Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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Alkohol. den der echte Fulbe vollkommen meidet. 
Ebenso ist die Butterbereitung, und zwar zur Gewin- 
nung von Kochbutter, üblich. 
Was tut unun der Fulbe Ngaunderes selbst zur 
Erhaltung und Vermehrung seiner Herden? Leider 
herglich wenig. Sein Interesse gibt sich darin kund, 
daß er gelegentlich der Tränke an der Laure aus der 
Großstadt heraus kommt, wo er sich sonst während 
des ganzen Jahres in süßem Nichtstun aufhält, abge- 
sehen von einigen Besuchen auf seinen Farmen. Er 
besichtigt dann den wertvollen Bestand, der sonst das 
ganze Jahr hindurch den Hirten überlassen bleibt. 
Sein teilweise großer Sklavenbesitz ist die Ursache, 
daß er sich ganz auf die Bärenhaut legt. Die gleiche 
Erscheinung tritt auch in Tibati und Banzjo, also in den 
Gebieten auf, die als Grenzgebiete gegen die Urwald- 
stämme früher eine günstige Gelegenheit zum Sklaven- 
fang hatten. In Garua ist es anders, da hier sowohl 
der Sklavenbesitz wie auch der Besitz an Rindvich ge- 
ringer ist. Der hier 20 bis 30 Rühe besitzende Fulbe 
ist schon ein großer Mann, kann es sich aber nicht 
leisten, stündig in Garna zu sitzen, sondern er zieht 
selbst auf die Farm hinaus und beaufsichtigt. Man 
darf also nicht im allgemeinen von dem großen vieh- 
züchterischen Geiste des Fulbe sprechen. Gewiß hat er 
Interesse für sein Vieh, da es ja seinen wertvollsten 
Besitz darstellt: gewiß ist er sehr bestrebt, diesen Besitz 
zu vergrößern und wird unur sehr ungern oder über- 
haupt nicht zuchttangliches Muttervieh verkaufen. Aber 
so weit geht das Interesse nicht, daß er dem Leben in 
der Großstadt entsagt und sich selbst auf seine Farm- 
dörfer setzt, um sein Vieh zu überwachen und die Zucht 
in die Hand zu nehmen. Das wäre aber der Ideal- 
zustand, der auch in Zukunft langsam erstrebt werden 
muß, dieses brachliegende Arbeitskapital nutzbar zu 
machen. Ohne Zweifel würden die Wiehzucht-Erfolge 
bei den geschilderten günstigen Grundlagen noch größer 
sein, wenn das Auge des Oerrn selbst darüber wachen 
würde, statt daß einem Sklaven, der von einem oder 
zwei halbwüchsigen Burschen und Mädchen unterstützt 
wird, diese Sorge überlassen bleibt. Allerdings wird 
es ja das Bestreben des Sklaven sein, nach Möglichkeit 
den Bestand zu erhalten, da ihm jedes Jahr, je nach 
Größe der Herde, ein Bulle oder auch eine Kuh als 
Belohnung winken, welche für ihn die Grundlage einer 
eigenen Zzucht werden. Aber ich bin der festen lber- 
zeugung, daß der große Prozentsatz an Vichabgang 
zu einem nicht unbedentenden Teil darauf zu schieben 
ist, daß der Viehbesitzer nicht selbst bei der Sache ist. 
Die so geschilderten günstigen Vieh zuchtverhältnisse 
konzentrieren sich auf ein begrenztes Gebiet. 
Diese Kongentration um die Stadt Ngaundere 
herum ist mit ein Beweis für das Gesagte, daß sich 
der große Fulbe hauptsächlich in Ngaundere befindet 
und nun natürlich versucht, sein Vieh so nahe wie 
möglich heran zu bekommen, um das angenehme Leben 
nicht mit beschwerlichen Reisen unterbrechen zu müssen. 
Teilweise liegt der Grund natürlich auch in den poli- 
tischen Verhältnissen und der früheren Unsicherheit 
weiter abgelegener Gebiete, die ja mancherorts anch 
heute noch besteht. 
Die im Lamidat Ngaundere vorherrschende 
Rindvichrasse ist das Fulbebuckelvich. Das 
Bororovieh ist nur in verein zelten Herden vertreten. 
Im Jahre 1909 sollen etwa 1500 Stück als Passanten= 
Vieh an den Laure-Qnellen gewesen sein, für deren 
Benntung von den besitzenden Bororos eine bestimmte 
Abgabe in Form von Kühen entrichtet wird. 
