Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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die Einführung fremder Arbeiter angewiesen; die 
Europäerunternehmungen arbeiteten jetzt überwiegend 
mit Chinesen. Dieses Menschenmaterial lasse jedoch 
viel zu wünschen übrig. Die Bedingungen, unter 
denen die Chinesen erhältlich wären, seien stark be- 
lastend und die Chinesenarbeit daher im allgemeinen 
recht teuer. Die Möglichkeit einer günstigeren wirt- 
schaftlichen Entwicklung der Kolonie sei nur dadurch 
gegeben, wenn es gelänge, die nötigen Landarbeiter 
aus Niederländisch-Indien zu beziehen. Malaien seien 
zweifellos die für Samoa besten und brauchbarsten 
Arbeiter. Gelänge das nicht, so müßte man wegen 
der wirtschaftlichen Entwicklung Samoas mit großen 
Sorgen in die Zukunft sehen. 
In der an die Referate sich anschließenden ein- 
gehenden Diskussion wurde allseitig der Ernst der 
Arbeiterfrage in den Kolonien anerkannt. 
* 1* 
* 
Der koloniale Baumwollbau. 
Dem Bericht des Kolonial-Wirtschaftlichen 
Komitees über die deutsch-kolonialen Baum- 
wollunternehmungen Nr. XVI (Frühjahr 1912) 
entnehmen wir folgende Mitteilungen: 
Die Ernte im Baumwolljahr 1911/12 wird in 
Deutsch-Ostafrika auf 5000 Ballen, in Togo auf 
2500 Ballen, insgesamt auf 7500 Ballen à 250 kg im 
Werte von nahegu 3 Millionen Mark geschätzt. Ein 
weiteres Anwachsen der Produktion ist in 1912/13 zu 
erwarten, da die Saatforderung für Eingeborenenkultur 
in Ostafrika etwa 10 000 gentuer gegen einen Verbrauch 
von 6000 zentnern 1911.12 beträgt. Mie in dem vor- 
bildlichen englischen Uganda wird die Saat kostenlos 
an die Eingeborenen und bedürftige Ansiedler verteilt. 
Auch die Oualität ist zufriedenstellend, z. B. er- 
zielte ostafrikanische Abassi-Baumwolle im letzten Halb- 
jahr einen Durchschnittspreis von 83 Pf., ostafrikanische 
Upland 56½ Pf., Togobaumwolle 491¼ Pf. für ½ kx. 
Die Togobaumwolle hat sich weiterhin verbessert und 
notierte als Höchstpreis 53¾ Pf. für ½ kg. 
Trotz des Risikos, welches das Komitce bei der 
wachsenden Produktion eingeht, hat es auch für 1912 
die Garantie von Mindestpreisen übernommen, die 
dort geleistet wird, wo Aufkäufer nicht vorhanden sind 
oder die aufkaufenden Händler diese Preise unterbicten. 
Der Zweck ist insbesondere, die eingeborene Bevölke- 
rung gegen einen plötzlichen Preissturz nach Möglich- 
keit zu schützen. 
Die Förderung der europäischen Plantagenkultur 
erfolgt auf breiterer Grundlage u. a. durch Lieferung 
von Erntebereitungsmaschinen zu besonders vorteilhaften 
Bedingungen, ferner durch Aufstellung von Projekten für 
Bewässerungsanlagen zur Sicherstellung gleichmäßiger 
Ernten. Das inzwischen fertiggestellte Mkatta-Projekt 
für 7600 ha und 3000 hn harrt noch der Ausführung 
durch Interessenten. 
Das landwirtschaftliche Baumwollversuchswesen hat 
durch Ubernahme durch die Kolonialverwaltung einen 
erheblichen Aufschwung genommen. In kurzer Zeit 
sind in Deutsch-Ostafrika die Baumwollstationen 
Mpanganya, Myombo und Kibongoto erstanden 
bzw. ausgebaut worden, die sich mit praktischen Ver- 
suchen auf wissenschaftlicher Grundlage und insbesondere 
mit der Saatzucht und Sortenversuchen befassen. Ebenso 
wird dort die Bekämpfung der Baumwollkrankheiten, 
namentlich der Kräuselkrankheit, planmäßig bearbeitet. 
Mit ähnlichem Programm arbeiten die Regierungs- 
Saatzuchtstationen Kamaa und Nuatjä in Togo. 
