Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVII. Jahrgang, 1916. (27)

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des Me. Desaegher und erklärte unter dem Bei- 
fallsjubel der Zuhörer, den der Präsident rügte: 
„Messieurs, éclairé par les débats et 
obéissant à ma conscience, je reconnais due 
T’action est non fondée. En conséquence, 
je requiers D’acquittement du commuandant 
Lothaire.“ 
Der Gerichtshof, bestehend aus dem Juge 
d’appel und 4 Zivilbeisitzenden zieht sich zurück 
und verkündet nach einer Beratungszeit von einer 
Le Gouvernement Impérial ne saurait tolérer blus 
longtemp cette situation qui est contraire aux traités. 
diese scharfe Note antwortete der Kongostaat 
am uir. Dezember 1895 kurz folgendes 
NM. le Comte (Abeneleben) 
„Comme suite à la communication de Votre Ex-- 
ecllence du 9 de ce mois ’ai PFhonneur, sans entrer 
dans I’examen de la rqucstion du# droit, de Lui deelarer 
formellement du’il n’existe pas de primes commerciales 
accordées aux ugents de I’Etat Indép. du Congo. et 
duc le Gouvernement M’'a pas Dintention d'en établir. 
Pas plus sur le caoutchonc duc sur Tivoirc ou tout 
autre produit.“ 
Es geht aus dem Eutwurf dieser mehr als unver- 
frorenen Antwort, der sich in dem Dossier der Stokes- 
Affaire befindet, hervor, daß sie dem König vorgelegen 
und daß dieser, wie die Handschrift ergibt, sie selbst 
umredigiert hat. Er betrachtete also die von Deutschland 
geforderte Abschaffung des Prämiensystems als eine 
mit der Souveränität des „Unabhängigen“ Kongostaates 
unvereinbaren Anspruch und als eine unberechtigte Ein- 
mischung in die inneren Verwaltungsverhältnisse des- 
selben. 
doch war das Vorhandensein eines solchen 
Prämiensystems, das sich nicht nur auf Elfenbein und 
Kautschuk, sondern auch auf die Anzahl der zusammen- 
gebrachten Arbeiter und Soldaten erstreckte, offenkundig. 
Das System war 1888 auf Anregung des Capt. Coquilhat 
eingeführt worden. In der Sitzung der belgischen 
Deputiertenkammer vom 16. März 1905 brachte der 
Abgeordnete Vandevelde einen Geheimerlaß des Staats- 
selretärs van Eetbelde vom 20. Juni 1892 zur Ver- 
lesung, in dem Gratifikationen „proportinces aux krais 
d’exploitation“ zugesagt wurden. Der Prämientarif 
war um so höher, je niedriger sich die Einstandspreise 
des Kautschuks und Elfenbeins für den Staat stellten. 
Infolge der Stokes- Affaire wurden, um die Sache mehr 
zu verschleiern, oints de mérite“ eingeführt, was nur 
ein anderer Name für dieselbe Sache war. Seit dem 
31. Dezember 1896 wurde das System durch „allocations 
de retraite uux agents dJui se seraient le plus distingués- 
ersebt. Diese Sonderentlohnungen stiegen bis auf 
10 000 Fr. pro Jahr. 
Sie wurden gerichtsnotorisch in einem Beleidigungs- 
prozeß, den einige kongolesische Offiziere gegen den 
ungliischen Capt. Gun Burrows im März 1904 vor dem 
High Gourt of Justice, King's Bench Division in London 
zum Austrag brachten. Nach den stenographisch auf- 
genommenen Gerichtsverhandlungen, die gedruckt vor- 
liegen (The Burrows Action in London. Short-Hand 
Report. Brussels J. Lebèguc and Co. 1904), kam ein 
Brief des Capt. Burrows an den Generalsekretär des 
Konqostgat-. Veebrecht zur Verlesung, in dem es heißt: 
-Sir, I have the honour to ask Fou to have the good- 
noss to rwert the (orernment to permit mc to convert 
into capital (i. c. sell) my allotment of the public debt 
  