Das in den Händen der Durru besfindliche 
kleine buckellose Rind (Abb. 2, dem Urwald-Rind 
gleich oder äühnlich, habe ich erst im Lamidat Rei-Buba 
  
kennen gelernt; es spielt aber auch für die Beurteilung 
der Ngaundere-Viehzucht zur Zeit eine untergeordneie 
Rolle. Es dürfte sich aber empfehlen, für die Gebirgs- 
gegenden. in denen es jetzt hauptsächlich vorkommt, die 
Erforschung seiner Vorzüge und die systemanische Be- 
arbeitung ebenso in die Hand zu nehmen wie die der 
anderen Rassen. Denn daß bei diesen drei Rassen 
offensichtlich verschiedene Leistungen typisch vertreren 
sind, liegt schon darin begründet, daß sich dieselben 
nebeneinander rein erhaltew haben. 
Wir haben also zu unterscheiden: 
1. das Fulbe-Aieh, d. h. das Vieh des jent 
verhälmiemäßig seßhaften, auf dem Plateau 
lebenden Fulbe, das mittelhoch gestellt, verhält- 
nismäßig feinknochig und entschieden ein Tup 
des kombinierten Fleisch= und Milchtieres ist. 
mit halbhohen Hörnern (Abb. 4 
2. das Bororo-Vieh' als den topischen Vertreter 
des Nomaderviehes, hochbeinig, sehnig und 
knochig gebaut, dessen Fleisch schlecht, das dafür 
aber ein guter Milchlieferant und Hauntstune 
der Ernährung seiner ohne Oeimat und Ackerbau 
lebenden Besitzer ist: 
3. das Durru-Uieh (Abb. 2) als den Tupus eines 
kleinen, aber sehnigen Gebirgsviehes, das ohne be- 
sondere Pflege seine Nahrung sucht, wild und un- 
zugäuglich wie sein Besitzer, einzig der Fleisch- 
erzeugung von guter Inalität dient. 
die sich bei systematischer Bearbeitung noch vervoll- 
ständigen lassen wird, und deren Vorzüge sich noch 
mehr herauszüchten lassen werden. 
Wir können unse, wie gesagt, bei der Beurteilung 
der jenzigen Viehzucht Ngaunderes beschränken auf das 
Fulbe-Vieh. Die vorhandene gahl von etwa 
100 000 Stück ist sast ausschließlich in den Händen 
von Fulbes. Der Mbum als ursprünglicher Besiver 
dieses Landes hat kein Vieh oder nur ausnahmsweisc. 
Die Herdengröße schwankt sehr, und zwar, von den 
ganz kleinen Besitzern abgesehen, die in der Minder- 
zahl sind, zwischen 410 und 400 Stück. Das letztere 
ist natürlich seltener, und der Besitz eines sehr großen 
Fulbe wie auch die 1200 Stück zählenden Herden des 
Lamidos ganz außergewohnlich sind. Man kann als 
durchschnittliche Herdengröße 60 bis 100 Stück an- 
nehmen. Diese Herdenstärke ist für die Durchführung 
züchterischer Maßnahmen die geeignetste, weil sie un- 
abhängig macht von genossenschaftlichem Arbeiten, z. B. 
von genossenschaftlicher Bullenhaltung, die unter hiesigen 
Verhälimissen noch bei weitem mehr Schwierigkeiten 
machen würde als in der Heimat, wenn sie nicht ganz 
undurchführbar sein würde. 
Was nnn die durchschnittliche Qualität des Viebes 
betrifft, so war ich erstaunt über die Ausgeglichen= 
heit der Herden. Durchweg guter Wuchs, der selten 
die den Europäer infolge seiner heimischen Ausbildung 
so unangenehm störende schlechte Rückenlinie mit stark 
abfallender Kruppe aufwies, sondern auch nach diesen 
Anforderungen schöne Tiere feststellen ließ: gesundes 
Auosehen. volle Ernährung — selbst in der bei meiner 
Anwesenbeit schon sehr vorgeschrittenen Trockenzeit —, 
geringe Angahl kranker Tierec. besonders gute Be- 
schaffenheit der Nachzucht, alle diese Kennzeichen ließen 
sich übereinstimmend bei den meisten Herden feststellen. 
die ich auf meiner Reise gesehen habe. Daß dieses 
*) Abb. 3 zeigt ein von dem früheren Residenten 
von Adamana HLanpitmann Strümpell aufgenommenes 
Rind aus Marna, das wahrscheinlich eine Kreuzung 
zwischen Bororo= und Fulbe-Rind darstellt. 
 
	        
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