Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVII. Jahrgang, 1916. (27)

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diese Neuordnung der Verwaltung des ihm unter- 
stellten Gebietes nicht zu verhandeln. 
Im Juli 1905 übergab der englische Gesandte 
der Kongoregierung ein Memorandum, das es 
ablehnte, über das Recht Lemaires, in dem frag- 
lichen Gebiet Posten zu errichten, weiter zu ver- 
handeln. Falls diese Posten und das Dekret 
vom 31. Mai nicht zurückgezogen würden, werde 
die Britische Regierung gezwungen sein, die Re- 
gierung des Kongostaates für alle Folgen eines 
solchen Einbruches in die Rechte Agyptens ver- 
antwortlich zu machen. Jedenfalls um einen 
Konflikt zu vermeiden und dem Kongostaat die 
Gelegenheit zu nehmen, eine Vermittlung oder 
Schiedsgericht auf Grund der Kongoakte anzu- 
rufen, zog die Sudanverwaltung alle Posten südlich 
des 5. Parallels mit Ausnahme desjenigen von 
Meridi zurück. 
Das folgende Schreiben der Zentralverwaltung 
in Brüssel an den Generalgouverneur in Boma 
vom 17. Oktober 1905 (3021) war dazu bestimmt, 
diesem über den Sinn des Mai-Dekretes Auf- 
schluß zu gewähren: 
Nous avons voulu établir d’'une manière 
Précise les droits due nous possédons dans le 
bassin du Nil: ou bien, c'est le bail de 1894 qui 
fait la loi entre les parties, odu bien si ce bail 
est contesté, les droits duc nous possedions 
dans ces régions, avant la conclusion de 
PFarrangement qui aboutit au bail, renaissent. 
Cicst éCvidemment de cette facon due se 
Présente notre différend avec l’Angleterre, 
mais cette Puissance ne partage nullement nos 
vues, et en attendant due ce conflit socit 
tranché, il importe due nous appuyions nos 
revendications d'unc occupation elfective.“ 
Hinsichtlich der Wirksamkeit dieses Gewalt- 
streiches hatte sich der König sehr verrechnet. 
Leutnant Paulis meldete am 7. Dezember 1905 
das Erscheinen zahlreicher Sudan-Truppen mit 
fünf Offizieren und Kanonen am 5. Parallel, 
nachdem er kurz vorher noch einen neuen Posten 
Youbo oder Gindou unter 4° 55“ n. Br. und 
28° 10 5. Gr. gegründet hatte und am 19. No- 
vember noch große Festlichkeiten für die Ein- 
geborenen zur Feier der Okkupation stattgefunden 
hatten. 
Am 18. Dezember kündete die Sudanregie- 
rung dem Befehlshaber der Station Lado die 
Schließung der Schiffahrt auf dem Nil für den 
Kongostaat an, weder Passagiere, noch Post und 
Telegramme noch Waren würden mehr befördert 
werden. Am 12. Dezember hatte Reuter diese 
Nachricht bereits gemeldet. 
Angesichts dieser Maßnahme griff der König 
zunächst wieder auf sein beliebtes und etwas kost- 
  
spieliges Mittel") zurück, durch Rechtsgutachten 
das Völkerrechtswidrige dieses Vorgehens der 
ägyptisch-englischen Sudanverwaltung nachweisen 
zu lassen. Prof. Nyß-Brüssel, Minister T. M. Asser- 
Amsterdam, Prof. Pasquala Fiore-Neapel und 
Prof. Stoerk-Greifswald begutachteten im Früh- 
jahr 1906 übereinstimmend, daß die Sperrung 
des Verkehrs auf dem Nil für den Kongostaat 
gegen das Völkerrecht verstoße. Doch solche 
papiernen Proteste vermochten natürlich England 
gegenüber gar nichts auszurichten. Der König 
sah sich rasch zum Nachgeben gezwungen, trotzdem 
die Besatzung des streitigen Gebietes von 1150 
Mann auf etwa 2000 gebracht und Geschütze 
sowie Munition herangeschafft worden waren. 
Van Eetvelde mußte nach London reisen, und 
dort kam es am 9. Mai 1906 zu einer end- 
gültigen Verständigung über das Pachtgebiet. 
In diesem neuen Vertrag sah sich der König 
gezwungen, auf das ihm durch den Artikel 2 des 
Vertrages vom 12. Mai 1894 zugestandene Pacht- 
gebiet zu verzichten. Es blieb ihm nur der Genuß 
der im französisch-kongolesischen Vertrag vom 
14. August 1894 erwähnten Enklave von Lado 
auf seine Lebenszeit, sowie das kleine 25 ha breite 
Pachtgebiet an dem Westufer des Albert Sees mit 
dem Hafen Mahagi auf die Dauer der Herrschaft 
der coburgischen Dynastie in Belgien. Die Grenze 
des eigentlichen Kongostaates wurde durch diesen 
neuen Vertrag von dem Punkt an, wo der 
30. Meridian von Süden aus die Wasserscheide 
des Kongo-Nil-Systems zum erstenmal trifft, nach 
Norden zu auf diese Wasserscheide beschränkt. 
Die in Artikel 6 des neuen Vertrages vor- 
gesehene Erbauung einer Eisenbahn von der 
Grenze des Kongostaates durch die Enklave von 
Lado bis zum Nil mit Hilfe einer belgisch-eng- 
lischen Gesellschaft, der die englisch-ägyptische Re- 
gierung eine Zinsgarantie von 3 v. H. auf das 
die Summe von 800 000 K nicht überschreitende 
Anlagekapital zusicherte, ist nicht zur Ausführung 
gelangt, da sie wohl mehr im englischen als im 
kongolesisch-belgischen Interesse lag. 
Wie der König in Wahrheit über einen solchen 
Bahnbau dachte geht in interessanter Weise aus 
einem Schreiben hervor, das der Verwalter der 
Königl. Zivilliste und Intimus in seinem Auftrag 
an den oben bereits erwähnten Mr. John 
Williamson Johnston richten mußte. (Siehe Bahr 
el Ghazal 44 Cart. 9— 12.) Baron C. Goffinet 
schreibt dort am 8. August 1900: 
„Quant à l’emploi de la voie du Nil. 
nous y aurions grand intérét si le chemin de 
*) Umfangreichere Gutachten pflegten mit 1000 
bis 2000 Frs. honoriert zu werden.
	        
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