Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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Schwäche nahm schnell und zusehends zu. Ein- 
mal flüsterte sie müde: „Niemand denkt an mich!“ 
Auf die Frage, ob sie nicht fühle, daß Jesus, 
ihr Heiland, ihr nahe sei, antwortete sie mit 
Anstrengung ihrer letzten Kraft, aber deutlich ver- 
nehmbar: „Doch!“ Erst gegen Abend kamen 
zwei Arzte zu einer kurzen Untersuchung. Sie 
teilten Missionar Märtens mit, daß seine Frau 
ernstlich krank sei und daß es sich scheinbar um 
eine Gehirnhautentzündung handle, die wohl 
infolge chemischer Einwirkung von Sonnenstrahlen 
eingetreten sei. Eine augenblickliche Gefahr läge 
nicht vor, er könne ins Lager zurückkehren. Gegen 
11 Uhr rief man ihn aber wieder und er blieb 
dann die Nacht über bei ihr. Wie am Tage, so 
ließ sich auch jetzt niemand von dem weißen Per- 
sonal sehen. Am 4. Dezember, vormittags 
10¼ Uhr, entschlief die müde Pilgerin als 
Kriegsgefangene in Feindesland fern von der 
Heimat und allen ihren Lieben. Von der schwarzen 
Pflegerin hörte Missionar Märtens nachträglich 
noch, daß sie in den letzten Tagen sehnlichst nach 
ihm verlangt und täglich gebeten habe, man 
möge doch ihrem Manne gestatten zu kommen. 
Ihr Wunsch blieb unerfüllt. Sie war daher so 
in Sorge um ihn, den sie schon auf einem Ge- 
fangenenkransport wähnte, und voll Sehnsucht 
nach ihren Kindern in der Heimat, die sie vor 
lihrem Tode wiederholt im Geiste sah und mit 
ihnen laut redete, aber niemend war da, der 
ihre Sehnsucht stillte. Dieser Leidenszug hatte 
sich in ihrem Antlitz ausgeprägt. 
Am folgenden Tage, dem Geburtstage eines 
ihrer Töchterchen, fand in früher Morgenstunde 
die Beerdigung auf dem Basler Missions- 
friedhof in Christiansborg statt. Die Basler 
Missionsgeschwister, die an dem herben Ver- 
lust Missionar Märtens’ innigen Anteil nahmen, 
sorgten in anerkennenswerter, dankenswerter Weise 
für all die nötigen Vorkehrungen zur Bestattung; 
sie schenkten auch einen schönen Sarg, da die 
englische Regierung nur einen gewöhn- 
lichen, für Eingeborene bestimmten geben 
wollte. An dem Begräbnis beteiligten sich die 
meisten der Kriegsgefangenen; die Erlaubnis 
dazu war ihnen erteilt worden. In Christians-- 
borg angekommen, schlossen sich dem Trauerzuge 
zu beiden Seiten etwa 150 Missionszöglinge an 
und begleiteten den Sarg singend nach dem 
Friedhofe. Hier erwartete Herr Zürcher, Präses 
der Mission, die 300 bis 400 Personen zählende 
Tranerversammlung. Seinen Trostesworten legte 
er Psalm 39 zugrunde. Die Krankheit der Ent- 
schlafenen erwähnend, sagte er: „Man weiß nicht, 
was Frau Märtens fehlte, als nur das eine: 
sie ist den Ereignissen erlegen.“" Von der Ver- 
sammlung wurden einige Lieder in deutscher, von 
rt 
  
dem Chor der Missionszöglinge einige in der 
Ga-Sprache gesungen. Die Feier machte auf 
alle Beteiligten einen tiefen Eindruck. 
6. Die Behandlung der Missionare in 
englischer Gefangenschaft. 
Sonntag, der 27. September, brachte uns die 
traurige Tatsache der Ubergabe Dualas. Die 
darauf folgende Nacht verlief für uns noch ruhig, 
aber am nächsten Morgen ließen uns die schwarzen 
und weißen Engländer und Franzosen keine Ruhe 
mehr. Unsere Missionare wurden von ihnen 
aus dem Hause kommandiert und mußten vor 
ihnen im Hofe antreten. Montag ließ man uns 
noch frei, am Dienstagmorgen, den 29. Sep- 
tember, wurden wir dann auch gefangen ge- 
nommen. Man sagte uns zwar: „Sie brauchen 
ihre Namen nur im Hospital einzutragen und 
können gleich wieder gehen“, aber man behielt 
uns dort und fing auf diese Weise alle Deutschen. 
Mittwoch wurden wir dann auf den kleinen 
englischen Dampfer „Bathurst“ gebracht. Der- 
selbe ließ, was Reinlichkeit anbetrifft, viel zu 
wünschen übrig. Die Herren mußten Tag und 
Nacht auf Deck zubringen, den Damen wurden 
Kabinen angewiesen, doch in solch einem Zustande, 
daß es Überwindung kostete, darin zu schlafen. 
Um Mitternacht wurden wir geweckt und nach 
Geld untersucht. Als wir aufs Deck kamen, 
hatte man Missionar Märtens schon 200 Mark 
weggenommen. Nur 25 Pfennig hatte man 
ihm gelassen! Auch nach Waffen wurde gesucht. 
Am nächsten Tage fuhren wir dann bis zu dem 
Platz, wo der englische Kreuzer „Cumberland“, 
ein alter französischer Panzerkreuzer und auch 
noch verschiedene Kanonenboote lagen. Dort 
blieben wir die zweite Nacht. 
Betreffs des Essens machte sich niemand 
Sorge. Die ersten zwei Tage bekamen wir 
gar nichts! Am dritten Tage wurde etwas 
Proviant verteilt, doch so, daß man nicht satt 
wurde. Ein Herr bekam ein Glas gemahlenen 
Pfeffer, ich erhielt ein Stück Seife und viele an- 
dere ungenießbare Ware. Am vierten Tage er- 
hielt jeder zwei Stück Schiffszwieback — zusammen 
etwa ½ Pfund — und einen Salzhering, und 
damit mußte man einen Tag auskommen. Später 
gab es Salzfleisch mit Reis. Die Brühe davon 
war oft ganz grün und oben schwammen die 
  
Maden. Teller, Tassen und Bestecke waren nicht 
vorhanden. Einige aßen aus der hohlen Hand, 
andere wir auch — klopften den Rand leerer 
Konservenbüchsen glatt, und aus alten Brettern 
wurden Löffel geschnitzt. Wir hatten eine Emaille- 
schüssel geschenkt bekommen und diese diente uns 
— etwa 22 Personen — als Eß-, Wasch= und
	        
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