möglich, längs
natürlicher Grenzen, deren Abweichungen aber
nicht mehr als 5 km nach Norden oder Süden
von den Geraden betragen dürfen, und wobei
weder die Gesamtfläche des deutschen noch die
des britischen Gebietes vermindert sein darf.
Der Raum zwischen dem Gwassa-Berge und
dem Quellgebiete des Kisinga-Flusses erschien auf
den bisherigen Karten als ein weißer Fleck. Bei
Besichtigung des Geländes ergab sich, daß ein
Gebirgsland von etwa 2000 m mittlerer Höhen-
lage zu durchschreiten war, dessen Formationen
durchweg in etwa meridionaler Richtung streichen.
Die Formationen stellen sich dar als hohe, meist
steilgeböschte Rücken, zwischen denen sich tief ein-
geschnittene feuchte Täler hinziehen, deren Sohlen
fließende Bäche führen und oft mit breiten, be-
sonders bei Regenzeit schwer passierbaren Papyrus-
sümpfen bedeckt sind. Die Sohle des Muhindu-
Sumpfes ist ein solcher Papyrussumpf, dessen
Breite 100 bis 500 m beträgt.
Diese ungünstigen Verhältnisse ließen es ge-
boten erscheinen, von der Absteckung der Grenze
in geraden, die Formationen und die darauf be-
findlichen zahlreichen Eingeborenen-Siedlungen fast
rechtwinklig schneidenden Linien Abstand zu nehmen,
um bei nördlicher und südlicher Abweichung unter
ständiger Berücksichtigung der Kompensationsfrage
— mit Bezug auf die ideelle geradlinige Grenze
— möglichst natürliche Grenzen zu finden.
Diese mühsame Arbeit gelang wider Erwarten
gut, da es mehrfach möglich war, tief ein-
geschnittene Täler unter Verfolgung der Wasser-
scheide zu umgehen unter möglichster Vermeidung
einer Durchschneidung von Eingeborenen-Sied-
lungen. Nach lberschreitung des Luwumba-Fluße
verläßt die Grenze das Gebirgsland von Nord=
Ruanda und schmiegt sich der fast östlich ge-
richteten, hier Mashuri-Kette genannten Wand an,
die den deutlich markierten imposanten Adbfal
zum Hügellande Mpororo bildet, bis sie, nach
Umgehung des Kitofu-Berges, dessen Hängen
folgend, das Quellgebiet des Kisinga-Flusses am
Ursprung des südwestlichen Armes erreicht. Ven
hier ab ist die Grenze eine natürliche, durch die
Talwege der Flüsse Kisinga, Kakitumba und
Kagera gebildet, durch frühere Vermessungen fei-
gelegt und topographisch dargestellt, bis zu der
Stelle, wo der erste Grad südlicher Breite die
Kagera zum zweiten Male — von Osten her
gerechnet — schneidet, der weiterhin bis zum
Westufer des Victoria-Sees die Grenze ist.
Der westlich des Kisinga-Flusses und östlich
von dem Vulkangebiet gelegene Teil der Grenz-
zone ist wenig bekannt, es dürften deshalb einige
Worte über Land und Leute am Platze sein:
Das Vulkangebiet ist wissenschaftlich und geo-
graphisch erforscht worden durch die deutsch-bel-
gische Grenzerpedition im Jahre 1900 und durch
die bekannte Expedition des Herzogs Adolf Fried-
rich zu Mecklenburg 1907/08. Zur Oriennierung
sei hier ein kurzer Uberblick gegeben, um die Lage
der Vulkane zur deutschen Grenze zu erläutern.
Das „westliche Vulkangebiet“ wird von den
Vulkanen Niragongo (3412 m) und Namlagir
(2960 m) gebildet, das östliche von den Vulkanen
Mikeno (4424 m), Karissimbi (4500 m), Wißfote
(3874 m), Ssabinjo (3654 m), Mgahinga (3487 )
und Muhawura (4112 m). Die deutsch-belgicche
Grenze nördlich vom Kiwu-See liegt zwischen den
beiden Vulkangruppen, wendet sich aber vom
Hehuberge ab nach Osten, um über die Gidfel
des Karissimbi und Wissoke der Kammlinie der
übrigen Vulkane der östlichen Gruppe, wie bereit
erwähnt, zu folgen. Vom Ssabinjo zum Akubwe
in etwa nördlicher Richtung führt die englicch-
belgische Grenze, so daß der Gipfel des Ssabinso
jetzt die sogenannte „Drei-Kaiserecke" ist.
Die landschaftliche Schönheit des Vulkan-
gebietes ist über jede Schilderung erhaben. Lie
Krater einiger Vulkane sind noch tätig, der Gipiel
des Karissimbi ist meist mit Schnee bedeckt. Ale
sind erstiegen, außer dem Mikeno und Ssabins,
deren schroffe Gipfelformen dies verbieten. Die
oberen Teile der Vulkane sind mehr oder weniger