Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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daner. Die Kirche, die Mission wurden von den 
französischen Soldaten geplündert; alle Straßen 
wurden besetzt; Patrouillen durchsuchten die ganze 
Umgegend von Kribi. Es war mir nicht möglich, 
zu den Brüdern zu gelangen. Zwei Tage und 
zwei Nächte hielt ich mich im Busch bei unseren 
Christen, die sich verborgen hatten, auf. Von 
den Heiden war den Feinden mein Aufenthaltsort 
verraten worden; der Häuptling vom Wasserfall 
wollte mich fangen und an die Franzosen aus- 
liefern. Ich wurde von unseren Christen ge- 
warnt; vergeblich suchte ich einen Führer durch 
den Busch zu den Brüdern. Alles war voll 
Todesangst; die Franzosen hatten alle mit dem 
Tode bedroht, die nicht in ihr Dorf zurückkehren 
würden und den Deutschen irgendwie behilflich 
wären. Dazu kam, daß mir erzählt wurde, feind- 
liche Soldaten hätten nachts das Dorf, wo wir 
uns versteckt halten wollten, überfallen und aus- 
geplündert. So blieb mir nur ein Ausweg übrig, 
nämlich nach Batanga zu gehen, das zwar auch 
schon tags zuvor beschossen, aber noch nicht besetzt 
worden war, und mich mit P. Schwab, dessen 
Wohnhaus man zerschossen hatte, zu beraten, was 
wir nun tun sollten. Nach vieler Mühe — es 
war kein Kanu zu bekommen, das mich über den 
Wasserfall setzte, die Menschen voll Furcht und 
Zittern — gelang es. P. Schwab und ich be- 
schlossen, in die spanische Nachbarkolonie uns zu 
flüchten und die dortige katholische Mission um 
Aufnahme zu bitten. Am 10. Dezember langten 
wir glücklich in Bata an, wo wir auf der Mission 
freundliche Aufnahme gefunden haben. 
III. 
Die Beschießung und Räumung der 
Missionsstation Groß-Batanga. 
Seit Ende Juli sahen wir kein deutsches Schiff 
mehr. Keine Nachricht; nichts herein, nichts hin- 
aus. Es ist, als ob Deutschland vom Erdboden 
verschwunden wäre. Auch unter uns findet kein 
brieflicher Verkehr mehr statt. Keiner weiß, wie 
es dem andern geht und wo sie sind. Eine 
schreckliche Zeit! Man sah kein Schiff, so oft 
auch das Auge die See durchsuchte; höchstens 
strich einer der schwarzen Teufel von Kriegsschiff 
die Küste entlang. 
Am 13. Oktober legten die feindlichen Kriegs- 
schiffe vor Kribi an und beschossen die Stadt 
den ganzen Vor= und Nachmittag hindurch. Ich 
stand in Batanga am Strande und schaute 
diesem schrecklichen Schausfpiel zu. Jeder Schuß 
wurde deutlich in Batanga gehört; auch sah ich 
das Feuer der Kanonen aufflammen. Das arme 
Kribi! 
In Batanga betraten die Feinde zuerst den 
Boden des Südens von Kamerun. Es war am 
  
Allerseelentage, als ein kleines englisches Kanonen= 
boot sich langsam an Batango heranschlich. 
Vorsichtig setzte es Boote aus und ohne einen 
Schuß abzugeben stiegen die Engländer ans Land. 
Wir zwei Patres waren die einzigen Europäer, 
die da waren; Kaufleute und Soldaten hatten 
sich zurückgezogen. Die Engländer vernichteten 
Post und Telegraph, erkundigten sich bei den 
Eingeborenen und ließen mich dann rufen. Ich 
ging hinunter. Der Kommandant gab mir die 
Hand und sagte: Wenn die deutschen Soldaten 
zurückkommen, soll ich ihnen sagen, daß sie, die 
Engländer, die Telegraphenleitungen zerstört haben 
und nicht die Eingeborenen, damit denselben nichts 
geschehe. Dann stiegen die Engländer wieder in 
ihre Boote und das Kriegsschiff dampfte bald 
darauf nach Kribi ab. Kaum waren sie in Kribi, 
da krachte es auch schon, aber an Land gingen 
sie dort nicht. Noch am selben Tage fuhren sie 
nach Longji und nahmen dort drei Europäer 
gefangen. 
Am 3. Dezember kam wieder ein Kriegsschiff, 
diesmal ein Franzose, nach Kribi und beschoß 
die Stadt. Am anderen Tage fuhr es nach 
Batanga herüber. Kaum war es hier, da fing 
es auch schon an zu feuern. Die Granaten 
schlugen gleich ganz nahe bei der Mission ein. 
Alles rannte und flüchtete. Ich lief hinter unserer 
Mission in den Busch hinein. Mehr als zwanzig 
Granaten flogen über meinen Kopf hinweg. Vor 
mir, links, rechts schlugen in einem fort die Gra- 
naten ein. Ich war gerade in die Schußlinie 
gelaufen. Am Abend schlich ich mich wieder auf 
die Station. Das Schiff war weg, kein Mann 
an Land. Aber welchen Anblick bot die Missions- 
station! Es kann nicht anders sein, als daß die 
Franzosen mit Absicht auf mein Haus geschossen 
haben. Auch haben mir Schwarze erzählt, daß 
das Schiff ertra sich so legte, daß sie unser Haus 
treffen konnten. Es änderte nämlich während 
des Bombardements zweimal seine Lage. Ein 
Schuß ging durch die Treppenwange in die Schule 
und hinten zum Fenster hinaus; ein zweiter durch 
die Schule und die an die Schule angebaute 
Medizinkammer; ein dritter Schuß durch das 
Fremdenzimmer und gquer durch zwei andere 
Zimmer; ein vierter durch ein anderes Zimmer 
und ein fünfter quer durch die Küche, wo er 
alles kurz und klein schlug. Ein sechster streifte 
den Pfosten der Veranda und flog in den Busch. 
Eine siebente Granate krepierte im Garten und 
eine achte explodierte nahe bei der Kirche, so daß 
Splitter durchs Wellblech schlugen und das Glocken= 
seil entzweirissen. Welche Wirkung so ein Schuß 
hatte, konnte man daran ersehen: In der Eile 
der Flucht legte ich ein Bund Schlüssel im 
Fremdenzimmer auf den Tisch. Diese Schlüssel
	        
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