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jonett, und so ging der Marsch los nach Bona-
sama hinein. An ein Entrinnen war nicht mehr
zu denken.
Bald stießen wir auf eine andere Vorposten-
linie unter Führung eines Weißen. Der englische
Sergeant oder dergleichen, bewaffnet von der
Fußsohle bis zum Scheitel, schlich vorsichtig an
mich heran und musterte mich mit scharfen Augen,
stellte aber nur einige Fragen an mich, wer ich
sei und woher ich käme. In seinen Gesichtszügen
spiegelte sich eine gewisse Beklommenheit. Wir
brauchten nicht lange zu marschieren, um beim
Hause des englischen Kommandanten angelangt
zu sein. Eigentümlich waren die für mich unver-
ständlichen Parolen, die die Soldaten und Vor-
posten beim Begegnen wechselten. Der englische
Kapitän hatte sich im Hause der Kameruner In-
dustriebetriebe einlogiert. Lange mußten wir auf
der unteren Veranda stehen bleiben, bis sich der
Kommandant bemühte, aus den oberen Gemächern
herabzukommen. Als ich seiner ansichtig wurde,
einer jungen, behenden Figur, merkte ich nur zu
gut, daß er sich bereits bei billigem deutschen
Weine gütlich getan hatte. Der Kapitän würdigte
mich anfangs keines Blickes, er sprach nur mit
den schwarzen Soldaten. Nachdem er gehört
hatte, daß ich den Vorposten in die Hände ge-
laufen sei, fragte er sofort einen meiner Begleiter,
ob ich radfahren könnte. Ich merkte dadurch
sofort, was der englische Kommandant mit dieser
Frage bezwecken wollte. Da die Schwarzen nicht
wußten, wie sie antworten sollten und überhaupt
die Frage nicht recht verstanden, trat ich vor den
englischen Offizier hin, streckte ihm den einen Fuß
hin, damit er meine Radfahrgamaschen sähe, mit
dem Bemerken, ich sei der gesuchte Radfahrer.
Er mußte es auch sofort merken, denn unter
meinem Habit hatte ich die Kakihose und die roten
Gamaschen, die nebst der Hose auch die gelben
Schuhe zusammenhielten, welche ich mir von
einem unserer Lehrer geborgt hatte. Kaum daß
ich diesen Schritt getan und mich dadurch als
den lang Gesuchten zu erkennen gegeben, nahm
mich der Kapitän sofort ins Auge und stellte mit
mir ein eingehendes Verhör an. Er zog ein
Notizbuch aus der Tasche und richtete verschiedene
Fragen an mich, ob ich da und dort gewesen sei.
Dabei nannte er der Reihe nach all die Orte und
Plätze, wo mich des Tags hindurch die englischen
Patronillen suchten. Es war mir klar, die ver-
schiedenen ausgeschickten Patrouillen erstatteten bei
ihrer Rückkehr immer getreulich Rapport, daß sie
mich wohl an diesen und jenen Plätzen, da und
dort durch die schwarzen Verräter aufmerksam ge-
macht, suchten, ich ihnen aber immer entwischte.
Ich kam durch diese Fragen so recht zur über-
zeugung, daß die Feinde mit dem Aufgebot
möglichst vieler Truppen regelrecht nach
mir jagten. Dem Kommandanten war es nun
darum zu tun, herauszubringen, ob er es mit
Hinsicht auf die verschiedenen Meldungen mit einem
oder mit mehreren Deutschen zu tun habe. Des-
wegen gab ich, nachdem ich bereits mehrere der-
artige Fragen bejaht hatte, die entscheidende Ant-
wort, indem ich kurzweg erklärte, ich sei der den
ganzen Tag hindurch gesuchte Deutsche, der Pater
von der katholischen Mission. Zornigen Blickes
fragte er mich, warum ich denn nicht gehalten
hätte, als man mir bei der Haltestelle Bonen-
dale nachrief; die nach mir ausgesandte Kolonne
hätte doch auf mich schießen können und dürfen;
warum ich denn unter solchen gefährlichen Um-
ständen gar nicht stillstehen wollte. Ich gab die
bündige Antwort: „Weil ich mich nicht fangen
lassen wollte."
Ungeniert legte ich dann dem Offizier
mein Befremden dar, daß ich es gar nicht
verstehen könnte, warum denn auch die
Missionare weggefangen würden. Wir
hätten so zahlreiche Christenscharen im Busch, und
durch meine Gefangennahme würden diese auch
des letzten Paters von der Duala-Station beraubt
sein; wir Missionare hätten die Pflicht, bei unseren
schwarzen Christen unter allen Umständen zu
bleiben, nur die Gewalt könne uns trennen. Der
Kommandant achtete nicht auf meine Einwände,
er sah mich halb höhnisch, halb mißtrauisch an
und stellte, jedenfalls im Glauben, ich sei ein
Spion, die verfängliche Frage, warum ich denn
auf einmal während der Nacht von selbst heran-
gekommen sei, nachdem ich doch tagsüber immer
entwischte. Unverhohlen gab ich zur Antwort:
„Ich hatte keinen Ausweg mehr, da mich sonst
die schwarzen Verräter in Bonendale und
Bonaberi umgebracht hätten.“ Ich bat sodann
den Kommandanten, mir doch trockene Kleidung
zu besorgen, da ich ganz naßgeschwitzt war; auch
bat ich um etwas Essen; hatte ich doch seit Sonntag
Mittag (1½ Tage) nichts mehr Ordentliches zu
essen und zu trinken bekommen. Der Gentleman
hörte gar nicht darauf, sondern gab der schwarzen
Wache den Befehl, mich sofort in sicheren
Gewahrsam zu bringen, und zwar auf die
Eisenbahnstation. Jch wurde dann von der
zahlreichen schwarzen Truppe, die um das
Bahngebäude herumlagerte, in Empfang
genommen. Der schwarze Feldwebel, nach
dem Aussehen und den Ordenszeichen zu schließen.
ein alter, in vielen Kämpfen erprobter Krieger,
erhielt den Befehl, mich ganz genau zu durch-
suchen nach Waffen und besonders auch nach
Messern. Getreulich waltete dieser seines Amtes,
während scharfe Bewachung mich umstand. Wäh-
rend ich die Hände hochhalten mußte, wurde ich