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Alkohol. den der echte Fulbe vollkommen meidet.
Ebenso ist die Butterbereitung, und zwar zur Gewin-
nung von Kochbutter, üblich.
Was tut unun der Fulbe Ngaunderes selbst zur
Erhaltung und Vermehrung seiner Herden? Leider
herglich wenig. Sein Interesse gibt sich darin kund,
daß er gelegentlich der Tränke an der Laure aus der
Großstadt heraus kommt, wo er sich sonst während
des ganzen Jahres in süßem Nichtstun aufhält, abge-
sehen von einigen Besuchen auf seinen Farmen. Er
besichtigt dann den wertvollen Bestand, der sonst das
ganze Jahr hindurch den Hirten überlassen bleibt.
Sein teilweise großer Sklavenbesitz ist die Ursache,
daß er sich ganz auf die Bärenhaut legt. Die gleiche
Erscheinung tritt auch in Tibati und Banzjo, also in den
Gebieten auf, die als Grenzgebiete gegen die Urwald-
stämme früher eine günstige Gelegenheit zum Sklaven-
fang hatten. In Garua ist es anders, da hier sowohl
der Sklavenbesitz wie auch der Besitz an Rindvich ge-
ringer ist. Der hier 20 bis 30 Rühe besitzende Fulbe
ist schon ein großer Mann, kann es sich aber nicht
leisten, stündig in Garna zu sitzen, sondern er zieht
selbst auf die Farm hinaus und beaufsichtigt. Man
darf also nicht im allgemeinen von dem großen vieh-
züchterischen Geiste des Fulbe sprechen. Gewiß hat er
Interesse für sein Vieh, da es ja seinen wertvollsten
Besitz darstellt: gewiß ist er sehr bestrebt, diesen Besitz
zu vergrößern und wird unur sehr ungern oder über-
haupt nicht zuchttangliches Muttervieh verkaufen. Aber
so weit geht das Interesse nicht, daß er dem Leben in
der Großstadt entsagt und sich selbst auf seine Farm-
dörfer setzt, um sein Vieh zu überwachen und die Zucht
in die Hand zu nehmen. Das wäre aber der Ideal-
zustand, der auch in Zukunft langsam erstrebt werden
muß, dieses brachliegende Arbeitskapital nutzbar zu
machen. Ohne Zweifel würden die Wiehzucht-Erfolge
bei den geschilderten günstigen Grundlagen noch größer
sein, wenn das Auge des Oerrn selbst darüber wachen
würde, statt daß einem Sklaven, der von einem oder
zwei halbwüchsigen Burschen und Mädchen unterstützt
wird, diese Sorge überlassen bleibt. Allerdings wird
es ja das Bestreben des Sklaven sein, nach Möglichkeit
den Bestand zu erhalten, da ihm jedes Jahr, je nach
Größe der Herde, ein Bulle oder auch eine Kuh als
Belohnung winken, welche für ihn die Grundlage einer
eigenen Zzucht werden. Aber ich bin der festen lber-
zeugung, daß der große Prozentsatz an Vichabgang
zu einem nicht unbedentenden Teil darauf zu schieben
ist, daß der Viehbesitzer nicht selbst bei der Sache ist.
Die so geschilderten günstigen Vieh zuchtverhältnisse
konzentrieren sich auf ein begrenztes Gebiet.
Diese Kongentration um die Stadt Ngaundere
herum ist mit ein Beweis für das Gesagte, daß sich
der große Fulbe hauptsächlich in Ngaundere befindet
und nun natürlich versucht, sein Vieh so nahe wie
möglich heran zu bekommen, um das angenehme Leben
nicht mit beschwerlichen Reisen unterbrechen zu müssen.
Teilweise liegt der Grund natürlich auch in den poli-
tischen Verhältnissen und der früheren Unsicherheit
weiter abgelegener Gebiete, die ja mancherorts anch
heute noch besteht.
Die im Lamidat Ngaundere vorherrschende
Rindvichrasse ist das Fulbebuckelvich. Das
Bororovieh ist nur in verein zelten Herden vertreten.
Im Jahre 1909 sollen etwa 1500 Stück als Passanten=
Vieh an den Laure-Qnellen gewesen sein, für deren
Benntung von den besitzenden Bororos eine bestimmte
Abgabe in Form von Kühen entrichtet wird.
