Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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Das nach Abzug der Kosten verbliebene Aufgeld in 
Höhe von 1000 Kf ist dem Rücklagenkonto gutge- 
schrieben. Die jungen Anteilscheine nehmen für ein 
halbes Jahr an der Dividende des Jahres 1914 teil. 
Der Krieg hat unsere Hoffnungen, die wir mit 
gutem Grund auf die erfolgreiche Entwicklung unserer 
nberseeischen Niederlassungen setzten, vernichtet. Wenn 
noch die ersten sieben Monate des Geschäftsjahres eine 
wesentliche Steigerung der Umsatz= und Gewinnzahlen 
in sämtlichen Abteilungen ergaben, so sind seit Aus- 
bruch des Krieges alle Geschäfte zu völligem Stillstand 
gelangt. Leider sind wir nicht in der Lage, über das 
Schicksal unserer überseeischen Niederlassungen Näheres 
mitguteilen, da wir von der großen Mehrzahl voll- 
ständig abgeschnitten sind und nur selten karge Nach- 
richten ihren Weg zu uns gefunden haben. 
In Tsingtau stand ein neues großes Geschäfts- 
haus kurz vor der Vollendung. Der Bau ist unter- 
brochen. Die vorhandenen Vorräte sind größtenteils 
an die Schiffe des Kreuzergeschwaders und die Be- 
satzungstruppe verkauft. Das Personal, mit Ausnahme 
des Geschäftsleiters, befindet sich in Kriegsgefan- 
genschaft in Japan. Der Geschäftsleiter ist zum 
Verkauf der noch vorhandenen Vorräte auf seinem 
Posten belassen. Bei der Einnahme Tsingtaus 
und den darauf folgenden Wirren sind uns für mehrere 
tausend Mark Waren gestohlen worden. Im übrigen 
dürfte sich der uns dort entstandene Schaden auf den 
Verlust des Geschäfts und die Entwertung des Ge- 
schäftshauses beschränken. 
Anus Tsinanfu, der Hauptstadt der Provinz 
Schantung, wo wir eine eigene Zweigstelle errichtet 
batten, liegen keine Nachrichten vor. Unser materielles 
Interesse an diesem Platze ist gering. 
Schlimm ist es unserer Niederlassung in Hong- 
kong ergangen, wo die britische Regierung die zwangs- 
weise Auflösung sämtlicher deutschen Firmen verfügt 
hat. Dabei ist man auf Anordnung der Londoner 
Zentralregierung in einer alles Gerechtigkeits= und 
Billigkeitsgefühl verhöhnenden Weise und so rücksichts- 
los vorgegangen, daß nach zuverlässigen Berichten der 
englische Gouverneur selbst seine Mitwirkung abgelehnt 
und sein Amt niedergelegt hat. 
Die deutschen Firmen sind nach der berüchtigten 
Vorschrift der Londoner Regierung als „bankerott“ 
zu bebhandeln. Dic zur Abwicklung der Geschäfte von 
der Regierung bestellten Liquidatoren erhalten auf 
Kosten der Firma eine Provision, die teilweise so hoch 
bemessen ist, daß sie einen Gewinn für die Firma von 
vornherein ausschließt. Bei vertraglich abgeschlossenen 
Geschäften in chinesischen Landeverzeugnissen hat der 
Liquidator die Wahl., entweder das Geschäft auszu- 
führen und den Nuten für seine Mühewaltung sich 
anzucignen oder die Ausführung abzulehnen und den 
chinesischen Kunden mit seinen Schadensersatzansprüchen 
an die deutsche Firma zu verweisen. Das gesamte 
nichtdeutsche Personal ist in den Dienst des Liquidators 
gestellt, der auch die Geschäftsbücher, wertvollen Muster 
und Dokumente in Besitz zu nehmen bat. Er ist er- 
mächtigt, die Papiere zu vernichten, um dadurch die 
spätere Nachprüfung seiner Geschäftoführung unmoglich 
zu machen. lliber die Verwendung des nach der Liqui- 
dation sich ergebenden Uberschusses — bei unserer 
Firma ist er auf mehrere hundertlausend Mark zu ver- 
anschlagen — hat die englische Regierung sich die 
Entschließung vorbehalten. 
