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Wie aber auch vom Vorredner anerkannt, sei
eine Organisation der landwirtschaftlichen Kredit-
verhältnisse in irgendeiner Form erforderlich.
Was die Frage des Meliorationskredits an-
belange, so fänden sich im Deutschen Reiche ganz
verschiedene Regelungen. In Preußen sei es
meist den Provinzen überlassen, den Kredit für
Meliorationen zu beschaffen; in den Mittelstaaten
habe man eigene Landeskultur-Rentenanstalten
gegründet, die erfolgreich arbeiteten. Der Me-
liorationskredit weise die Besonderheit auf, daß
er auf den Mehrwert des Gutes, der infolge der
Melioration entstünde, basiert sei. Bei den ge-
nannten Anstalten hätten besondere staatlich
organisierte und staatlichen Behörden beigegebene
Stellen die Vornahme von Meliorationen anzu-
regen, eingehende Anträge auf ihre Sachgemäß-
heit zu prüfen und darüber zu wachen, daß die
Melioration auch tatsächlich sachgemäß ausgeführt
und damit der Wert des Gutes gesteigert werde.
Eine Reihe von diesen Unternehmungen um-
fasse eine große Personenzahl; schon dadurch
werde man auf das Genossenschaftswesen hin-
geführt. Für das Schutzgebiet kämen wohl
Zwangsgenossenschaften in Frage. Es sei anzu-
nehmen, daß auf dem Prinzip des Zwanges auch
die Genossenschaften aufgebaut seien, an welche
die Transvaalbank seit 1908 Darlehen gewähren
könne. Diese Genossenschaften müßten so organi-
siert werden, daß auch beim Austritt von Ge-
nossen die Haftung des meliorierten Grundstücks
fortbestünde. Eine Kontrolle über die Ausführung
von Meliorationen auszuüben, sei unerläßlich.
Die Meliorationsbanken, welche den Genossen-
schaften die Mittel zuzuführen hätten, seien nach
seiner Ansicht als Staatsanstalten zu gründen.
Freilich bestünde dabei die Gefahr, daß der
Staat ausgenützt werde, man könne aber wohl
ein Gegengewicht schaffen, indem man versuche,
Farmer in ein Kuratorium der Bank zu berufen
oder sie an der Haftung teilnehmen zu lassen.
Insoweit man an eine Organisation des Boden-
kredits herantreten wolle, dürften sich Schwierig-
keiten aus einer Verbindung mit dem Meliorations-
kredit nicht ergeben; auch die Landeskreditkassen
der westlichen Provinzen Preußens gäben Me-
liorationskredit in großem Umfange. llber die
Frage des Betriebs= und Personalkredits wolle
er als Nichtfachmann ein Urteil nicht abgeben.
Er wolle nur bemerken, daß bisher in heimischen
Verhältnissen eine Vereinigung dieser Arten des
Kredits mit Boden= oder Meliorationskredit sich
nicht finde.
Sodann führte Herr Präsident Heiligen-
stadt aus:
Er möchte zunächst hervorheben, daß die
Raiffeisonkassen neben den Geschäften des persfön-
lichen Kredits auch solche des Realkredits in nicht
geringem Umfange betrieben, also eine Vereini-
gung beider Arten des Kredits darstellten.
Wo ertensive Verhältnisse herrschten, halte er
die Arbeitsabteilung, wie sie der hiesige intensive
Geschäftsbetrieb mit sich gebracht habe, für nicht
richtig.
Die Preise des Grund und Bodens böten zur
Zeit für eine weitere Ausdehnung des landlosen
Realkredits keine Unterlage, und ein Realkredit-
institut würde dem bestehenden Bedürfnis nach
Geld nicht genügen. Es müsse zunächst ein ge-
nossenschaftlicher Unterbau für das ganze Land
geschaffen werden. Das habe den Vorteil, daß
die Farmer an der Haftung beteiligt würden,
und so eine Kontrolle stattfände, wie sie auf
andere Weise überhaupt nicht möglich sei.
Die Genossenschaften würden aber allein nicht
genügen. Sie brauchten ein Zentralinstitut, an
das sie sich anschließen könnten. Ein solches sei
am zweckmäßigsten auf kommunalständischer Basis,
so möchte er es nennen, zu errichten. Der Staat
hätte sich mit Kapital daran zu beteiligen, und
es müßten ihm Kontrollrechte vorbehalten werden.
Die Genossenschaften könnten auch den Kredit
für Meliorationen gewähren, natürlich unter
Kontrolle der Verwendung.
Den Personal= und Realkredit zu trennen,
sei ungemein schwierig für Südwestafrika. Die
Genossenschaft könne viel segensreicher wirken,
wenn sie das ganze Kreditgeschäft in Händen habe.
Herr Salomonsohn bemerkte dazu: Die
Raiffeisenkassen habe er bislang nur als Institute
des Personalkredits angesehen, worauf Herr
Heiligenstadt erwiderte, daß die preußischen
Kassen nach einer neueren Aufstellung für etwa
900 Millionen Mark durch hypothekarische Sicher-
heiten gedeckte Darlehen zur Zeit ausstehen hätten.
Herr Salomonsohn bemerkte weiter: In
dem Schutzgebiet bestehe eine große Abneigung
gegen die Errichtung von Genossenschaften, ein-
mal weil die Genossen jederzeit austreten könnten
und damit frei würden. Diesem Bedenken ließe
sich wohl aber begegnen. Als zweites bringe
man gegen die Genossenschaft vor, daß sich nicht
genügend geeignete Personen für die Verwaltung
fänden. Das sei aber insofern widerspruchsvoll,
als gleichzeitig im Schutzgebiet die Errichtung
einer Landeskreditkasse mit ehrenamtlicher Ver-
waltung gefordert werde.
Zweifellos verdiene die genossenschaftliche Basis
den Vorzug.
Der Vorsitzende bemerkte hierzu: Bei der
bisher allein im Schutzgebiet bestehenden Ge-
nossenschaftsbank in Windhuk hätten sich nach dem
bisher vorliegenden Material keine Schwierig-