Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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Am 7. Oktober erreichte uns die Nachricht, 
daß mehrere größere, mit Kanonen ausgerüstete 
Flußdampfer vor Jabassi lägen, ein heftiges 
Granatfeuer auf das Bezirksamt und die Euro- 
päerwohnungen eröffnet hätten, und daß etwa 
1500 schwarze Soldaten sowie viele Europäer 
gelandet worden seien. Es entspann sich dann 
ein heftiges Gefecht, bei dem es jedoch der nur 
etwa 300 Mann starken deutschen Schutztruppe 
unter Führung von Hauptmann Heedicke gelang, 
die Engländer zurückzuschlagen. Annähernd 
150 Farbige und 15 Engländer sollen dabei 
auf feindlicher Seite gefallen sein, während von 
der deutschen Truppe nur 5 farbige Soldaten — 
3 davon beim Kentern eines Bootes — den Tod 
fanden. Am Tage darauf wurde die Kanonade 
auf Jabassi aufs neue eröffnet, diesmal mit 
solcher Heftigkeit, daß die deutsche Truppe, welche 
keine Kanonen, sondern nur Maschinengewehre 
besaß, vor den feindlichen Granaten nicht stand- 
halten konnte und sich von Jabassi zurückziehen 
mußte. 
Hierdurch wurde den Engländern auch der 
Weg nach Nyamtang frei. Anfänglich hofften 
wir, daß sie sich mit der Einnahme Jabassis be- 
gnügen würden. Gestärkt wurden wir in diesem 
Glauben durch eine Notiz der „Kamerun-Post", 
nach welcher aus Togo gemeldet wurde, daß 
Engländer Privateigentum respektieren. Als wir 
jedoch durch Eingeborene erfuhren, daß sie in 
Jabassi nicht nur die Regierungsgebäude, son- 
dern auch sämtliche Geschäfte deutscher 
Firmen und deren Wohnungen, sogar die 
Basler Missionsstation ausgeraubt und den 
dortigen Missionar abgeführt hätten, da wurde 
es uns immer klarer, daß auch Nyamtang nicht 
verschont bleiben würde. Es vergingen jedoch 
noch vier Wochen, bis sie es wagten, den Weg 
dahin zurückzulegen. 
Es war am 6. November, als während 
des Mittagessens einer unserer Zöglinge uns 
meldete, daß englische Soldaten sich auf dem 
Hofe herumschlichen. Wir begaben uns sofort 
alle auf die vordere Veranda. Kaum hatten die 
Soldaten uns bemerkt, als etliche auch schon ihre 
Gewehre auf uns anlegten. Andere zerrten 
und stießen uns in Gegenwart von Eingeborenen, 
unter denen wir jahrelang gearbeitet hatten, die 
Treppe hinunter und zwangen uns, ohne Be- 
deckung in den glühenden Strahlen der Mittags- 
sonne zu stehen und zuzusehen, wie verschiedene 
Soldaten durch die Zimmer gingen und alles 
Greifbare an Geld, Uhren und anderen Wert- 
sachen in ihre Rucksäcke wandern ließen. Als 
bald darauf ein Oberst mit anderen Offizieren 
erschien und ich mein Befremden darüber äußerte, 
daß Engländer eine Missionsstation in solcher 
K G — 
  
Weise überfallen, sowie mich über die schmachvolle 
Behandlung von seiten englischer Soldaten be- 
schwerte, erhielt ich zur Antwort: „Krieg ist 
Krieg“. Auf unsern Hinweis, daß wir ameri- 
kanische Bürger seien, erwiderte uns der Oberst, 
daß er strenge Weisung habe, alle Weißen, 
ohne Ausnahme, gefangen zu nehmen und 
somit auch wir bis zum nächsten Morgen zur Ab- 
reise bereit sein müßten. Sofort wurden alle Ein- 
gänge des Hauses mit Posten bestellt, Schützen- 
gräben wurden rings um den Hügel ausgeworfen, 
Kanonen, Maschinengewehre und Zelte aufgestellt, 
so daß der eben noch friedlich daliegende Missions- 
hof, auf welchem auch die etwa 700 schwarzen 
Soldaten sich niedergelassen hatten, einem Kriegs- 
lager glich. Meine Bitte, doch wenigstens 
Missionar Orthner, der auch Amerikaner ist, zu 
erlauben, zum Schutze des Eigentums dazubleiben, 
wurde einfach abgewiesen. Auf meine Frage, 
was denn aus dem Missionseigentum und dem 
persönlichen Besitz werden würde, erhielt ich zur 
Antwort, daß das Missionseigentum wohl dem- 
selben Schicksal verfallen würde, welches Kirchen- 
eigentum in Frankreich beim Einzug der Deutschen 
getroffen habe, und daß wir von unserem per- 
sönlichen Eigentum nur so viel mitnehmen dürften, 
als wir auf dem Missionsgrundstück Träger auf- 
bringen könnten. Da nun aber am Morgen 
dieses Tages die meisten unserer Schüler nach 
Hause gegangen waren, bedeutete dies für uns, 
daß wir den größten Teil unseres Eigentums 
zurücklassen mußten. Schweren Herzens machten 
wir uns daran, das Notwendigste in etlichen 
Koffern und Kisten unterzubringen; aber wir 
kamen nicht sehr weit, denn als der Tag sich 
neigte, sagte man uns, daß kein Licht gebrannt 
werden dürfte. Wir trugen dann alles, was 
nicht eingepackt werden konnte, in zwei kleine 
Zimmer, die sicher verschlossen werden konnten. 
Unser Vieh sowie unser Proviantbestand, zu- 
sammen im Wert von etwa 1100 Mark, wurde 
requiriert. Als ich eine Quittung darüber 
forderte, sagte man mir, daß ich sie am nächsten 
Morgen bekommen würde; ich habe sie jedoch 
trotz aller meiner Bemühungen bis heute nicht 
erhalten. In Duala gab mir ein Offizier, als 
ich ihn auf unsern Verlust aufmerksam machte, 
zur Antwort, ich solle froh sein, überhaupt etwas 
gerettet zu haben. 
Daß unser Abschied von der Stätte unserer 
langjährigen Wirksamkeit unter solchen Umständen 
ein recht schmerzlicher war, läßt sich denken. 
Besonders schwer wurde es meiner Frau, die 
infolge des Erlebten sich am Morgen so elend 
fühlte, daß sie sich kaum aufrecht halten konnte. 
Recht froh waren wir deshalb, als es uns in 
dem letzten Augenblick noch möglich wurde, eine
	        
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