Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVII. Jahrgang, 1916. (27)

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In Lome und an sämtlichen von den Feinden 
besetzten Plätzen Kameruns wurde der friedlichen 
weißen Bevölkerung die Sicherung ihres Eigen- 
tums nicht gestattet, ja direkt verwehrt. Das der 
weißen Aufsicht beraubte Privateigentum wurde 
vielfach durch weiße und schwarze englische und 
französische Soldaten geplündert. Handels= und 
Plantagenbetriebe, Geschäfts= und Privathäuser 
fielen dem Raub und der Zerstörung anheim. 
Schränke, Kisten, Koffer und sonstige Behältnisse 
wurden erbrochen und des Inhalts beraubt, wert- 
volle wissenschaftliche Instrumente und Samm- 
lungen vernichtet. 
In Kamerun wurden die geweihten Ge- 
räte der Gotteshäuser zerstört oder ge- 
raubt. 
Trotz der Zusicherung, die der englische Ober- 
befehlshaber vor der Übergabe von Duala hin- 
sichtlich des Schutzes des Privateigentums gegeben 
hatte, wurde auch dort geraubt und geplündert. 
Dabei wurden sogar die Häuser in der Nachbar- 
schaft des Quartiers des englischen Oberbefehls- 
habers und des Regierungskrankenhauses, wo die 
englisch-französischen Stellen sich eingerichtet hatten, 
nicht geschont. 
Selbst die ausdrückliche Verwahrung deutschen 
Eigentums, insbesondere der Habe der Beamten, 
durch die Engländer im Magazin zu Lome ge- 
währte keinen Schutz. 
Englische Offiziere haben sich an dem zurück- 
gelassenen Privatbesitz der Deutschen vergriffen. 
Den deutschen Gefangenen wurden Kleidungs- 
stücke, Ringe, Uhren und ähnliches von schwarzen 
Soldaten vom Leibe gerissen. 
Endlich blieb sogar die spärliche Habe, die 
von den Deutschen zum persönlichen Gebrauch in 
wenigen Gepäckstücken in die Gefangenschaft mit- 
genommen werden konnte, von diebischer Hand 
nicht verschont. Dies geschah sogar bei der amt- 
lichen Durchsuchung der Gefangenen und ihres 
Gepäcks. Die Täter waren zum Teil englische 
Offiziere oder Beamte. 
IX. 
Was nicht geplündert und zerstört wurde und 
verwertbar war, wurde gegen Bezahlung eines 
unangemessenen Zwangspreises, in den meisten 
Fällen sogar ohne Bezahlung, selbst ohne Aus- 
stellung einer Bescheinigung, beschlagnahmt und 
eingezogen. 
X. 
Die im vorstehenden in allgemeinen Zügen 
geschilderten Ausschreitungen sind durch die Aus- 
sagen beeidigter Zeugen bewiesen. In Teil II 
ist eine ins Einzelne gehende Zusammenstellung 
der Vorgänge gegeben. Das eidliche Beweis- 
material kann durch die lückenhaften, einseitigen und 
  
  
zum Teil unrichtigen Behauptungen der „Corre-- 
spondence relative to the alleged III- Treat- 
ment of German Subjects captured in the 
Camercons vom November 1915“ betitelten 
englischen Parlaments-Drucksachen in keiner Weise 
erschüttert werden. Welcher Wert dieser englischn 
Veröffentlichung beizumessen ist, dafür ist der dort 
gegebene Auszug aus dem „Brief des stellver- 
tretenden Bezirksamtmanns Kaiser in Viktoria 
an den Gouverneur von Kamerun“ (S. 45 unten 
der genannten Correspondencec) bezeichnend. In 
diesem Auszug ist der Passus des Kaiserschen 
Originalbriefes „obgleich natürlich bedeutende 
Privatwerte vernichtet wurden“ aus offensichtlichen 
Gründen in die Worte „although naturally a 
small amount of private propert)y) was de- 
stroyed“ geändert worden. Die geringe Zuver- 
lässigkeit der englischen Berichterstattung erhellt 
ferner aus der willkürlichen Auslegung, welche 
der stellvertretende Gouverneur der Goldküste in 
seinem Bericht vom 18. Juni 1915 an den 
Kolonialstaatssekretär in London einem Briefe des 
Professors Deißmann gibt (S. 39 Nr. 13 der 
Correspondence..). 
Professor Deißmann führt in diesem Briefe 
Beschwerde darüber, daß dem Missionar Märtens 
der Zutritt zu seiner todkranken Frau seitens der 
englischen Behörde erschwert sei, mit den Worten: 
„Nur als ihr Zustand so ernst wurde, daß 
ihr Ende zu befürchten war, wurde ihm am Tage 
vor ihrem Tode gestattet, seine Frau zu sehen, 
wobei er wie ein Verbrecher durch einen bewaff- 
neten schwarzen Soldaten bis zur Tür ihres 
Krankenzimmers begleitet wurde.“ 
In diesen Worten findet der stellvertretende 
Gouvernceur den Beweis für die Richtigkeit der 
englischen Behauptung, Märtens habe sich den 
Schimpf der Bewachung durch einen schwarzen 
Soldaten entziehen wollen und deshalb die be- 
reitwillig gewährte Erlaubnis zum Besuch 
seiner Frau nur benutzt, als sie im Sterben lag. 
Auch die Auszüge aus schriftlichen Erklärungen 
einzelner deutscher Männer und Frauen am Ende 
der genannten Correspondence haben keineswegs 
die Bedeutung, die ihnen die englische Darstellung 
beimißt. Aus den Angaben zu der Mehrzahl 
dieser Auszüge im nachfolgenden Anhang geht 
hervor, daß die den einzelnen Personen zuge- 
schriebenen Erklärungen von diesen nicht aus 
freien Stücken abgegeben, sondern von englischen 
Oiffizieren und Beamten gefordert wurden. Ferner 
sind diese Erklärungen, die in deutscher Sprache 
abgefaßt worden waren, bei der Übertragung ins 
Englische zum Teil entstellt worden. 
Die englische Regierung fußt auf unvollstän- 
digen und in hohem Grade unzulreffenden Be- 
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