Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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vor der Schule, um mir wenigstens die Kleider Durch meinen Begleiter erfuhr ich, daß sie alle 
bis zur Messe in der Frühe zu trocknen. Ich 
legte mich bald auf ein schnell hergerichtetes 
Buschbett zur Ruhe, und dankte Gott, dem Schiff- 
bruch und den feindlichen Geschossen entkommen 
zu sein. Freilich ahnte ich nicht, was am andern 
Tage alles meiner wartete. Es war die lestzte 
Nacht, die ich als freier Deutscher in Kamerun 
zubrachte. 
Andern Tags, Montag, den 28. September, 
las ich früh die hl. Messe, pastorierte die Christen 
und ermahnte sie, in diesen schweren Zeiten mutig, 
aber auch treudeutsch auszuharren. Es war die 
letzte Predigt. Sodann visitierte ich die Schule 
und organisierte die oberen Klassen. Auch viele 
Christen aus Bonaberi, die nachts noch meine 
Ankunft vernahmen, waren zum Gottesdienst her- 
beigeeilt, weil sie glaubten, ich würde nicht mehr 
nach Bonaberi kommen, wo ja tags zuvor am 
Strande die englische Flagge gehißt wurde. Ich 
versprach ihnen aber, dennoch zu kommen und 
allen dortigen Christen Gelegenheit zur Anhörung 
der hl. Messe zu bieten. Daß die Engländer be- 
reits dort waren, kümmerte mich wenig, da ich 
nicht im entferntesten daran dachte, daß die 
Engländer oder Franzosen einen Priester in der 
friedlichen Ausübung seiner Seelsorge hindern 
oder gar wegfangen würden. Ich traute den 
Engländern ja alles zu, nur nicht eine solche 
Perfidie. So fuhr ich, nachdem mein Kakianzug 
einigermaßen trocken war und ich mir von einem 
unserer schwarzen Lehrer ein Paar alte Schuhe 
geliehen hatte, per Rad nach dem zwei. Stunden 
entfernten Bonaberi. Ein schwarzer Schüler trug 
mir die Schrotflinte. Mein Weg führte zuerst 
nach dem etwa 5 Minuten entfernten Dorf 
Bonendale. Die Bonendale-Leute sind mit 
den Bell-Leuten verwandt, und deswegen 
hielten sich dort auch viele Bell-Leute auf. Als 
ich durch Bonendale fuhr, hörte ich, wie die 
Leute bissige und schadenfrohe Bemer- 
kungen über mich als Deutschen machten. 
Meinen Begleiter forderten sie auf, das Gewehr 
wegzuwerfen und mich zu verlassen; denn die 
Engländer würden mich ja doch bald erschießen 
und wehe, wenn sie ihn bei mir sähen. Ich 
kümmerte mich aber wenig darum und fuhr nach 
der Bahnstation Bonendale, ungefähr ½ Stunde 
vom Dorfe Bonendale entfernt. Doch sah ich, 
daß die deutsche Truppe sich bereits zurückgezogen 
hatte: der Telephonapparat war abgerissen, und 
alles entfernt oder vernichtet, was den nachfolgen- 
den Feinden hätte dienstbar sein können. Auf dem 
Wege nach Bonaberi begegnete ich ganzen Massen 
von Schwarzen, namentlich Bonendale-Leuten, 
die mich eigentümlich angrinsten und in Eilschritten 
in der Richtung Bonaberi— Duala marschierten. 
  
nach Bonaberi bzw. Duala gingen, um 
dort zu rauben und zu stehlen; die Eng- 
länder hätten ihnen die Faktoreien der 
Deutschen und viele Privathäuser zum 
Plündern überlassen. Und tatsächlich, als ich 
in die Nähe von Bonaberi kam, begegneten 
mir ganze Züge von Schwarzen mit Stühlen und 
anderem Mobiliar auf den Schultern, die sie sich 
aus den verlassenen Wohnungen geholt hatten. 
Mit teils scheuen, teils schadenfrohen und heraus- 
fordernden Mienen huschten sie an mir vorüber. 
Gegen 8 Uhr kam ich in Bonaberi an. 
Aus Vorsicht ging ich nicht über Bonasama, 
wo unsere Kapelle steht und wo die englischen 
Truppen bereits lagerten, sondern nach Bona- 
Ndumbe direkt zu unserer Schule. Die Dorfstraßen 
sahen unheimlich still aus. Die Schule und Lehrer- 
wohnung waren leer und verschlossen; der Lehrer 
war vorher nach Sodiko gezogen. Während ich 
kopfschüttelnd umherblickte und mich über die 
unheimliche Stille wunderte, kamen scheu einige 
unserer Schüler und Christen herangeschlichen und 
zogen mich durch ein Hinterpförtchen in die leere 
Wohnung des Lehrers, in der die Läden und 
alles verriegelt waren. Dort erzählten sie mir leise, 
daß die Engländer in Bonasama seien, ein paar 
Minuten entfernt, daß sie schrecklich hausen und 
alle Deutschen fangen und vielleicht töten. Ich 
lachte sie aus über ihre Angst um mich, wurde 
aber stutzig, als sie mir weiter erzählten, eine 
englische Patrouille sei eben dagewesen und habe 
Sango Sohlleder, den Vorstand der Basler 
Mission in Bonaberi, gesangen genommen und 
abgeführt. Uberall würden die Deutschen 
gesucht und von vielen Bonaberi-Leuten 
verraten. Und wirklich schon merkte ich, daß 
einige verräterische Bonaberi-Leute sich nach Bo- 
nasama aufmachten, um den Engländern meine 
Anwesenheit zu melden; außerdem erfuhr ich, 
daß einer meiner Träger statt nach Bona-RNdumbe 
nach Bonasama, also direkt den Engländern in 
die Hände lief, und diese sofort auf meine An- 
kunft aufmerksam werden mußten. Ich schwang 
mich deswegen unverzüglich auf mein Rad und 
jagte davon. Außerhalb Bonaberi suchte ich ab- 
seits vom Wege einen verborgenen Platz im Busch 
auf und entwarf mit einem treuen Begleiter, der 
mein Gewehr trug, meinen Plan. Fangen wollte 
ich mich auf keinen Fall lassen; es galt deswegen 
für mich in erster Linie, auf irgendeine Weise 
über den Bonendale-Fluß zu kommen und mich 
zu unserer Truppe zu schlagen, die jenseits des 
Flusses bei Maka stand. Da die Makabrücke 
tags vorher gesprengt worden war, wie man mir 
erzählte nachmittags (27. September), so blieb 
mir nur der Wasserweg offen. Ich wollte des-
	        
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