Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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denen letztere geschlagen worden wären. Über 
Zeit und Ort dieser Kämpfe war nichts gesagt 
worden. Auch neuerdings läßt sich der belgische 
Kolonialminister über derartige Kämpfe am Kiwu- 
und nördlichen Tanganjika= See berichten. Fünf- 
mal hätten die Deutschen versucht, auf der bel- 
gischen Seite festen Fuß zu fassen, seien aber 
jedesmal von den belgischen Kolonialtruppen 
zurückgeschlagen worden. Da auch jetzt wieder 
genauere Angaben über Zeit und Ort meist fehlen, 
die telegraphischen Berichte auch sonst unklar sind, 
läßt sich ein einwandfreies Bild der Lage in dem 
nordwestlichen Grenzgebiet nicht gewinnen. So 
wird z. B. von einem achtstündigen Gefecht be- 
richtet, das in der Gegend des Tanganjika= See 
am 1. März stattgefunden habe. Hierbei sollen 
die Deutschen einen Verlust von 8 Toten, vielen 
Verwundeten, darunter 3 Europäer, gehabt und 
außerdem 1 Maschinengewehr verloren haben. 
Deutscherseits liegt hierüber keine Meldung vor; 
jedoch würde dieses Gefecht zeitlich ungefähr mit 
dem unter dem 2. März gemeldeten Unternehmen 
auf dem Tanganjika-See zusammenfallen, bei 
dem ein englischer und ein belgischer Offizier in 
Gefangenschaft gerieten, und ein Maschinengewehr 
erbeutet wurde. 
Eine weitere belgische Meldung besagt, daß 
„kürzlich" ein Angriff, den die Deutschen in der 
Stärke von 300 Mann, Maschinengewehren und 
Geschützen gegen die Feste am Hebuberg (72) ver- 
sucht hätten, ebenfalls zu einer empfindlichen 
Niederlage geführt habe. 
Unter dem 28. Juni wird dann gemeldet, 
daß eine belgische Kolonne die deutsche Station 
Kissenji am Ostufer des Kiwu-Sees durch Über— 
rumpelung genommen habe. Dabei wird noch 
gesagt, daß diese Station aus einem Betonfort 
bestehe, welches 1913 errichtet und seit Beginn 
des Krieges andauernd verstärkt worden sei. 
Erfahrungsgemäß ist belgischen Mitteilungen 
gegenüber ebenso große Vorsicht geboten wie eng- 
lischen. Man wird daher zunächst etwaige amt- 
liche deutsche Meldungen abwarten müssen. Hier 
sei nur bemerkt, daß z. B. die Angabe, Kissenji sei 
ein Betonfort, glatt erfunden ist. Diese Station 
ist nicht anders gebaut, wie andere Stationen in 
Deutsch-Ostafrika; Betonforts gibt es aber im 
Schutzgebiet überhaupt nicht. 
Der Bericht, welchen der Gouverneur von 
Britisch-Njassaland über eine Unternehmung gegen 
den am deutschen Ostufer des Njassa-Sees ge- 
legenen Sphinrhafen erstattet hat, ist bereits 
vor einiger Zeit in der Tagespresse veröffentlicht 
worden. Da dieses Ereignis jedoch in den 
Rahmen vorliegender Gesamtddarstellung gehört, 
so sei der Bericht hier nochmals wiederholt. 
  
„Am 30. Mai griff eine Marineabteilung 
unter Commander Dennistoun, unterstützt von 
einer Landungstruppe unter Hauptmann Collins 
und dem ersten Bataillon der Kings African Rifles, 
Sphinxhafen an. Nach einem Bombardement 
von See aus und einem Angriff der schwarzen 
englischen Soldaten wurden die Deutschen 
unter Verlusten aus der Stadt vertrieben. 
Die Engländer erbeuteten einige Gewehre und 
Munition und einige Kriegsgeräte. „Hermann 
von Wissmann“ wurde bei dieser Gelegenheit 
vollständig zerstört. Die Wiedereinschiffung der 
Landungstruppen wurde dann erfolgreich durch- 
geführt. Auf englischer Seite gab es einen Ver- 
wundeten.“ 
Diese Schilderung ist ein Muster englischer 
Berichterstattung. Gibt es keine wirklichen Helden- 
taten zu berichten, dann erfindet man eben welche. 
So auch diese vorstehende, die man als ein Unter- 
nehmen gegen einen „markierten Feind“ be- 
zeichnen könnte. Denn irgendwelche deutschen 
Streitkräfte, seien es Schutz= oder Polizeitruppe 
oder gar Europäer, können in Sphinxhafen kaum 
vorhanden gewesen sein, ebensowenig wie es 
dort einen Ort oder gar eine Stadt gibt. 
Um das so großartig geschilderte englische Unter- 
nehmen in das richtige Licht zu rücken, sei Nach- 
folgendes gesagt: Sphinxhafen ist eine Bucht am 
Ostufer des Njassa-Sees, die wegen des Holzreich= 
tums der Umgebung als Brennholzstapelplatz 
für den Dampfer „Hermann von Wissmann“ diente. 
Ebendort befindet sich auch die Helling, auf welcher 
der Dampfer alle Jahre ausgebessert wurde. 
Außer den wenigen Hütten für die Holzfäller und 
einigen Wachmannschaften befindet sich keine An- 
siedlung am Platze. Auch das ziemlich unwirt- 
liche Hinterland ist wenig bewohnt. 
Hier wurde am 13. August v. Is. der zur 
Ausbesserung auf der Helling liegende deutsche 
Dampfer von den armierten englischen Regierungs- 
dampfern überrascht. Kapitän und Maschinist, 
die von dem Ausbruch des Krieges noch keine 
Ahnung hatten, wurden gefangengenommen, und 
der Dampfer durch Beschädigung der Maschine 
unbrauchbar gemacht. 
Anscheinend ist nun dieses Wrack des „Her- 
mann von Wissmann"“ den Engländern doch noch 
gefährlich erschienen. So zogen sie denn mit 
großem Aufwand an Kräften zu seiner völligen 
Zerstörung aus. Auf die ersten Schüsse hin 
werden die wenigen dort vorhandenen Schwarzen 
wohl schleunigst die Flucht ergriffen haben, so 
daß die Engländer ungestört landen und die Ver- 
nichtung des Dampfers vornehmen konnten. Es 
ist den Engländern auch zu glauben, d aß „die 
Wiedereinschiffung der Landungstruppen erfolg- 
reich durchgeführt“ wurde.
	        
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