Die Bestrebungen, ÖOstafrika unabhängig von 
fremdem Saatgut zu machen, haben bereits Erfolge zu 
verzeichnen. Wie auf den Versuchsstationen der Re- 
  
gierung, so befassen sich auch europäische Plantagen mit 
der Erzeugung hochwertiger einheimischer Saat. 
Einen wesentlichen Faktor in der einheimischen 
Saatfrage bildet das neuerdings in Daressalam ein- 
gerichtete Saatwerk, welches die Aufbereitung und 
Sortierung der Saat für die Wiederaussaat besorgt. 
Zur Durchführung der vom Komitee zu leistenden 
Arbeiten sind ihm für 1912 zur Verfügung gestellt 
vom Reichsamt des Innern 30 000. , von der Wohl- 
fahrtslotterie zu Zwecken der deutschen Schutzgebiete 
100 000 von der Tertilindustrie 80 000 ., ins- 
gesamt 210 000 . 
In Bildung begriffen sind folgende neue Baum- 
wollpflanzungsgesellschaften: Die „Plantagen= und 
Handels-Aktiengesellschaft Kilimani-Hamburg“ — als 
Stammkapital ist 1 Million Mark in Aussicht ge- 
nommen —, „Mgohori-Baumwoll-Gesellschaft m. b. O.“ 
mit einem Kapital bis zu 250 000 , „Rusini= 
Pflangzungsgesellschaft m. b. H.“ mit einem Stamm- 
kapital von 36 000 . K. 
Neue Ginnereien sind für Lindi, Kissaki und 
Neu-Langenburg beantragt. 
Zu einem kritischen Vergleich mit den deutsch- 
kolonialen Baumwollkulturversuchen können einzig und 
allein die zu gleicher Zeit eingeleiteten Versuche in 
den englischen und französischen Kolonien her- 
angezogen werden. Mit Genugtuung dürfen wir fest- 
stellen, daß der deutsch-koloniale Baumwollbau mit dem 
englischen und dem französischen mindestens gleichen 
Schritt hält. 
1. 
u 
Die Baumwollmärkte und die Industrie. 
Uber die Baumwollmärkte und die Industrie 
während des letzten Halbjahres machte bei der kürzlich 
stattgehabten Sitzung der Baumwollbau-Kom- 
mission des Komitees Herr Fabarius von der 
Bremer Baumwollbörse u. a. folgende interessante 
Mitteilungen: 
Die amerikanische Ernte weist als emkörnt bis 
Mitte März die gewaltige Ziffer von 16051.000 Ballen, 
einschließlich 547.000 Ballen Linters, auf und dürfte 
in ihrem Gesamtertrage hinter 16¼ Millionen ein- 
schließlich Linters kaum zurückbleiben. Diese Ziffer 
läßt auf einen Bodenertrag von nahezu einem halben 
Ballen per Acre schließen, den höchsten Ertrag, der 
jemals geerntet worden ist. Für das Jahr 1911/12 
erwartet man einen Gesamtexport von 10 bis 10½ 
Millionen Ballen. 
Diese überreiche Versorgung begegnete nun einer 
Nachfrage, wie sie die Geschichte des Baumwollhandels 
noch niemals vergeichnet hat, und die die Ziffer der 
wirklichen Eutnahmen in amerikanischer Baumwolle 
seitens der Industrie bis Ende März, also für einen 
Zeitraum von 7 Monaten, auf 10 513.000 Ballen 
ansteigen ließ, über ½ Million Ballen mehr, als der 
bioherige Rekord des Jahres 1909. An diesen Ent- 
nahmen hat der Kontinent mit 4278.000 Ballen den 
weitaus größten Anteil. Derselbe bezog 908 000 Ballen 
mehr als in dem genannten Rekordjahre, und nahm 
für sich allein 140,69 v. H. der Gesamtbezüge der Welt- 
industrie in Anspruch, während hiervon 21,96 v. H. auf 
Großbritannien und 37,35 v. H. auf die Vereinigten 
Staaten entfallen. Man erwartet denn auch, daß die 
Gesamtentnahmen für die Saison 1911.12 14 Millionen 
Ballen übersteigen werden. 
Eine fieberhafte Tätigkeit in allen Spinnereien 
begann sofort mit dem Hereinkommen augreichender 
Zufuhren, und diese fieberhafte Tätigkeit kennzeichnet 
auch heute noch die Lage. Zum ersten Male scheinen 
alle Spindeln der Erde am Laufen zu sein, und da
	        
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