Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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mit einer dichten, für die Sonnenstrahlen fast 
undurchdringlichen Urvegetation bedeckt, die haupt- 
sächlich aus riesigem, dichtem Bambus, stellenweise 
aus Urbusch und Urwald besteht. Hier haust der 
Elefant und der Gorilla, und zwar von letzterem 
eine sonst nicht vorkommende kleinere Spezies. 
Nach Osten und Süden flacht sich die südliche 
Böschung der östlichen Vulkangruppe mehr und 
mehr ab und verläuft sich in die Lavafelder der 
Landschaft Mulera, die sich vom Südfuße des 
Karissimbi bis zum Westufer des Bolero-Sees 
hinzieht. Hier herrschte früher der Sultan Lukara, 
gegen den die Schutztruppe im Jahre 1910 eine 
Straferpedition unternehmen mußte, weil er den 
Pater Lupias von den Weißen Bätern in einem 
Schauri, das zum Streite ausartete, töten ließ. 
Es kam zu einem für die Schutztruppe schwierigen 
Kleinkriege, weil die Eingeborenen sichere Schlupf- 
winkel in den zahlreichen Höhlen und unter- 
irdischen Gängen (leeren Lavaschläuchen) fanden. 
Lukara flüchtete über die Grenze, seine Anhänger 
kehrten bald zurück.) 
In dem Mruhengeri genannten Teile ist die 
Landschaft Mulera wohl bevölkert von einigen 
Watussi und von den Wahnutu des Lukara und von 
Leuten aus dem Belgischen Kongo, die sich wegen 
Menterei und anderer Vergehen dorthin geflüchtet 
haben. Allenthalben sieht man Bohnenfelder, 
auch Mtama, Mais und Banauen. Mühsam 
sind die Lavabrocken zu Haufen zusammengetragen, 
um die Anlagen dieser Kulturen zu ermöglichen. 
Die spärliche, durch Verwitterung der Lava ent- 
standene Bodenkrume belohnt die Mühe durch 
große Fruchtbarkeit. Die Residentur Kigali sah 
sich genötigt, in Mruhengeri einen Verwaltungs- 
posten anzulegen, dessen militärische Bedeckung 
die 11. Kompagnie (Kissenji) stellt. 
Dem Muhawura ist nach Osten zu eine 
Gruppe von Seen vorgelagert, deren größter der 
See im Südosten ist, mit einer Wasserfläche von 
etwa 60 okm. 
Das Bolero-Becken hat am südwestlichen 
Rande eine schmale Offnung, durch die die Ge- 
wässer sich über einen etwa 110 m hohen Wasser- 
fall in den kleineren Luhondo-See stürzen, aus 
dem der Njawarongo, ein Quellfluß der Kagera, 
gespeist wird. 
Der Bolero-See erhält sein Wasser vom Osten 
durch den Russumo-Fluß aus dem riesigen Mru- 
schasch-Papyrus-Sumpf, dessen Tal eine südsüd- 
östliche Richtung hat bei einer Länge von 30 km 
und einer durchschnittlichen Breite von 3 bis 4 km. 
Von der Wugamba-Kette bis zum Gwassa- 
Berge läuft die Grenze etwa parallel zum Mru- 
*) Agl. „D. Kol. Bl.“ 1912, S. 766. 
  
schaschi-Sumpfe, der zwischen ihr und dem Bolero- 
See liegt. 
Im närdlichen, mit dichten Bumbuswäldern 
bestandenen Teile der Wugamba-Kette kommt 
eine Art von Zwergelefanten vor. Der englischen 
Expedition gelang es, ein Exemplar für das 
Londoner Museum zu erlegen. 
Um den Luhondo-See herum ist die Bevölke- 
rung reichlich, auch das Westufer des Bolero-= 
Sees und der zwischen der Grenze (Wugamba-= 
Kette) und dem Russumo-Flusse liegende Gelände- 
komplex sind von Ackerbau treibenden Waniaruanda 
(Wahutu) wohl bevölkert. Das Ostufer des Mru- 
schaschi-Tales ist wenig belebt. Dort befindet 
sich, etwa beim Gwassa-Berge beginnend, eine 
völlige pfadlose Wildnis, die sich weit nach Süden 
hinzieht und südlich vom Gwassa-Berge eine aus 
Bambusbusch und Baumwald bestehende Wald- 
vegetation aufweist. In der Grenzzone reicht 
diese Wildnis nach Osten bis zu den westlichen 
Ausläufern des Kitosso-(Muhindu-) Sumpfes und 
hat eine Breite von etwa 10 ktm. Manche An- 
zeichen sprachen dafür, daß hier vor nicht langer 
Zeit menschliche Siedlungen waren, und es be- 
steht kein Zweifel, daß deren Bewohner vor den 
Batwa geflüchtet sind, die im Waldgebiete am 
Gwassa-Berge hausen. Sobald sich Europäer 
auf dem Ostufer des Mruschaschi zeigen, wechseln 
die Zwerge auf den nur ihnen bekannten Sumpf- 
pfaden auf das westliche Ufer über. Das in der 
Mitte fließende Wasser des Sumpfes überschreiten 
sie auf Flößen aus Papyrus, dessen mit Mark 
gefüllte daumenstarke Stengel eine große Trag- 
fähigkeit besitzen. Auch auf der riesigen allent- 
halben mit 3 bis 4 m hohen Papyrus bedeckten 
Sohle können sie sich so verbergen, daß ihnen 
nicht beizukommen ist. Sie sind sehr kriegerisch 
und als gute Pfeilschützen bekannt, die auf ver- 
hältnismäßig große Entfernungen gute Schüsse 
mit tödlicher Wirkung vermittels ihrer angeblich 
vergifteten Pfeile anzubringen verstehen. Ihre 
Bogen sind aus kunstvoll zusammengelegten und 
festumwickelten Bambusplatten konstruiert, auch 
die Bogensehne ist ein Bambusstreifen. 
Ihre Häuptlinge heißen Gruwe und Bassebja; 
der erstere ist weit und breit als Zauberer ge- 
fürchtet. Bei einer Strafexpedition, die vor zwei 
Jahren gegen die Batwa wegen völliger Unbot- 
mäßigkeit gegen den Herrscher von Ruanda auf 
dessen Bitten unternommen wurde, verlor Gruwe 
all sein Vieh. Trotzdem besteht nach wie vor 
unter der Umwohnern eine panische Furcht vor 
Gruwe und seinen Batwa, die nur vom Raub 
und Tribut leben, was um so verwunderlicher 
ist, als sie an Zahl gering sind. Die im Vulkan- 
gebiet und am Mruschaschi-Sumpf lebenden Batwa- 
Sippen sind höchstens 1000 Köpfe stark. Bei
	        
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