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Gerichtshof zu bilden. Die Verhandlungen des-
selben fanden am 4. August 1896 statt und liefen
auf eine große Komödie, wie auch der deutsche
Gesandte in seinem Bericht vom 25. Juni 1896
bereits vorausgesagt hatte, hinaus. Der Conseil
hätte Lothaire und die Zeugen gar nicht ernstlich
zwingen können, vor ihm zu erscheinen, und der
Kongostaat hätte kein Zwangsmittel gehabt, um
in dem von vornherein höchst unwahrscheinlichen
Fall einer Verurteilung das Urteil zu vollstrecken,
zumal der Angeklagte belgischer Staatsbürger
war, über den ein kongolesisches Gericht in Bel-
gien nach der damaligen Rechtslage kein Urteil
sprechen konnte.
Die Verhandlungen vor dem Conseil drehten
sich nach den Akten fast nur um die von dem
Präsidenten, dem ehemaligen Minister de Volder,
an den Angeklagten gestellte Frage: „La pen-
daison est le mode d'’exécution des non-mili-
taires. Dautre part vous avez privé Stokes
de son droit d'appel?“
Es bestand nämlich folgendes Dekret:
18. 2. 1802.
Dep. de la Justice C. VII.
Boma, le 19 février 1892.
Conformément à larticle 89 du décret du
27 avril 1889 j'ai déridé due les exécutions
capitales se feraient dorénavant par la corde
pour les eivils; quant aux militaires con-
damnés à mort ils seront fusillés.
Jattire votre attention sur le fait que
jamais une exécution peut avoir lieu tant que
les délais accordés par la loi, au condamné,
pour se pourvoir en appel, ne sont pas expirés.
Le Viee Gouverneur Général
(s.) Wahis.
Auf alle Fälle hat Lothaire gegen diese Be-
stimmung verstoßen. War die Expedition Stokes
einc militärische und Lothaire hatte sie nachträg-
lich auf Grund besonderer Überlegungen und zu
seiner besseren Verteidigung zu einer solchen
frisiert und das Gericht in Boma war ihm ge-
folgt, weil die Leibgarde von 26 Mann des Stokes
eine Art Marineuniform trug, wie sie auch die
bewaffneten Begleiter des Grafen von Götzen ge-
tragen hatten, so konnte zwar an Stokes als Mi-
litär sofort das Todesurteil vollzogen werden, er
mußte aber erschossen und durfte nicht gehängt
werden. War er aber Zivilist, so mußte ihm die
Berufung an das Appellgericht in Boma gewahrt
bleiben.
Lothaire erklärte auf obige Frage:
„J'ai considéré Stokes comme militaire.
J ’étais renseigné par les hommes qui avaient
6 à Kwampeni: la troupe de Stokes était
organisée avec uniformes. gradés etc. Stokes
a 6té pris avec 25 réguliers armés de
„Mauser“ allemands, et 300 A 400 hommes
armés de fusils à piston. Si dans ces con-
ditions je I’ai condamné à éêtre pendu, eest
parce due Kibonghé avait 6t6 fusillé et due
son cadavre avait 6té horriblement mutilé
par les balles. Je n’'ai pas voulu mutiler
Stokes. J’ai rendu à sa dépouille les honneurs
militaires.“
Mit dieser fadenscheinigen Erklärung gab sich
der Gerichtshof ohne jede Bemerkung zufrieden.
Der Staatsanwalt, als welcher der Advokat und
liberale Abgeordnete und jetzige Londoner Ge-
sandte der belgischen Regierung in Harre,
P. Hymans, sungierte, hielt statt einer Anklage
eine feurige, öfters vom Beifall der Zuhörer
unterbrochene und mit scharfen Ausfällen gegen
England — nicht gegen Deutschland — gewürzte
Verteidigungsrede, die mit den Worten schloß:
„Gest pour moi un indicible bonheur,
Pour la premieère fois qdue je remplis les fonc-
tions de ministre public, ’arriver à la fin de
la lourde täche due j’ai assumée en recon-
naissant due je suis en présence non point
d'un eriminel, non point d'un läche meurtrier,
mais d'’un soldat loyal, d'un brave GEensation
Prolongéce) et de pouvoir en iame et
conscience réclamer de la cour un arrét
d’acquittement.“
Die Berufung wurde vom Gericht verworfen
und Lothaire abermals freigesprochen.
Eine merkwürdige Rolle hat in der ganzen
Angelegenheit der Arzt Dr. Michaux gespielt, wie
auch aus den noch zu erwähnenden Briefen
Stanleys hervorgeht. Er hat sich ganz offenbar
wegen der Urteilsfindung Lothaires, der Richter
und Henker in einer Person war — Michaux
wirkte bloß als Dolmetscher des Englischen mit —,
schwer mit ihm überworfen, er verließ die Ex-
pedition und kehrte zorngeladen nach Belgien
zurück. Die Zeitung „Le Soir“ brachte am
29. August 1895 auch eine entsprechende Meldung,
daß Dr. Michaux gegen die Erhängung von Stokes
protestiert und deswegen die Expedition verlassen
habe. Offenbar ist aber auf Dr. Michaux alsbald
auf das stärkste eingewirkt und er veranlaßt
worden, diese Nachricht zu dementieren.
Der englische Gesandte in Brüssel Sir Francis
Plunkett setzte es beim Kongostaat durch, daß er
Dr. Michaux in Gegenwart des Staatssekretärs
van Eetvelde vernehmen konnte. Dr. Michaux
gab bei dieser Gelegenheit nur zu, daß er versucht
habe, Lothaire von der Ausführung des Urteils
abzuhalten, daß sein verschlossener und unzu-
gänglicher Chef ihn aber abgewiesen habe. In
dem Dossier befindet sich eine französische Über-