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Für die farbige Bevölkerung waren genaue
Angaben nicht erhältlich. Die steuerpflichtige,
d. h. die erwachsene männliche Bevölkerung
wurde vom Commissaire de District auf 270000
Leute und demgemäß die Gesamtzahl der Be-
völkerung auf 1 080 000 Seelen geschätzt. Dies
würde für den ganzen Bezirk eine Bevölkerungs-
dichte von 6,5 Personen auf den Quadratkilometer
ergeben und für die sonstigen Verhältnisse des
Kongo eine sehr gute Ziffer bedeuten. Eine
Nachprüfung der Ziffern für den ganzen Bezirk
ist nicht möglich, doch ist die Bevölkerungs-
dichte in den Gebieten zwischen Kasai und Lulua
augenscheinlich gut und in der Gegend zwischen
Luluaburg und Tshitadi so außergewöhnlich
groß, daß sie hier, wenn man von den großen
Eingeborenenstädten der Yoruba in Südnigerien
absieht, sicher den bestbevölkerten Gegenden
Westafrikas gleichkommt. Auf dieser Strecke reiht
sich mit geringen Unterbrechungen Dorf an
Dorf, Gehöft an Gehöft, und soweit das Auge
reicht, find die Hügel zur Rechten und Linken
der großen Straße ebenfalls mit Siedlungen
besetzt. Ganz ähnliche Verhältnisse herrschen in
den Gebieten bis zu 10 Marschstunden südlich
Tshitadi und in der Umgegend der Missions-
station Mérode Salvator (Kalala Kafumba) und
von Sangula. Wissmann berechnete die Be-
völkerung zwischen Kasai und Lubudi auf
26 Seelen pro QOnadratkilometer. Die Be-
völkerung in unmittelbarer Nähe von Luebo
wurde auf 20 000 Seelen geschätzt. Im übrigen
geben die Veranlagungen zur Steuerzahlung für
die Verteilung der farbigen Bevölkerung im
Bezirk einen gewissen Anhalt. Es wurde die
steuerpflichtige Bevölkerung angenommen für das
Territoire von
Basongo. . . . auf 5000 Männer
Kamtsha-Lubue - 30000 -
Hante-Loange 10000.
Mushenge . . . --- 20000
Lucho é 15000 Oü
Kalamba. . .. 30000 -
(Der Administrateur
nahm allerdings nur 15000
Territoire an.)
in seinem
l
Lulnaburg auf 75000
Sadi . . . .. 15000
Dibaia . . ... 50000 —
Luissa 20 000 -
Die bestbevölkerten Gegenden sind also die
Territoires von Luluaburg und Dibaia, in denen
nach diesen Angaben die Gesamtbevölkerung 15
bzw. 18 Personen pro Quadratkilometer betragen
würde, und es ist wohl kein Zweifel, daß gerade
diese Gebiete auf absehbare Zeit ohne Schwierig-
keit für gewerbliche Unternehmungen und Bahn-
bauten jede nur gewünschte Zahl von Arbeitern
stellen könnten.
Ihrer Stammeszugehörigkeit nach zerfallen
die Eingeborenen des Bezirks in eine sehr große
Anzahl von Stämmen. Die wichtigsten unter
ihnen sind folgende: Die Badinga, Babunda,
Bapende, Batshokwe, Bashilele, Bashobwa, Ba-
kuba, Baluba, Bena Lulua, Babindji, Balolo,
Bakete und Bangende. Ihre Verteilung im
Bezirk zeigt die beigedruckte Skizze. Innerhalb
des Bezirks erfolgt noch eine dauernde Ver-
schiebung der Bevölkerung: die Batshokwe
dringen nach Norden in das Gebiet der Bashilele,
die Baluba ständig weiter nach Westen und
Norden vor.
Von den genannten Stämmen sind die Ba-
shilele und Batshokwe noch fast gar nicht unter-
worfen: Am 7. Juni 1914 wurde ein amerikani-
scher Prospektor bei den Batshokwe ohne triftigen
Grund getötet, Ende Mai 1914 wurden 5 Leute
eines portugiesischen Kaufmanns nicht weit von
Basongo von den Balhilele erschlagen, weil diese
keine Beziehungen mit den Europäern wünschen.
Auch der Leiter der Trassierungserpedition der
Bahn Bascongo—Katanga, der sich allgemein
größten Ansehens und großer Beliebtheit bei den
Eingeborenen erfreut, wurde aus dem gleichen
Grunde im Westen des Bezirks angegriffen. Zum
großen Teil noch nicht unterworfen sind die Ba-
dinga, Bakongo, Bangende und Bakete. Wirklich
unterworfen und in enge Beziehungen zu den
Europäern gebracht sind nur die Bakuba, die
Basonge, die Batetela, die Baluba und die
Bena Lulua, vielleicht auch noch die Bapende.
Die vier zuletzt genannten Stämme sind es auch,
die die Träger und Arbeiter für die Europäer
in erster Linie stellen. Ganz besonders suchen
die Baluba Anschluß bei den Europäern. Sobald
nur ein neuer Gouvernementsposten gegründet
wird, entsteht in seiner Nähe auch ein Balubadorf.
Anderseits ist selbst bei den Bena Lulua noch
ein einzelner Angriff auf den Europäer möglich,
und der im Bezirk reisende Europäer wird daher
bei der geschilderten Sachlage für absehbare Zeit
noch gut tun, überall und stets eine Waffe bei
sich zu tragen.
Große geschlossene Negerreiche gibt es im
Bezirk nicht. Häuptlinge von einem über das
gewöhnliche Maß hinausgehenden Einflutz sind
der „Lukengo“ (Oberhäuptling) der Batuba in
Mushenge und der Oberhäuptling der Bena Lulua
Kalamba, der früher seinen Wohnort in Mukenge,
10 km südlich Luluaburg hatte, später aber in-
solge einer ihm nachgesagten Auflehnungsabsicht
abgesetzt wurde und jetzt in einem kleinen Dorf
in der Nähe der portugiesischen Grenze lebt.