halben Stunde die Freisprechung Lothaires. Die 
Kosten werden der Staatskasse auferlegt. Die dem 
Kongostaat aus der Affaire Stokes erwachsenen 
Kosten dürften keine geringen gewesen sein. Zu- 
nächst hatte er auf die Forderung Englands 
150 000 Franken an die Hinterbliebenen von 
Stokes zu zahlen und die von Leutnant Heury 
in dem Hauptlager von Stokes in Kwa Mpini 
am Ituri am 1. Februar 1896 widerrechtlich 
beschlagnahmten Waren und Elfenbeinvorräte 
4% Congo Frec Stute, granted br Four letter No. 61.01 
dated the 19tn April 1901.= Der Rechtsanwalt fügte 
zur Erläuterung bei: „The explanation is thut when 
an officer has served in the Congo for a certain time 
and retires from the service there is allotted to him 
a certain inrome from the Public Debt, and be is 
allowed to inke that us a lump sum, instend ob recei- 
ving the interest from Fear to Fear upon the proportion 
which is allotted to him.“ (S. 27.) 
Auf S. 146 ergibt sich, daß er bonus“, den Capt. 
Burrows „for his good rr ices“ erhalten hatte. sich 
auf etwa 20 000 Fr. belie 
s geht also aus dichn beiden Stellen unzweifel- 
haft hervor, daß noch 1901 trotz aller Ablengnungen 
des Kongostaates solche Prämien= oder Bonusver- 
gütungen für das Wolerhalten, d. h. für die sleißige 
Kautschuk= und Elfenbein-Sammeltätigkeit den Agenten 
gezahlt wurden. 
Außerdem erhellt aus diesen Gerichtsverhandlungen 
auch noch eine weitere interessante Tatsache. Bei dem 
Prozeß der drei Töchter des Königs gegen den Bel- 
gischen Staat ist 1910 durch zeugeneidliche Aussagen 
der nächsten Vertranten des verstorbenen Königs fest- 
gestellt worden, daß nur ein verhältmismäßig kleiner 
Teil — etwa 15 Millionen — der 4% igen Anleihe des 
Kongostaates von 1901 im Betrag von 50 Millionen Fr. 
hat abgesetzt werden können. Der König hat sich von 
dem Hauptkassenverwalter Pochez einen esheblichen Teil 
der fertiggestellten Stücke der Anleihe nach und nach 
aushändigen lassen, ohne den Gegenwert an die Staats- 
kasse abzuführen und sie nach Gutdünken verwandt. 
Diese dem Kongostaat entfremdeten Stücke scheinen zum 
Teil also auch bei den Prämienzahlungen an die Agenten 
Verwendung gefunden zu haben. 
Von den belgischen Autoren, die sich mit dieser 
Mißwirtschaft der geheimen Prämien beschäftigt haben, 
ist seiner Zeit hervorgehoben worden, daß nur cin 
belgischer Offizier, der Capt. Roget, es mit seiner Ehre 
als lnvercinbar erachtet habe, sich derartige Gelder 
von der Kongoverwaltung zustecken zu lassen. 
Unter den vielen Zeugnissen, die für das Bestehen 
des Prämiensystems in der Kongoliteratur angeführt 
sind, wird immer der folgende Brief") besonders charak- 
teristisch bleiben, den ein kongoltesischer Leutnant Tilkens 
898 an seine Mutter schrie 
„Lo commandant V. rstructen a visité ma station 
et m’r hautement félicitc, II m’'a dit que la teneur 
de son rapport deépendra de In duantité de caoutchoue 
que j’aurni livrée. En septembre, j’en avais 300 kilo: 
en octobre, jen ni cu 1500, et des janvier, il x en 
aura 4000 par mois, cedui me vandra une augmen- 
tation de solde de 500 franes. J’ai de la chance. 
#o’est-ce pas? car si je fais encore pendant deux 
ans dans le caoutschonc. i’aurai une plus-value de 
12 000 francs.“ 
*7 R. Clapardde ct Dr. H. Christ-Socin, 7 Gaolution 
d'un Etat phĩilantropique. iendre 1909.
	        
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