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zeichnend ist, daß das Gericht nicht einmal den
Versuch machte, die Verhandlung zu vertagen,
bis einem ev. Auslieferungsantrag an Belgien
Folge gegeben sein konnte, sondern daß von vorn-
herein von der Stellung eines solchen Antrages,
als ob es sich um eine ganz selbstverständliche
Sache handle, abgesehen wurde.
Die gerichtliche Untersuchung gegen Tilkens
ergab folgenden Tatbestand:
1. Tilkens hat einem Träger in Libokwa
zahlreiche Hiebe versetzen und ihn dann mit einer
schweren Last auf dem Rücken andauernd um den
Fahnenmast der Station herumgehen lassen. Dann
hat er einem Korporal der Wache den Befehl ge-
geben, auf den Mann zu schießen. Dieser Befehl
wurde ausgeführt und der Eingeborene fiel mit
einem Brustschuß tot zu Boden.
2. Tilkens hat drei Träger, die ihre Lasten
weggeworfen hatten, an Armen und Beinen binden
und sie, nachdem sie durchgepeitscht worden waren,
ins Gefängnis werfen lassen. Dann hat er diese
drei Leute, die mit Ketten um den Hals anein-
ander gefesselt waren, abgeschickt, um ihre Lasten
zu suchen. Dem sie begleitenden Korporal hat
er den Befehl erteilt, die Leute zu erschießen, falls
sie den Versuch machen würden, zu entfliehen.
Diese drei Träger wurden erschossen.
3. Tilkens hat Eingeborene in großer Zahl
gefangen gesetzt, darunter mehrere Häuptlinge,
hat sie mit der Flußpferdpeitsche verprügeln und
in Ketten sterben lassen, weil sie nicht genug
Kautschuk zur Station brachten.
4. Tilkens hat zahlreiche Frauen der Frei-
heit beraubt, sie blutig schlagen lassen und sie
dann als Beute seinen Soldaten überlassen. Dann
hat er Männer, Frauen und Kinder in großer
Anzahl ihrer Freiheit beraubt, die er während
seiner gemeinsam mit dem oben erwähnten Janssens
unternommenen kriegerischen Operationen gegen
die Bewohner der Nachbarschaft der Station ge-
fangen nahm, und hat sie daun im Gefängnis
im schwärzesten Elend sterben lassen.“)
*) Schwer belastend war besonders die Aussage
eines Argtes, I)#r. Vedy, der als Gast und deshalb
gegen die Ubelstände machtlos die Station berührt
hatte. Nach ihm befand sich das Gefängnis in zwei
iensterlosen Unterräumen eines 15 m langen und Gm
breiten Gebändes. In diesen zwei Gelassen waren oft
bis 120 Männer, Frauen, Kinder und Säuglinge
eingepfercht. Die Insassen schlugen sich des nachts oft
blutig im Kampf um einen Platz an den Türen, deren
Spalten den Zutritt von etwas frischer Luft gestatteten.
Sie waren zu Sleletten abgemagert, denn sie erhielten
höchstens ein paar Bananen als Kost zugeworfen. Sie
litten fast alle an den durch Schläge erzeugten Wunden,
viele daneben an Durchfall, durchweg aber an äußerstem
Elend und Hunger. Es kam vor, daß am Morgen von
den Wachen bis sechs Tote herausgezerrt wurden. Der
Zeuge warnte Tilkens vor den Folgen seiner Anord-
zungen. jedoch ohne wesentlichen Erfolg damit zu er-
zielen
Tilkens behauptet, daß er die Handlungen,
wegen denen er unter Anklage stehe, im Verlauf
kriegerischer Unternehmungen, mit denen er be-
auftragt gewesen sei, begangen habe, und ent-
schuldigt sie mit den Schwierigkeiten, von denen
er umgeben war, und mit der für ihn deshalb
gegebenen Notwendigkeit, energische Maßnahmen
zu ergreifen. Der Gerichtshof gibt zu, daß der
Angeklagte von seinem Vorgesetzten, dem Distrikts-
chef Verstraeten, mit der Kriegsführung beauf-
tragt gewesen ist, daß dieser ihm völlig freie Hand
gelassen und ihn sogar noch ausgemuntert hat.“)
Es gehe aus der Untersuchung in der Tat hervor,
daß bei dem Angriff auf ein Dorf, bei dem zahl-
reiche Frauen gesangen wurden, Tilkens von dem
Kommandant Verstraeten ermächtigt worden war,
sich von einer Bande von 60 alten Soldaten vom
Stamm der Likwangula begleiten zu lassen, der
als Entgelt die Beute an gefangenen Frauen ver-
sprochen war. In der Tat erhielten diese Söldner
anstatt einer Bezahlung in Stoffen die gefangen-
genommenen Frauen, die unter ihnen verlost
wurden.
Sicher trug Tilkens nach Ansicht des Gerichtes
Schuld an der Mißhandlung und elenden Unter-
bringung der Gefangenen, aber er war zugleich
der Meinung, daß cclui qui procurait à Tilkens
(en Pespecce le Commandant Verstraeten) ces
mercenaires pour l’aider dans cette besogne,
est aussi coupable due lui. De ce cöté donc,
il peut y avoir atténuation pour Tilkens. Les
faits de captures de femmes et d’enfants, les
mauvais traitements infligés aux prisonniers,
la remise de femmes aux soldats en guise de
récompenses, ont été commis au cours ou à
la suite d'opérations autorisées par le chef de
Tilkens, !e Commandant Verstraeten, lequecl
Connaissait la situation et n’'a rien fait pour
Jmettre fin; on peut meme dire due Tilkens
a obéi aux ordres de Verstraeten. II n'en est
blus de méme en ce qui concerne les faits de
mauvais traitements subis par duatre porteurs
et le meurtre de ceux-ci. II s’agit d’actes de
cruauté posés par ordre de Tilkens et qui
Bn’ont aucune corrélation avec les opérations
du'il a dü entreprendre.“
Der Angeklagte, der von Belgien aus ein
ärztliches Zeugnis eingereicht hatte, nach dem sich
ihm die Rückkehr nach Afrika aus Gesundheits-
rücksichten verbiete — über welches Zeugnis der
Gerichtshof hinwegging —, wurde am 4. April
1903 zu zehn Jahren servitude pénale in con-
tumaciam verurteilt.
*) Nach einer Zeugenaussage begnügte sich auch
der Inspecteur #Etut Hanolet bei einer Revision des
Postens Libokwa damit, eine Anzahl der Gefangenen
freizulassen, ohne Tilkens zu bestrafen oder ihn auch
nur zu warnen.