Das in den Händen der Durru besfindliche
kleine buckellose Rind (Abb. 2, dem Urwald-Rind
gleich oder äühnlich, habe ich erst im Lamidat Rei-Buba
kennen gelernt; es spielt aber auch für die Beurteilung
der Ngaundere-Viehzucht zur Zeit eine untergeordneie
Rolle. Es dürfte sich aber empfehlen, für die Gebirgs-
gegenden. in denen es jetzt hauptsächlich vorkommt, die
Erforschung seiner Vorzüge und die systemanische Be-
arbeitung ebenso in die Hand zu nehmen wie die der
anderen Rassen. Denn daß bei diesen drei Rassen
offensichtlich verschiedene Leistungen typisch vertreren
sind, liegt schon darin begründet, daß sich dieselben
nebeneinander rein erhaltew haben.
Wir haben also zu unterscheiden:
1. das Fulbe-Aieh, d. h. das Vieh des jent
verhälmiemäßig seßhaften, auf dem Plateau
lebenden Fulbe, das mittelhoch gestellt, verhält-
nismäßig feinknochig und entschieden ein Tup
des kombinierten Fleisch= und Milchtieres ist.
mit halbhohen Hörnern (Abb. 4
2. das Bororo-Vieh' als den topischen Vertreter
des Nomaderviehes, hochbeinig, sehnig und
knochig gebaut, dessen Fleisch schlecht, das dafür
aber ein guter Milchlieferant und Hauntstune
der Ernährung seiner ohne Oeimat und Ackerbau
lebenden Besitzer ist:
3. das Durru-Uieh (Abb. 2) als den Tupus eines
kleinen, aber sehnigen Gebirgsviehes, das ohne be-
sondere Pflege seine Nahrung sucht, wild und un-
zugäuglich wie sein Besitzer, einzig der Fleisch-
erzeugung von guter Inalität dient.
die sich bei systematischer Bearbeitung noch vervoll-
ständigen lassen wird, und deren Vorzüge sich noch
mehr herauszüchten lassen werden.
Wir können unse, wie gesagt, bei der Beurteilung
der jenzigen Viehzucht Ngaunderes beschränken auf das
Fulbe-Vieh. Die vorhandene gahl von etwa
100 000 Stück ist sast ausschließlich in den Händen
von Fulbes. Der Mbum als ursprünglicher Besiver
dieses Landes hat kein Vieh oder nur ausnahmsweisc.
Die Herdengröße schwankt sehr, und zwar, von den
ganz kleinen Besitzern abgesehen, die in der Minder-
zahl sind, zwischen 410 und 400 Stück. Das letztere
ist natürlich seltener, und der Besitz eines sehr großen
Fulbe wie auch die 1200 Stück zählenden Herden des
Lamidos ganz außergewohnlich sind. Man kann als
durchschnittliche Herdengröße 60 bis 100 Stück an-
nehmen. Diese Herdenstärke ist für die Durchführung
züchterischer Maßnahmen die geeignetste, weil sie un-
abhängig macht von genossenschaftlichem Arbeiten, z. B.
von genossenschaftlicher Bullenhaltung, die unter hiesigen
Verhälimissen noch bei weitem mehr Schwierigkeiten
machen würde als in der Heimat, wenn sie nicht ganz
undurchführbar sein würde.
Was nnn die durchschnittliche Qualität des Viebes
betrifft, so war ich erstaunt über die Ausgeglichen=
heit der Herden. Durchweg guter Wuchs, der selten
die den Europäer infolge seiner heimischen Ausbildung
so unangenehm störende schlechte Rückenlinie mit stark
abfallender Kruppe aufwies, sondern auch nach diesen
Anforderungen schöne Tiere feststellen ließ: gesundes
Auosehen. volle Ernährung — selbst in der bei meiner
Anwesenbeit schon sehr vorgeschrittenen Trockenzeit —,
geringe Angahl kranker Tierec. besonders gute Be-
schaffenheit der Nachzucht, alle diese Kennzeichen ließen
sich übereinstimmend bei den meisten Herden feststellen.
die ich auf meiner Reise gesehen habe. Daß dieses
*) Abb. 3 zeigt ein von dem früheren Residenten
von Adamana HLanpitmann Strümpell aufgenommenes
Rind aus Marna, das wahrscheinlich eine Kreuzung
zwischen Bororo= und Fulbe-Rind darstellt.