Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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Wie aber auch vom Vorredner anerkannt, sei 
eine Organisation der landwirtschaftlichen Kredit- 
verhältnisse in irgendeiner Form erforderlich. 
Was die Frage des Meliorationskredits an- 
belange, so fänden sich im Deutschen Reiche ganz 
verschiedene Regelungen. In Preußen sei es 
meist den Provinzen überlassen, den Kredit für 
Meliorationen zu beschaffen; in den Mittelstaaten 
habe man eigene Landeskultur-Rentenanstalten 
gegründet, die erfolgreich arbeiteten. Der Me- 
liorationskredit weise die Besonderheit auf, daß 
er auf den Mehrwert des Gutes, der infolge der 
Melioration entstünde, basiert sei. Bei den ge- 
nannten Anstalten hätten besondere staatlich 
organisierte und staatlichen Behörden beigegebene 
Stellen die Vornahme von Meliorationen anzu- 
regen, eingehende Anträge auf ihre Sachgemäß- 
heit zu prüfen und darüber zu wachen, daß die 
Melioration auch tatsächlich sachgemäß ausgeführt 
und damit der Wert des Gutes gesteigert werde. 
Eine Reihe von diesen Unternehmungen um- 
fasse eine große Personenzahl; schon dadurch 
werde man auf das Genossenschaftswesen hin- 
geführt. Für das Schutzgebiet kämen wohl 
Zwangsgenossenschaften in Frage. Es sei anzu- 
nehmen, daß auf dem Prinzip des Zwanges auch 
die Genossenschaften aufgebaut seien, an welche 
die Transvaalbank seit 1908 Darlehen gewähren 
könne. Diese Genossenschaften müßten so organi- 
siert werden, daß auch beim Austritt von Ge- 
nossen die Haftung des meliorierten Grundstücks 
fortbestünde. Eine Kontrolle über die Ausführung 
von Meliorationen auszuüben, sei unerläßlich. 
Die Meliorationsbanken, welche den Genossen- 
schaften die Mittel zuzuführen hätten, seien nach 
seiner Ansicht als Staatsanstalten zu gründen. 
Freilich bestünde dabei die Gefahr, daß der 
Staat ausgenützt werde, man könne aber wohl 
ein Gegengewicht schaffen, indem man versuche, 
Farmer in ein Kuratorium der Bank zu berufen 
oder sie an der Haftung teilnehmen zu lassen. 
Insoweit man an eine Organisation des Boden- 
kredits herantreten wolle, dürften sich Schwierig- 
keiten aus einer Verbindung mit dem Meliorations- 
kredit nicht ergeben; auch die Landeskreditkassen 
der westlichen Provinzen Preußens gäben Me- 
liorationskredit in großem Umfange. llber die 
Frage des Betriebs= und Personalkredits wolle 
er als Nichtfachmann ein Urteil nicht abgeben. 
Er wolle nur bemerken, daß bisher in heimischen 
Verhältnissen eine Vereinigung dieser Arten des 
Kredits mit Boden= oder Meliorationskredit sich 
nicht finde. 
Sodann führte Herr Präsident Heiligen- 
stadt aus: 
Er möchte zunächst hervorheben, daß die 
Raiffeisonkassen neben den Geschäften des persfön- 
  
lichen Kredits auch solche des Realkredits in nicht 
geringem Umfange betrieben, also eine Vereini- 
gung beider Arten des Kredits darstellten. 
Wo ertensive Verhältnisse herrschten, halte er 
die Arbeitsabteilung, wie sie der hiesige intensive 
Geschäftsbetrieb mit sich gebracht habe, für nicht 
richtig. 
Die Preise des Grund und Bodens böten zur 
Zeit für eine weitere Ausdehnung des landlosen 
Realkredits keine Unterlage, und ein Realkredit- 
institut würde dem bestehenden Bedürfnis nach 
Geld nicht genügen. Es müsse zunächst ein ge- 
nossenschaftlicher Unterbau für das ganze Land 
geschaffen werden. Das habe den Vorteil, daß 
die Farmer an der Haftung beteiligt würden, 
und so eine Kontrolle stattfände, wie sie auf 
andere Weise überhaupt nicht möglich sei. 
Die Genossenschaften würden aber allein nicht 
genügen. Sie brauchten ein Zentralinstitut, an 
das sie sich anschließen könnten. Ein solches sei 
am zweckmäßigsten auf kommunalständischer Basis, 
so möchte er es nennen, zu errichten. Der Staat 
hätte sich mit Kapital daran zu beteiligen, und 
es müßten ihm Kontrollrechte vorbehalten werden. 
Die Genossenschaften könnten auch den Kredit 
für Meliorationen gewähren, natürlich unter 
Kontrolle der Verwendung. 
Den Personal= und Realkredit zu trennen, 
sei ungemein schwierig für Südwestafrika. Die 
Genossenschaft könne viel segensreicher wirken, 
wenn sie das ganze Kreditgeschäft in Händen habe. 
Herr Salomonsohn bemerkte dazu: Die 
Raiffeisenkassen habe er bislang nur als Institute 
des Personalkredits angesehen, worauf Herr 
Heiligenstadt erwiderte, daß die preußischen 
Kassen nach einer neueren Aufstellung für etwa 
900 Millionen Mark durch hypothekarische Sicher- 
heiten gedeckte Darlehen zur Zeit ausstehen hätten. 
Herr Salomonsohn bemerkte weiter: In 
dem Schutzgebiet bestehe eine große Abneigung 
gegen die Errichtung von Genossenschaften, ein- 
mal weil die Genossen jederzeit austreten könnten 
und damit frei würden. Diesem Bedenken ließe 
sich wohl aber begegnen. Als zweites bringe 
man gegen die Genossenschaft vor, daß sich nicht 
genügend geeignete Personen für die Verwaltung 
fänden. Das sei aber insofern widerspruchsvoll, 
als gleichzeitig im Schutzgebiet die Errichtung 
einer Landeskreditkasse mit ehrenamtlicher Ver- 
waltung gefordert werde. 
Zweifellos verdiene die genossenschaftliche Basis 
den Vorzug. 
Der Vorsitzende bemerkte hierzu: Bei der 
bisher allein im Schutzgebiet bestehenden Ge- 
nossenschaftsbank in Windhuk hätten sich nach dem 
bisher vorliegenden Material keine Schwierig-
	        
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