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In Lome und an sämtlichen von den Feinden
besetzten Plätzen Kameruns wurde der friedlichen
weißen Bevölkerung die Sicherung ihres Eigen-
tums nicht gestattet, ja direkt verwehrt. Das der
weißen Aufsicht beraubte Privateigentum wurde
vielfach durch weiße und schwarze englische und
französische Soldaten geplündert. Handels= und
Plantagenbetriebe, Geschäfts= und Privathäuser
fielen dem Raub und der Zerstörung anheim.
Schränke, Kisten, Koffer und sonstige Behältnisse
wurden erbrochen und des Inhalts beraubt, wert-
volle wissenschaftliche Instrumente und Samm-
lungen vernichtet.
In Kamerun wurden die geweihten Ge-
räte der Gotteshäuser zerstört oder ge-
raubt.
Trotz der Zusicherung, die der englische Ober-
befehlshaber vor der Übergabe von Duala hin-
sichtlich des Schutzes des Privateigentums gegeben
hatte, wurde auch dort geraubt und geplündert.
Dabei wurden sogar die Häuser in der Nachbar-
schaft des Quartiers des englischen Oberbefehls-
habers und des Regierungskrankenhauses, wo die
englisch-französischen Stellen sich eingerichtet hatten,
nicht geschont.
Selbst die ausdrückliche Verwahrung deutschen
Eigentums, insbesondere der Habe der Beamten,
durch die Engländer im Magazin zu Lome ge-
währte keinen Schutz.
Englische Offiziere haben sich an dem zurück-
gelassenen Privatbesitz der Deutschen vergriffen.
Den deutschen Gefangenen wurden Kleidungs-
stücke, Ringe, Uhren und ähnliches von schwarzen
Soldaten vom Leibe gerissen.
Endlich blieb sogar die spärliche Habe, die
von den Deutschen zum persönlichen Gebrauch in
wenigen Gepäckstücken in die Gefangenschaft mit-
genommen werden konnte, von diebischer Hand
nicht verschont. Dies geschah sogar bei der amt-
lichen Durchsuchung der Gefangenen und ihres
Gepäcks. Die Täter waren zum Teil englische
Offiziere oder Beamte.
IX.
Was nicht geplündert und zerstört wurde und
verwertbar war, wurde gegen Bezahlung eines
unangemessenen Zwangspreises, in den meisten
Fällen sogar ohne Bezahlung, selbst ohne Aus-
stellung einer Bescheinigung, beschlagnahmt und
eingezogen.
X.
Die im vorstehenden in allgemeinen Zügen
geschilderten Ausschreitungen sind durch die Aus-
sagen beeidigter Zeugen bewiesen. In Teil II
ist eine ins Einzelne gehende Zusammenstellung
der Vorgänge gegeben. Das eidliche Beweis-
material kann durch die lückenhaften, einseitigen und
zum Teil unrichtigen Behauptungen der „Corre--
spondence relative to the alleged III- Treat-
ment of German Subjects captured in the
Camercons vom November 1915“ betitelten
englischen Parlaments-Drucksachen in keiner Weise
erschüttert werden. Welcher Wert dieser englischn
Veröffentlichung beizumessen ist, dafür ist der dort
gegebene Auszug aus dem „Brief des stellver-
tretenden Bezirksamtmanns Kaiser in Viktoria
an den Gouverneur von Kamerun“ (S. 45 unten
der genannten Correspondencec) bezeichnend. In
diesem Auszug ist der Passus des Kaiserschen
Originalbriefes „obgleich natürlich bedeutende
Privatwerte vernichtet wurden“ aus offensichtlichen
Gründen in die Worte „although naturally a
small amount of private propert)y) was de-
stroyed“ geändert worden. Die geringe Zuver-
lässigkeit der englischen Berichterstattung erhellt
ferner aus der willkürlichen Auslegung, welche
der stellvertretende Gouverneur der Goldküste in
seinem Bericht vom 18. Juni 1915 an den
Kolonialstaatssekretär in London einem Briefe des
Professors Deißmann gibt (S. 39 Nr. 13 der
Correspondence..).
Professor Deißmann führt in diesem Briefe
Beschwerde darüber, daß dem Missionar Märtens
der Zutritt zu seiner todkranken Frau seitens der
englischen Behörde erschwert sei, mit den Worten:
„Nur als ihr Zustand so ernst wurde, daß
ihr Ende zu befürchten war, wurde ihm am Tage
vor ihrem Tode gestattet, seine Frau zu sehen,
wobei er wie ein Verbrecher durch einen bewaff-
neten schwarzen Soldaten bis zur Tür ihres
Krankenzimmers begleitet wurde.“
In diesen Worten findet der stellvertretende
Gouvernceur den Beweis für die Richtigkeit der
englischen Behauptung, Märtens habe sich den
Schimpf der Bewachung durch einen schwarzen
Soldaten entziehen wollen und deshalb die be-
reitwillig gewährte Erlaubnis zum Besuch
seiner Frau nur benutzt, als sie im Sterben lag.
Auch die Auszüge aus schriftlichen Erklärungen
einzelner deutscher Männer und Frauen am Ende
der genannten Correspondence haben keineswegs
die Bedeutung, die ihnen die englische Darstellung
beimißt. Aus den Angaben zu der Mehrzahl
dieser Auszüge im nachfolgenden Anhang geht
hervor, daß die den einzelnen Personen zuge-
schriebenen Erklärungen von diesen nicht aus
freien Stücken abgegeben, sondern von englischen
Oiffizieren und Beamten gefordert wurden. Ferner
sind diese Erklärungen, die in deutscher Sprache
abgefaßt worden waren, bei der Übertragung ins
Englische zum Teil entstellt worden.
Die englische Regierung fußt auf unvollstän-
digen und in hohem Grade unzulreffenden Be-
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