  
Unsere Niederlassung in Canton ist, weil auf 
chinesischem Gebiet liegend, vom Kriege nur mittelbar 
berührt. Der Platz wird aber geographisch und ver- 
kehrstechnisch von Hongkong beberrscht. Die Briese 
verfallen fast ausnahmslos der britischen Zenfur. Neue 
Geschäfte sind in Canton nicht gemacht. Unsere Nieder- 
lassung ist mit der Abwicklung der alten beschäftigt. 
Wir beabsichtigen, unser dortiges Personal zu den 
vertraglichen Bedingungen beizubehalten. 
Aus Südwestafrika wissen wir nur, daß nach 
der am 19. September 1914 erfolgten Besetzung von 
Lüderitzbucht das noch anwesende Personal ohne 
Rücksicht auf seine Kriegseignung unter Bruch des 
„Völkerrechts“ nach Südafrika in Gefangenschaft ab- 
eführt wurde. Leider ist es, aus bisher unausge- 
lärten Gründen, weder uns noch anderen Firmen 
möglich gewesen, die großen Vorräte ins Innere zu 
verlegen. Unsere Niederlassung Swakopmund war, 
nach uns zugegangenen Berichten, hierin glücklicher; 
ihre und der übrigen Firmen bedeutenden Vorräte 
werden jetzt die Verlängerung des Widerstandes der 
tapferen Schutztruppe ermöglichen. Außer der Weg- 
nahme unserer Vorräte in Lüderitz ucht werden wir 
jedenfalls nicht unerhebliche Verluste aus der durch 
den Krieg verursachten. Zahlungsunfähigkeit vieler 
Ansiedler zu beklagen haben. Die Besetzung Wind- 
huks und Keetmanshoops durch die britischen 
Truppen erfolgte zu einer Zeit, als es unseren Ver- 
tretungen wohl schon gelungen war, die Vorräte, so- 
weit sie nicht von der Regierung in Anspruch genommen 
waren, zu veräußern. 
Günstiger können wir über unsere Unternehmungen 
in Sibirien berichten. Verluste von Belang sind und 
hier nicht erwachsen. Neue Geschäfte nach Sibirien 
sind natürlich nicht abgeschlossen worden. 
In Charbin unterhalten wir seit der Verschmel- 
zung unserer Interessen mit denjenigen der Firma 
R. Warnebold & Co. ein Gemeinschaftsverhältnis 
mit ihrem bisherigen Vertreter, der infolge des Krieges 
von Charbin nach Tientsin übersiedeln mußte. Unsere 
Interessen sind ausreichend geschützt. 
Selbstverständlich haben auch alle sonstigen Ge- 
schäfte, die wir regelmäßig und mit erfreulich fort- 
schreitendem Erfolge nach den übrigen deutschen 
Kolonien, nach Buritisch= Judien und Australien 
machten, ein vorläufiges Ende gefunden. 
Über den Umfang unserer Kriegsorganisation 
Näheres zu berichten, ist es heute noch zu früh. Es 
möge der Hinweis genügen, daß wir auch bei längerer 
Dauer der Kriegoverhältuisse eine befriedigende Ren- 
tabilität unserer Kommanditanteile in Auosicht stellen 
köonnen. 
r— r— 
4 
Der Gewinn an Waren einschl. 4987.#&¾ Vortrag 
beträgt 1 696 §N32 A und wird, wie folgt. verwendet: 
Abschreibungen 291 403 M. Unkosten 5438 5389 . ., 
Delkredererücklage 310 000 Z3, ordentliche Rücklage 
25 3841 /, 15 v. H. Dividende = 307 500 /# Sonder- 
rücklage 30 000 H, Aussichtsratstantieme 37 897 M. 
Gewinnanteil der personlichen Gesellschafter 113693 . 
und Vortrag 6860 .fK. 
1* 
r— 
Der bisherige Verlauf des Jahres 1915 
berechtigt zu der Erwartung eines abermals guten 
Ergebnisses.
	        
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